Fünfseen-Filmfestival:Mannomann

Fünfseen-Filmfestival: Eine männliche Figur, die den Betrachter berühren soll: Szene aus dem Video zum Klima-Oratorium.

Eine männliche Figur, die den Betrachter berühren soll: Szene aus dem Video zum Klima-Oratorium.

(Foto: Luminous Delusion)

In der Computeranimation zu Rainer Barteschs Oratorium "Our World Is On Fire" gibt es nur Männer, die dann auch noch militärisch marschieren

Von Reinhard Palmer, Gauting

Es ist kein Film im üblichen Sinne, selbst fürs innovative Fünfseen-Filmfestival immer noch ungewöhnlich. Denn im Grunde handelte es sich um eine Computeranimation mit echten Naturimpressionen, die keine Handlung im filmischen Sinne hat, sondern der musikalischen Vorlage folgt: Der in Pöcking beheimatete Komponist Rainer Bartesch schrieb das Oratorium "Our World is on Fire", um das er nicht zuletzt coronabedingt eine Reihe weiterer Ideen entwickelte und mit globalem Ansatz im Sinne von Work in Progress umsetzt. Dazu gehört diese Visualisierung von "Luminous Delusion", einem kommerziellen Münchner Unternehmen, für geplante, bisher immer weiter verschobene Live-Konzerte, die zwar die Inhalte in einer eigenen Sprache in Bilder umsetzte, aber eine fragwürdige Ästhetik entwickelte.

Daher waren Informationen zu Motivation und Mühen des Projekts schon wichtig, die Bartesch im Gespräch mit Moderatorin Sabine Zaplin gab. Den kritischen Blick entschärfte auch das Gespräch hinterher, an dem auch der aus Hamburg angereiste Librettist Danny Antonelli teilnahm. Die Problematik ist bekannt: Gute Kunst kostet viel Geld. Steht es nicht zur Verfügung, leidet die Umsetzung und damit auch die künstlerische Qualität.

"Damit man anfängt zu handeln, muss man berührt sein", nannte Bartesch als Motivation, sich musikalisch fürs Klima einzusetzen. Ein Anliegen, das ihm seit jeher am Herzen liege. Ganz ohne Zahlen und wissenschaftliche Erkenntnisse geht es in "Our World is on Fire" vordringlich um den emotionalen Aspekt, mit Texten von Franz von Assisi sogar um einen religiös-philosophischen. Zum Filmfestival passte der Beitrag sehr wohl, einerseits als Videoprojekt und Kurzfilm, andererseits im Sinne der neuen Reihe "Kino & Klima". Auch Barteschs Wunschfilm im Anschluss, "A Symphony of Noise" von Enrique Sánchez Lansch, bezog sich darauf, denn der dort vorgestellte Audio-Dokumentarist Matthew Herbert hat die Bewusstmachung der Naturzerstörung im Blick. Doch während Herbert dafür natürliche Geräusche experimentell ins Bewusstsein rückt, arbeitet Bartesch in seiner emotional aufgeladenen Komposition mit analogen Musikinstrumenten und Singstimmen. Dabei zielt er nicht auf intellektuelle Neue Musik ab, sondern auf intuitiv erschließbare, zugängliche Klänge - daher formal mehr Filmmusik, Musical und Rockoper denn Klassik.

Inhaltlich geht es um die Bewahrung der Schöpfung ungeachtet wirtschaftlicher Interessen und um ihre Schönheit. Letzteres ist filmisch ein schwieriger Aspekt, denn Schönheit ist in Bildern umgesetzt schnell kitschig. Und die Arbeit mit Farben verschob die Ästhetik noch weiter hin zur digitalen Perfektion. Der Kontrast zu den bedrückenden, dunkelgrauen Stadtkulissen konnte nicht größer sein. Künstlerisch tiefschürfend sind diese Metaphern aber nicht. Der eindeutig männliche Protagonist macht es nicht besser. Er hätte sich auch Frauen und Kinder gewünscht, erklärte Bartesch, doch nur ein animierter Mann war fertig verfügbar und daher bezahlbar. Also durchschreitet, klettert und fliegt die stilisierte Figur eines Mannes durch die verschiedenen Welten, vertritt mal die Naturschützer, mal die geldgierigen Ökonomen, tut sich schließlich mit seinen Klonen zum Protest zusammen. Das martialisch anmutende Marschieren ist in seiner Entschiedenheit beängstigend, im Gleichschritt gar militärisch. Auch das war nicht im Sinne Barteschs, aber individuelles Agieren hätte zu viel Rechenleistung benötigt und wäre dann vermutlich nicht rechtzeitig fertig und zu teuer geworden.

Der künstlerische Aspekt litt hier allzu sehr unter den Rahmenbedingungen, sodass man sich fragen muss, ob sich Bartesch mit dieser Visualisierung seines Oratoriums einen Gefallen tut. Menschen mit einer virtuellen, stilisierten Figur berühren und für zutiefst menschliche Aspekte sensibilisieren zu wollen, erscheint widersprüchlich. Die Aufgabe war allerdings auch äußerst schwierig: für die komplexen Textinhalte nicht nur Bilder und eine Dramaturgie zu finden, sondern diese auch in der vorgegebenen Kürze mit der Musik zu koordinieren. Das Ergebnis ließ einen ratlos zurück.

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