Fünfseen-Filmfestival:"Es gibt wunderbare Visionen"

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Matthias Helwig äußert sich zu den Gründen, sein Festival in den Frühherbst zu verlegen, und spricht über den Traum, im historischen Seebad Undosa Kinos aufzubauen

Interview von Gerhard Summer

Kinobetreiber Matthias Helwig gibt seinem Fünfseen-Filmfestival, das schon Stars wie Volker Schlöndorff und Wim Wenders, Martina Gedeck und Ulrich Tukur angezogen hat, eine neue Struktur und einen neuen Termin. 2018 wird es erstmals nicht im Hochsommer, sondern im Frühherbst über die Bühne gehen, von 6. bis 15. September. Die Open-Airs, die bisher Teil des Programms waren, bleiben beim alten Termin Ende Juli. Die SZ sprach mit dem 57-jährigen Festivalchef aus Gilching.

SZ: Wie sieht es mit der Finanzierung des Filmfestivals 2018 aus?

Matthias Helwig: Nächstes Jahr sieht es besser aus. Ich hatte heuer ein Minus von 30 000 Euro, das ich privat tragen musste. Da kam schon die Frage auf, ob ich das Festival noch weitermache, weil das doch ein Betrag ist, den ich privat nicht mehr aufbringen kann. Danach habe ich mich mit meinem Team zusammengesetzt, eine Kalkulation erstellt, die auch funktioniert, und versucht, die Förderung zu bekommen, die wir uns vorstellen. Das Ergebnis: Das Land Bayern hat den Zuschuss noch einmal um 10 000 Euro erhöht, die Unterstützung liegt jetzt bei 40 000 Euro. Auch die Stadt Starnberg fördert uns 2018 herausragend: Sie gibt 20 000 Euro bar und 14 000 Euro Sachleistungen.

Was sind in diesem Fall Sachleistungen?

Technik, also der Projektor. Die Eröffnungs- und Abschlussfeier sind reine Showveranstaltungen für Sponsoren und kosten einfach Geld für Catering, Personal und Deko, auch wenn die Stadt Starnberg die Saalmiete übernimmt. Das summiert sich auf 10 000 bis 15 000 Euro - ohne Gegenwert, die Gäste sind alle eingeladen. Natürlich ist das wichtig. Ein Festival braucht eine Eröffnung. Davon profitieren auch Landkreis und Stadt, für beide ist das ein Aushängeschild.

Wieso kostet ein geliehener Projektor 10 000 Euro?

Das ist ein Kinoprojektor, kein Beamer, dazu braucht man eine extra Leinwand, einen extra Server, ein extra Mischpult. Außerdem muss Molton, ein schallabsorbierender Stoff, in der Schlossberghalle aufgespannt werden, damit es nicht so hallt. Nun übernimmt also die Stadt die Technikkosten in der Schlossberghalle. Der Antrag beim Landratsamt liegt noch, darüber wird wohl erst im Januar entschieden.

Und der Bezirk?

Der Bezirk hat mir immer die Höchstförderung zugesprochen, ich hoffe, dass ich sie wieder erhalte.

Sie kommen 2018 also über die Runden?

Ich denke schon. Wir haben in der Kalkulation aufgelistet, wie viele Einnahmen und Ausgaben wir pro Spielstätte haben. Einer der größten Negativposten war die Schlossberghalle, das würde nur funktionieren, wenn ich dauernd Vorstellungen mit 350 Besuchern hätte. Aber auch die kleinen Spielstätten kosten Geld, selbst Orte wie Hochstadt oder Weßling, man muss die Plätze herrichten, betreuen, Frachten hinbringen und so weiter. Wir haben deshalb auch in der Gemeinde Seefeld mehr Förderung beantragt. Außerdem haben wir untersucht, woran das Minus beim Filmfestival generell liegt: Der bisherige Termin bedeutete, dass man in einen Hochrisikobereich geht. Wenn man ein Filmfestival, das hauptsächlich Indoor ist, in den Hochsommer legt mit Temperaturen von mehr als 30 Grad, ist das eigentlich Dummheit. Es kann gutgehen, wenn du einen durchwachsenen Sommer hast. Sogar wenn es wie vor drei, vier Jahren oder heuer ein Sommer mit mehr als 33 Grad ist, kann sich eventuell eine Mischkalkulation ergeben, wenn das Open-Air am Abend gut läuft. Gewittert es aber abends um neun Uhr, fällt dir der ganze Tag flach. Und so ein Tag kostet halt 10 000 bis 12 000 Euro.

Ist das auf alle Spielstätten gerechnet?

Du hast Einnahmen von ungefähr 100 000 Euro, bei zehn Tagen Festivaldauer sind das etwa 10 000 Euro pro Tag, grob gerechnet. Und die beiden Gewittertage 2017 haben mich 15 000 bis 20 000 Euro gekostet. Das ganze Personal und die Fixkosten bleiben ja. Deshalb ändern wir jetzt den Termin und die Struktur des Festivals: Wir lassen die Open-Airs im Sommer, wo sie auch hingehören, aber nicht mehr an verschiedenen Stellen gleichzeitig, sondern mit einer einzigen technischen Ausrüstung hintereinander. Wahrscheinlich wird der Auftakt am 29. Juli sein. Und wir verschieben das eigentliche Festival samt Wettbewerben, Kurzfilmen, einer Seriennacht und vermutlich einer Sonderveranstaltung für Youtuber in den Herbst. Wir haben uns sehr, sehr viele Gedanken über den Termin gemacht, weil das in Bayern wegen der Sommerferien und der Wiesn nicht leicht ist. Wir werden jetzt also am 6. September eröffnen, dem letzten Ferien-Donnerstag, da gibt es nur das Eröffnungsfest. Und die Abschlussfeier ist am Samstag, 15. September. Ich glaube, das ist ein schöner Termin.

Was ist der teuerste Posten bei Ihrem Festival?

Die Personalkosten mit 120 000 Euro. Die Ausgaben sind mit 300 000 Euro kalkuliert. Filme kosten 40 000 Euro, die Technik noch mal das Gleiche, die Ausgaben für Gäste sind mit 50 000 Euro angesetzt, das Marketing ebenfalls mit 50 000 Euro.

Über die vergangenen elf Jahre gerechnet, dürfte Sie das Filmfest viel Geld gekostet haben. Sind Sie so reich?

Nein. Die ersten Festivals waren im Starnberger Kino und viel kleiner. Das war sozusagen eine von 52 Kinowochen, und jede Woche gleicht sich immer irgendwie aus. Dazu kommt, dass Filmfeste einen Marketingeffekt haben, deshalb darf man die Verluste nicht eins zu eins sehen. Seit 2015 haben wir das Fünfseen-Filmfestival und das Kino Breitwand kalkulatorisch voneinander getrennt, wegen der Förderanträge und um einen Überblick zu gewinnen, und die Fünfseen-Filmfestival GmbH gegründet. Am Anfang haben viele Leute für einen wesentlich geringeren Obulus gearbeitet, ich habe meine Leute im Breitwand damals mehr beschäftigt. Die eigentlichen Verluste sind erst seit vier, fünf Jahren entstanden. Denn ich musste externe Leute holen, dadurch sind die Personalkosten in die Höhe gegangen, auch durch die vielen kleinen Spielstätten. 2016 war mit 20 000 Festivalbesuchern ein sehr gutes Jahr. 2017 waren es 3000 Leute weniger. Klar ist, dass ich selbst mit dem Festival kein Geld verdiene, sonst würde ich keine Förderung bekommen.

Ihr Ziel beim Festival 2018, das zwischen Münchner Filmfest, Wiesn und Hofer Filmtagen liegt, ist die schwarze Null?

Ja, dieses Mal muss es klappen. Ich habe auch einen kleinen Puffer eingebaut. Es gibt im Übrigen auch positive Effekte: Es war immer so, dass der FFF Bayern zu dem Ferientermin nicht kommen konnte...

Der Film-und Fernseh-Fonds, der Kinoproduktionen und Festivals fördert?

Ja, jetzt durch den neuen Festivaltermin hat der FFF Bayern signalisiert: Wir machen einen Empfang. Das ist wie ein Ritterschlag, bisher gibt es das nur in Hof, München und beim Dokumentarfilmfestival.

Die Gnade des späteren Termins?

Ja. Das Nächste ist: Einen Ehrengast im Hochsommer zu bekommen, ist ganz, ganz schwierig. Entweder sind die Stars bei Dreharbeiten oder in den Ferien. Anfang September sieht das anders aus.

Ist das nicht ein Spagat: Zu klein darf ein Filmfestival nicht sein, weil es sonst popelig wirkt, aber auch nicht zu unübersichtlich. Denn viele Leute sind erst mal erschlagen, wenn sie ein Programmbuch bekommen, das fast so dick ist wie das Münchner Telefonbuch. Jetzt wird das Programm kompakter, aber weniger Tage muss nicht weniger Filme heißen, oder?

2018 werden es weniger Filme sein, also auch weniger Vorstellungen. Dennoch bleibt die Reichhaltigkeit und Vielseitigkeit des Programmes. Das ist das Aushängeschild des Festivals.

Der Spielort Herrsching wird diesmal entfallen?

Ja, in Herrsching ist im April Schluss. Trotzdem bleibt es ein riesiges Festival mit zehn Leinwänden. In Hof gibt es, so viel ich weiß, nur acht Leinwände, die mittelgroßen Festivals wie Graz haben nur sechs oder sieben. Ich muss das natürlich bespielen. Dafür brauche ich unbedingt auch Besucher aus München, Wolfratshausen oder Weilheim.

Hat das Fünfseen-Filmfest nicht auch das Problem, dass es kein richtiges Zentrum gibt? Starnberg ist zwar sozusagen die Festivalhauptstadt, aber wer um 22 Uhr aus dem Kino oder der Schlossberghalle kommt, der trifft auf hochgeklappte Bürgersteige.

Es gibt wunderbare Visionen: Man könnte beim Undosa unter den Bäumen eine Art Filmstadt mit zwei Kinos und einer Lounge aufbauen. Die Leute flanieren am See, das Ganze ist rot beleuchtet, jeder Münchner würde sagen: Da fahren wir raus. Ich kenne das von Ludwigshafen. Aber das kostet sicher mehr als 100 000 Euro, und das wäre eine Willenserklärung. Starnberg ist letztlich ein Festival- und Touristenort wie Locarno oder Cannes oder Venedig. Du musst halt etwas machen, damit die Leute kommen.

Ist das nicht genau Ihre Absicht? Sie haben gesagt, sie bräuchten neue Räume für das Festival, die cool sind, aber nicht so riesig wie die Schlossberghalle.

Das Problem in Starnberg ist: Ich habe zwei Kinosäle mit 168 und 117 Plätzen, die für die heutige Zeit zu groß sind, die krieg' ich nicht mehr voll. Und dazu noch den 350-Plätze-Saal. Doch bei meinem Festival sind durchschnittlich 50 bis 100 Besucher pro Vorstellung da. Mir fehlt also der richtige Raum. Aber den zu finden, ist schwierig.

Die Quintessenz wäre, die Kinosäle in Starnberg zu verkleinern.

Irgendwann muss man darüber reden, wie es weitergeht. Darüber muss sich auch der neue Stadtrat spätestens 2020 Gedanken machen, denke ich.

Über den Standort Ihres Kinos?

Ja, ich hoffe, dass der jetzige Kinostandort im Portobello an der Wittelsbacherstraße für die nächsten fünf, sechs Jahre noch bleibt, der Vertrag läuft bis 2024. Aber es ist unklar, was mit dem Haus passiert, das der Sparkasse gehört. Der Rest des Portobello steht seit neun Monaten leer, das ist nicht ermutigend. Das Fatalste wäre ja: Wie soll das Festival aussehen, wenn es das Kino Starnberg nicht mehr gäbe?

© SZ vom 07.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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