Freizeit:Starnbergs schöne Seiten

Über die Kreisstadt sind viele Klischees im Umlauf. So gilt sie als Refugium der Reichen. Doch die Menschen, die hier leben, finden sie meist alles andere als sehenswert. Dabei birgt sie eine ganze Menge attraktiver Plätze - ein Spaziergang.

Von Sabine Bader, Starnberg

Starnberg muss großartig sein, mondän und doch bayerisch. Dieser Ruf eilt der Kreisstadt am Nordende des Starnberger See voraus. Und wer Starnberg nicht mit eigenen Augen gesehen hat, der glaubt das auch. Doch kommt ein Nordlicht zum ersten Mal hierher, erhält er gleich am Ortseingang einen kleinen Vorgeschmack auf das, was ihn hier erwartet: Tankstellen, viele Autos und lange Staus. So gut wie kein Stadtzentrum und auch die Altstadt fehlt gänzlich. Stattdessen säumen viele gesichtslose Bauten die Straßen. "Starnberg ist echt hässlich", stellt ein junger Mann in einem Café im Gespräch mit seinem Gegenüber auch schlicht fest, während er mit leicht verdrießlichem Gesicht seinen Cappuccino schlürft. Ist das wirklich so? Nein. Wer sucht, der findet durchaus schöne Flecken in Starnberg.

Landratsamt

Die kleine Entdeckungstour startet am Landratsamt in der Strandbadstraße. Das von Wasser umspielte Gebäude ist wirklich eine Betrachtung wert. Der mit dem Deutschen Architekturpreis ausgezeichnete Bau stammt aus der Feder der Architekten Auer und Weber. Obwohl das von Holz und Glas dominierte Behördenzentrum schon gut 30 Jahre alt ist, wirkt es hochmodern. Schöner kann ein Zweckbau kaum aussehen.

Wassersportsiedlung

Direkt gegenüber der Kreisbehörde geht es in die Wassersportsiedlung. Sie wird am Eingang von einem Polizisten bewacht. Nein, keinem echten, sondern einer Schaufensterpuppe im Garten des Hauses mit der Nummer 11. Kleine Brücken gibt es hier, viele der einst als Ferienhäuschen geplanten Gebäude stehen direkt am Wasser. Das fließt kaum, darum säumen Seerosen auch die Ufer. Ferienhäuser sind die meisten der Häuser übrigens längst nicht mehr. "Ich würde sagen die allermeisten Leute leben fest hier", erzählt Doris Rosenberger, die mit ihrem Ehemann dauerhaft in der Wassersportsiedlung wohnt. Und das gern. "Unsere Enkeltochter, die in Italien lebt, sagt immer: Oma und Opa leben da, wo die Sonne wohnt", erzählt sie. Und sobald die scheint, schnappen sich die Rentner ihr Elektroboot aus dem Bootshaus und fahren raus aufs Wasser. Zu fast jedem Haus in der Siedlung gehört auch eine kleine hölzerne Bootshütte. Und in vielen schwimmen E-Boote.

Ungemütlich wird es in der Wassersportsiedlung nur bei Hochwasser. Da füllen die Hausbesitzer schnell die Sandsäcke und versuchen, das Schlimmste zu verhindern. Am Rande der Siedlung, gegenüber des Seebads, stehen zwei optisch auffällige Neubauten. In einem der Häuser lebt Natalie Dolkhain mit ihrer Familie. "Oft läuten Leute bei uns, weil ihnen das Haus so gut gefällt und sie wissen wollen, wer es entworfen hat", erzählt sie. Nun, das Geheimnis kann gelüftet werden: Es ist der Münchner Architekt Christof Lampadius.

Bürgerpark

Starnberg, Schönes Starnberg

Viele Starnberger verbringen ihre Mittagspause gern im Bürgerpark.

(Foto: Georgine Treybal)

Den Nepomukweg geht es weiter, vorbei am stets versperrten Bayerischen Yacht-Club. Das Rauschen wird lauter. Der Georgenbach fließt an dieser Stelle in Richtung See. Dann folgt die neue Werft der Seenschifffahrt. Zwischen Werftgelände und S-Bahn liegt der Bürgerpark. An seinem Ufer stehen Bänke, die an schönen Tage stark frequentiert sind. Viele Starnberger verbringen am Wasser ihre Mittagspause. So wie Herbert Heipp. Mit Strohhut und Sonnenbrille durchwandert er den kleinen Park. "Das Einzige, was schade ist", sagt er, "ist, dass man hier nicht baden kann." Das wäre auch zu gefährlich mit den großen Dampfern der Schifffahrt nebenan. Eine andere Besucherin findet es schade, dass es im Bürgerpark noch immer keinen Kiosk gibt, wo man sich eine Breze und etwas zu trinken kaufen kann.

Café Stellwerk

Starnberg, Schönes Starnberg

Eingekehrt wird im Café Stellwerk.

(Foto: Georgine Treybal)

Wer Lust auf einen der besten Espressi in der Stadt hat, der ist bei Ömer Sevengül im Café Stellwerk genau richtig. Vom Bürgerpark geht es am Fußweg entlang der Gleise in Richtung Seepromenade. Am Seespitz angekommen, spaziert man weiter die Promenade entlang bis zur Bahnunterführung, die man durchquert. Zur Rechten sieht der Wanderer den denkmalgeschützten Seebahnhof und zur Linken die Bahnhofstoiletten. An ihnen vorbei geht es zum Café. Ein durchaus gewöhnungsbedürftiger Zugang. So viel steht fest.

Und doch, das direkt an den Gleisen gelegene Café hat seinen ganz eigenen Reiz. Dass das so ist, liegt vor allem an Sevengül selbst. Ihm merkt man die Freude an, mit der er sein kleines Lokal betreibt. Geöffnet hat er täglich von zehn bis 18 Uhr, außer natürlich, wenn er mal im ein paar Tage im Urlaub oder krank ist. Seit 2012 betreibt er das Café Stellwerk in dem neben dem Stammpublikum auch Ausflügler verkehren. "Das hier ist eine Oase", sagt er. Bekannt ist sein Café für die selbstgemachte Gemüsetarte und den Espresso natürlich. Im etwas weiter südlich gelegenen städtischen Steininger Grundstück - hier gehen vor allem die Einheimischen baden - würde Sevengül gerne in den Sommermonaten einen mobilen Kiosk betreiben, erzählt er. "Da wäre richtig Bedarf da", glaubt er. Bei der Stadt hat er darum schon offiziell angefragt, aber seit längerem nichts in der Sache gehört.

Achheimviertel

Vom Stellwerk aus geht es rechts vorbei am denkmalgeschützten Hotel Bayerischer Hof ins sogenannte Acheimviertel. Wer es durchstreift, der erlebt das alte Starnberg, zwischen der ehemaligen Druckerei Jägerhuber und dem Seufzerberg. Hier braucht man nicht viel Fantasie, um sich die Entwicklung vom Fischerdorf zu Kleinstadt vorzustellen. Wer das genau ergründen will, dem sei der historische Teil des nahen Museums Starnberger See mit seinem ehemaligen Hof der Fischerfamilie Gröber ans Herz gelegt. Heute stellt das Viertel vor allem internationale Gaumenfreuden zufrieden: Da sind das indische Restaurant "Sur Bollywood", das Thai-Lokal "Sadai Thai Cusine", die französische Bäckerei "Amandines et Chocolats" und nicht zu vergessen auch ein Döner-Laden.

Schlossgarten

Starnberg Schloßgarten
(Foto: Georgine Treybal)

Frisch gestärkt ist der Wanderer jetzt für eine kleine Bergtour. Denn es gilt gegenüber der Bäckerei die mehr als hundert Treppen des Ignaz-Günther-Steigs hinauf auf den Schlossberg zu nehmen. Oben angekommen wird er belohnt, denn es eröffnet sich ihm vom kleinen Turm im Schlossgarten aus ein einzigartiger Blick auf Stadtdächer, See und Berge. Der Schlossgarten selbst, zwischen der Kirche Sankt Josef und dem Schloss gelegen, ist ein Refugium der Stille hoch über der Stadt. Wer ihn betritt, landet in einer verwunschen wirkenden Welt. In einem abgegrenzten Reich. Auch wenn man hier stets ein oder zwei Besucher antrifft, - vor allem solche, die sich auskennen und ihre Mittagspause hier verbringen - , wissen selbst viele Starnberger so gut wie nichts über den Garten.

Schon im 16. Jahrhundert hatte man die Mauer um den Schlossgarten gebaut. Sie ist als Hinweis auf die Zeit der Renaissance zu verstehen. Denn dort, wo heute die Josefskirche steht, stand zu jener Zeit noch das Tanz- und Gästehaus des Schlosses, das wahrscheinlich in der Regierungszeit Herzogs Albrechts V. gebaut wurde. Ein wichtiges Gebäude, denn große Feste mit Tanz bis in den Morgen waren in Starnbergs höfischer Gesellschaft des Schlosses keine Seltenheit. Der noch immer existierende Wasserturm an der Nordseite der Mauer speiste nicht nur die Wasserspiele im Garten, sondern versorgte auch das Schloss mit Wasser. Dazu hatte man das Wasser aus dem sieben Quellen mittels einer Holzleitung über ein Mühlrad im Georgenbach nach oben gepumpt. Im frühen 18. Jahrhundert kam das Lustwandeln aus der Mode, der Schlossgarten wurde aufgelassen und verwilderte. Hundert Jahre später nutzen die Schlossbewohner die Anlage dann, um sich selbst versorgen zu können. Sie bauten darin Obst und Gemüse an. Im Jahre 1980 pachtete schließlich die Stadt Starnberg den Schlossgarten vom Finanzministerium und ließ ihn nach historischem Vorbild herrichten. Heute sperrt ein Mitarbeiter die drei Eingangstore täglich morgens auf und abends wieder zu.

Siebenquellenweg

Ein Blick rundum vom Viadukt neben dem Garten aus auf die alten Bäume des Schlossbergs lohnt sich immer, bevor der Spaziergänger an der Josefskirche hinab in Richtung Söckinger Straße geht. Für alle Kulturfreunde sei hier noch kurz erwähnt, dass der Bildhauer Ignaz Günther von 1766 bis 1768 den sehenswerten Hochaltar der Kirche schuf. Um in den Siebenquellenweg zu gelangen, muss man jetzt die stark befahrene Söckinger Straße am Fuß des Schlossbergs queren und sie leider auch ein kleines Stück stadtauswärts gehen. Doch dann geht es schon links in den Siebenquellenweg. Der schmale Pfad entlang des Bachlaufs ist vor allem für jene geeignet, die nicht allzu viel Wert auf Gesellschaft legen. Meist wandert man hier allein. Das einzig Negative ist der Verkehrslärm von der nahen B2.

Maisinger Schlucht

Kein Verkehrslärm, dafür aber etliche Gleichgesinnte erwarten den Wanderer dann in der Maisinger Schlucht. In sie gelangt man auch von der Söckinger Straße aus, in dem man etwas weiter stadtauswärts geht. Wer von Starnberg nach Maising wandern möchte, der muss allerdings Zeit mitbringen. Die Strecke bis zum Maisinger See ist vier Kilometer lang, fast zwei davon führen durch die bewaldete Schlucht entlang des Maisinger Bachs. Los geht es von der Maisinger-Schlucht-Straße aus, am Wasserwerk vorbei. Josephine und Franz-Xaver Waxenberger sind gute Kenner des Weges. Mindestens einmal jährlich wandern die beiden 84-jährigen Münchner von Starnberg aus zum Maisinger See. Dort machen sie dann gemütlich Station im Biergarten des Maisinger Seehofs und wandern dann wieder zurück nach Starnberg. Die Waxsenbergers reisen dazu stets mit der S-Bahn aus der Maxvorstadt an, wo sie wohnen. "Für uns ist das ein toller Tagesausflug, weil es hier landschaftlich so schön ist", sagt die rüstige Rentnerin. "Wir lieben die Gegend um den Starnberger See."

Vordermühle

Starnberg, Schönes Starnberg
(Foto: Georgine Treybal)

Zurück an der Söckinger Straße geht es jetzt gegenüber in den Weg "Am Mühlbergschlößl" über die Kneippanlage in die Von-der-Tann-Straße, die man entlangwandert bis zur Augustenstraße. An der Ecke Augustenstraße/Vordermühle trifft man erneut auf eine kleine Sehenswürdigkeit: auf die Vordermühle mit ihren Mühlstein an der Hauswand und der Lüftlmalerei. Dem Müller der Vordermühle oblag es schon um 1580, mit Hilfe des Georgenbachs den schnellen Holznachschub für die herzogliche Schafferei beizubringen. Später wurde hier Getreide gemahlen. 1919 hat man die Mühle aufgeben und zu einem Wohnhaus umgebaut.

Gefängnis

Das kleine Haus mit der Nummer 1 gegenüber der Vordermühle zählt zu den ältesten Handwerkerhäusern am Schlossberg. Wen die Historie der Stadt interessiert, der kann die Vordermühlstraße noch ein paar Meter weiter bis zur Hausnummer 3 gehen. Auf diesem Grundstück stand einst das Starnberger Gefängnis, damals offenbar "Vronfeste" genannt. Auch das Nachfolgegebäude, das 1880 gebaut wurde, diente dem neben dem Schloss befindlichen Amtsgericht noch als "Arrestlokalität" und Gerichtsdienerwohnung. Im Garten vor dem Haus sitzt Aleksander Majlic und flickt den Reifen seines Fahrrads. Seit fünf Jahren wohnt der aus Serbien stammende Mann in dem Haus. "Bis vor einem halben Jahr habe ich gar nicht gewusst, dass ich im Gefängnis wohne", sagt er. "Aber das macht mir nichts."

Bachtreppe

Auf dem Rückweg in Richtung Landratsamt überquert der schon recht müde Spaziergänger den Tutzinger-Hof-Platz und rastet kurz auf den neuen Treppen, die hinab zum Ufer des Georgenbachs führen. Natürlich ist es an der stark befahrenen Kreuzung nicht gerade lauschig und obendrein sehr sonnig, aber der Durchblick entlang der Hausfassaden des Georgenbachwegs ist dennoch reizvoll. Die Maximilianstraße an seinem Ende zählt zu den sehenswerten Straßen in der Stadt, weil noch vergleichsweise viele historische Bauten gerettet werden konnten. Alteingesessene bemerken jedoch auch hier, dass die Stadt ihr Gesicht verändert. Über die Josef-Jägerhuber-Straße, die Bahnunterführung und die Perchastraße geht es schließlich zurück zum Landratsamt, dem Endpunkt der Wanderung.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: