Frank-Walter Steinmeier ausgezeichnet:Ein Welt-Diplomat

Tutzing Ev.Akademie Toleranzpreis

Empfangen (v. li): Udo Hahn, Frank-Walter Steinmeier und Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm.

(Foto: Georgine Treybal)

Der Außenminister erhält den Toleranzpreis der Evangelischen Akademie

Von Manuela Warkocz, Tutzing

Nachmittags handelte Frank-Walter Steinmeier in der Ukraine noch einen erneuten Waffenstillstand aus, fünf Stunden später nahm der Bundesaußenminister in der Evangelischen Akademie Tutzing den Toleranz-Preis entgegen. "Sie sitzen - so muss man es fast sagen - oft in zwei Flugzeugen gleichzeitig", versuchte Laudator Heinrich Bedford-Strohm den hohen persönlichen Einsatz Steinmeiers zur Lösung der so zahlreichen Krisen dieser Welt in ein Bild zu packen. Sich zu teilen, schafft zwar nicht einmal dieser emsige Spitzendiplomat. Aber Steinmeier weiß, wie der Evangelische Landesbischof vor 200 Gästen im Schloss Tutzing ausführte, dass es in der Welt "kein klares Schwarz oder Weiß" gebe, die Realität nicht nur aus der subjektiven Wahrnehmung bestehe und dass man Geschichte und Kultur des Gegenübers berücksichtigen müsse, um Brücken zu bauen.

Akademiedirektor Udo Hahn begründete die Preisverleihung an den 60-jährigen SPD-Politiker mit dessen "unermüdlichem Einsatz, Menschenrechten, Freiheit und Gerechtigkeit weltweit Geltung zu verschaffen" und "seinem leidenschaftlichem Werben für Versöhnung über scheinbar unversöhnliche Gegensätze hinweg. Steinmeier setzt die Reihe prominenter Preisträger fort, die seit dem Jahr 2000 im Zweijahresturnus in Tutzing ausgezeichnet werden: Die ehemaligen Bundespräsidenten Roman Herzog und Christian Wulff zählen dazu, Daniel Barenboim, Henning Mankell, der Tutzinger Peter Maffay, die Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi, Wolfgang Schäuble und der Aga Khan. Der Preis ist erstmals undotiert. Hahn begründete das auf Nachfrage damit, dass "Leute wie Herr Schäuble die 10 000 Euro kaum behalten könnten, sondern eh spenden würden, wir aber auch niemanden zu einer Spende ans Haus nötigen wollen."

Für den Aga Khan hielt Steinmeier 2006 die Laudatio. Und wiederholte in seiner pointierten Rede manches, weil sich die Eckpfeiler seines diplomatischen Verständnisses nicht geändert haben. Toleranz heiße für ihn nicht "Billigung, Einverständnis". Und auch nicht die Hände in den Schoß zu legen. Als Beispiel schilderte er die elfjährigen Verhandlungen mit dem Iran, mit Phasen der Stagnation, mit Gesprächsmarathons bis zur körperlichen Erschöpfung. "Aber Aufgeben darf in solchen Situationen keine Option sein", so der Politiker, der als Präsident des Evangelischen Kirchentages christlich verwurzelt ist. 2015 habe man dann das Atom-Abkommen unterzeichnet - und einen Krieg verhindert.

Opfern des Kriegs in Syrien, in Jordanien und im Libanon steht der Münchner Kabarettist Christian Springer mit seinem Verein Orienthelfer direkt vor Ort bei. Er erhielt den Toleranz-Preis in der Kategorie "Zivilcourage". Durch sein mutiges Vorgehen beweise er, dass der Einzelne etwas bewirken könne. "Aus Empörung wird bei dir Wut und aus der Wut wird handeln. Und das Handeln hilft dir, mit der Wut und der Empörung leben zu können und die Angst zu überwinden", schilderte Weggefährtin Esther Schapira, Redakteurin des Hessischen Rundfunks, Springers Antriebskraft. Die gelebte christliche Nächstenliebe, das Einmischen und sich Einsetzen für Schwache scheint Familientradition. Schon die Urgroßmutter eröffnete ein Haus für gefallene Mädchen. Springer quittierte den Preis mit einem flammenden Appell gegen die Ignoranz des Leids. Er zitierte, was ihm eine syrische Studentin sagte: Ich bete jeden Tag, dass Gott uns ein Erdbeben schickt. Dann hätten wir Hilfe. Aber wir haben ja nur Krieg." Langer Applaus.

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