Auguste Renoir steigt in Weßling aus der S-Bahn. Renoir? S-Bahn? Das passt nicht zusammen, das ist wie: Old Shatterhand holt sein iPhone aus der Satteltasche. Zum Western-Helden gehört der Henrystutzen, ein Impressionist fährt mit der Kutsche. Normalerweise. In Robert Rynarzewskis Kurzfilm "Renoir in Weßling" sind der Maler und die S-Bahn auf einem Bild zu sehen: Auguste Renoir kommt nach 100 Jahren an jenen Ort zurück, an dem er 1910 gelebt hat - nach Weßling am Weßlinger See.
Er bringt ein paar Kollegen mit: Kirchner, Kandinsky, Dalí. Sie wollen gucken, ob es Renoirs Ausstellung noch gibt und wie es um die Kunst in Weßling steht. Eine kolossale Idee, dieser surreale Schwarzweiß-Film.
Er wird beim Fünfseen-Filmfestival (FSFF) gezeigt. Das FSFF findet vom morgigen Mittwoch, den 27. Juli, bis Sontag, den 7. August, statt, und es ist noch nie so groß gewesen wie in diesem Jahr: Auf den Leinwänden in Starnberg, Herrsching, Seefeld, Wörthsee, Weßling und Hochstadt werden 107 Lang- und 27 Kurzfilme gezeigt. "Es ist jetzt das zweitgrößte Filmfestival in Bayern", sagt Festival-Leiter Matthias Helwig. Hinter München, aber vor Hof.
Es werden große und mittelgroße Namen erwartet: Thor Frideriksson kommt aus Island, Aleksei Fedorchenko aus Russland, Stratos Tzitzis aus Griechenland; dazu gesellen sich Marcus Rosenmüller, Caroline Link und Dominik Graf aus Deutschland. Als Ehrengast kommt die Schauspielerin Hannelore Elsner.
Aber es geht auch um Weßling und um Regisseure, die weniger bekannt sind - lokale Filmemacher wie Robert Rynarzewski, Manuela Bastian, Mickel Rentsch oder auch Walter Steffen. Rynarzewski wohnt in Seefeld. Er ist ein lustiger Typ, und er ist selbstironisch, sagt also offen, dass er noch keinen Verleiher für seinen 15-Minuten-Film gefunden hat; und dass er den Kandinsky in seinem Film "Renoir in Weßling" selbst gespielt hat.
Manuela Bastian aus Schondorf hat auch noch keinen Verleiher, Mickel Rentsch aus Inning und Walter Steffen aus Seeshaupt verleihen selbst. Steffen ist ein lokal bekannter Regisseur, er hatte im vergangenen Jahr Aufsehen erregt mit der Doku "Endstation Seeshaupt", einer Geschichte über einen Todeszug mit KZ-Häftlingen, der in Seeshaupt liegenblieb. Auf dem Fünfseen-Filmfestival zeigt er "Gradaus daneben", einen Film über Lebenskünstler aus dem Oberland. Steffen stellt die Frage: Wer spinnt hier eigentlich - ich oder du? Der Film soll am 5. August erstmals vorgeführt werden.
Mickel Rentsch hatte 2008 "Marktl ist Papst" gedreht, nun zeigt er den Dokumentarfilm "Damals ist heute Polen". Die Geschwister Bärbel, Klaus und Inge Zielke fahren nach Krusko in Polen. Krusko hieß früher Kurzig und war deutsch. Die Zielkes wurden vertrieben, jetzt besuchen sie ihre Heimat wieder. "Der Film lebt von vielen zufälligen Begegnungen", sagt Mickel Rentsch, "er pendelt zwischen Tragik und Komik." Rentsch ist näher dran als gewöhnlich: Bärbel ist seine Mutter. Den Film sieht er als "Experiment, ob man damit die heutige Kinolandschaft unterhalten kann". Es ist ein Risiko, aber Rentsch weiß, was es heißt, Filmemacher zu sein und wie schwierig es ist für die Kleinen.
Manuela Bastian ist erst 24 Jahre alt, das ist ein Alter, in dem manche Menschen leidenschaftlich dafür kämpfen, dass die Welt besser wird. Sie sagt, sie will "Filme über Menschen machen, die etwas bewegen, die ihren Visionen folgen und diese kompromisslos leben". Deshalb hat sie einen Dokumentarfilm über Sampat Pal gedreht: "Kampf in Pink", weil Pal und ihre Mitstreiter pinkfarbene Saris tragen. Sie kämpfen für Menschen der niederen Kasten, für die Landbevölkerung, für Frauen und Mädchen - zum Beispiel für Sheilu, die angeblich von einem Politiker vergewaltigt wurde. Auch dieser Film wird beim FSFF uraufgeführt.
Auguste Renoir kam im Sommer 2010 übrigens mit einer Kalesche in Weßling an, das ist ein leichter offener Wagen, eine kleine Kutsche.
Das Fünfseen-Filmfest läuft vom 27. Juli bis 7. August in Starnberg, Herrsching, Seefeld, Wörthsee, Weßling und Hochstadt .