Süddeutsche Zeitung

Fünfseen-Filmfestival:Doldinger und die Sache mit dem Glück

Lesezeit: 2 min

Der weltbekannte Musiker erzählt bei einem Auftritt als Ehrengast des cineastischen Großereignisses aus seinem Leben

Von Gerhard Summer, Starnberg

Das Glück ist ein launisches Ding, aber dem Star dieses Festivals war es offenbar immer gewogen. Die "Tatort"-Melodie? Ein Klacks. "Das war von vornherein fertig", sagt Klaus Doldinger. 1970 hatte er einen "spontanen Einfall, machte ein Demo, das den Fernsehleuten gefiel, seitdem läuft das später nur unwesentlich veränderte Intro ohne Unterbrechung. Die Zusammenarbeit mit dem Regisseur des Kriegsdramas "Das Boot", Wolfgang Petersen? Problemlos, fast schon "wie ein Märchen". Doldinger komponierte ungestört vor sich hin, und das funktionierte, "weil wir im voraus alles ausdiskutiert hatten". Und seine Werbe-Jingles? "Man trat an mich heran, und ich freute mich, wenn ich was zu tun hatte."

Kann schon sein, dass der Blick zurück gnädiger ausfällt, wenn man älter wird. Aber wahrscheinlich trifft das durchaus zu, was der 84-jährige weltbekannte Jazzer und Filmmusik-Komponist aus Icking am Donnerstagabend bei seinem zweiten Auftritt als Ehrengast des Fünfseen-Festivals immer wieder betont: Dass er nie Schwierigkeiten in seinem Beruf hatte, dass er sich vieles "nicht hätte träumen lassen" und die Arbeit für ihn ein großes Vergnügen war. Einmal sagt er mit seiner rauen Stimme im Kino Starnberg: "Ich hatte immer das Glück, dass sich alles weiterentwickelt hat", und als zum wiederholten Mal das Wort Glück fällt, geht ein leicht ungläubiges, freundliches Lachen durchs Publikum. Aber so wird es schon sein, vieles spricht dafür. Denn Doldinger ist zu ernsthaft, um die Dinge schönzureden, und hat außerdem alle Namen und Daten auf dem Schnürchen.

Gut, auf ein paar Fragen geht er nicht so direkt ein. Und einmal bremst ihn seine Frau Inge, als er übers "Dritte Reich" sprechen will. Aber Doldinger ist in beneidenswert guter Verfassung, und so erweist sich auch dieser Abend als Glücksfall. Denn der Passport-Chef sitzt nicht nur mit seinem Instrument auf dem schwarzen Sofa und redet mit Festivalleiter Matthias Helwig, sondern spielt auch mit seinem Pianisten Michael Hornek aus Wien. Es gibt Auszüge aus dem "Boot" und der "Unendlichen Geschichte", einen Blues, den Klassiker "Sambucada" und "Mackie Messer". Und das ist dann schon faszinierend, wie unglaublich sicher seine Töne kommen, auch wenn er hinterher sagt, das Holzblättchen im Mundstück sei zu trocken gewesen. Und vor allem, welche unfassbare Präsenz und Autorität dieser Musiker mit einem Schlag auf der Bühne hat. Die Melodie von Kurt Weills Moritat verdreht und zerlegt er in seiner Improvisation, starke Repetitionen wechseln sich mit schnellen Läufen ab, die um so lässiger sind, als Doldinger die letzten Sechzehntel oft leise versickern lässt. Und beim Blues, als der exzellente Keyboarder schön dreckig groovt, führt Doldinger die hohe Kunst des vokalen Spiels vor: Er klingt auf seinem Sax wie ein Sänger.

Der Starnberger Komponist Rainer Bartesch hatte zuvor die Laudatio übernommen. Er nannte Doldinger einen Künstler, der "Geschichte geschrieben hat", der in vielem ein Vorreiter gewesen sei. Doldinger, der auch ausgebildeter Tonmeister ist und dem Aufsichtsrat der Gema angehört, der Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und für Vervielfältigungsrechte, habe sich immer weiter entwickelt: vom Dixieland und Chicago-Jazz hin zu Bebop, Fusion und zum Jazzrock seiner 1971 gegründeten "epochalen Formation" Passport. Matthias Helwig nennt seinen Ehrengast schlicht eine Legende. Nach dem Mini-Konzert, dem am Dienstag, 8. September, ein größerer Auftritt im Kino Gauting folgen wird, spricht er "von einer großen Stunde dieses Festivals". Und was soll man sagen: Das ist kein bisschen übertrieben.

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SZ vom 05.09.2020
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