Süddeutsche Zeitung

Weiß-blaue Tradition:"Der Baum bleibt da!"

Jedes Jahr im Frühjahr werden in Bayern wieder Maibäume gestohlen. Damit ihnen das nicht passiert, hat die Burschenschaft in Allmannshausen heuer ein Fort mit Wachturm gebaut. Darin passt sie nicht nur auf ihren eigenen 34 Meter langen Stamm auf, sondern noch auf einen zweiten.

Von Sabine Bader, Berg

Wer dieser Tage durch Allmannshausen fährt, glaubt, er sei im Wilden Westen gelandet und nicht in einem oberbayerischen Dorf. Denn an der Durchgangsstraße steht seit Kurzem eine Art Fort, umgeben von einem undurchsichtigen hohen Bretterzaun und mit einem mehrere Meter hohen Wachturm: Im Inneren des Forts bewacht die Burschenschaft Allmannshausen ihren Maibaum.

Auch eine Außenbar mit bunten Lämpchen und eine Art Saloon gehören dazu. Letzterer ist untergebracht in einem überlangen Bauwagen. Mit seinen mehr als neun Metern Länge und 3,40 Meter Breite ist er ein echter Riese. Er stammt noch von der vorherigen Maifeier vor fünf Jahren. Die damaligen Burschen hatten ihn extra konstruiert und gebaut. Ja, und dann liegt im Fort seit 11. März natürlich auch der künftige Maibaum. 34 Meter ist er lang. Ein echtes Prachtexemplar. Er stammt aus dem Wald der Familie Steinsberger aus Sibichhausen. Und neben ihm ist noch ein zweiter Baum. Warum? Dazu gleich mehr.

Verantwortlich für das Spektakel rund um die Allmannshauser Maifeier sind Obermadl Franziska Urban und Oberbursch Jonas Gastl. Die beiden kümmern sich praktisch um alles: darum, dass täglich genügend Wachhabende eingeteilt sind, dass es nach getaner Arbeit am Baum eine Brotzeit gibt, und dass die Tänze bei der Maifeier am ersten Mai ordentlich sitzen. Die 18 Tanzpaare proben bereits im Feuerwehrhaus in Allmannshausen. "Das ist für 18 Paare aber schon fast zu klein zum Üben", sagt Franziska Urban. Da heißt es dann schon mal nach draußen ausweichen. Für die 25-Jährige ist es bereits die dritte Maifeier. Sie weiß also wie alles läuft, darum ist sie auch Jugendbeauftragte und hat ein Auge auf die Minderjährigen. Denn mitmachen darf man hier schon mit 14 Jahren.

Wie gut der Zusammenhalt der Dorfjugend in ganz Berg ist, zeigt das Beispiel Aufkirchen. Seit zwölf Jahren ist dort kein Baum mehr aufgestellt worden. Wohl auch, weil es derzeit im Ort keine aktive Burschenschaft gibt. Und so ist das Befestigungsgestell für den Baum vor der Alten Schule seit Jahren leer. Aber nicht mehr lange: Denn alle Burschenschaften in der Gemeinde organisieren heuer gemeinsam eine extra Maifeier für Aufkirchen. Und das sieht so aus: Die Höhenrainer Burschen haben den Baum umgeschnitten und nach Allmannshausen gefahren, die Berger, Farchacher und Bachhauser Jugendlichen haben ihn entastet und bearbeitet. Und die Allmannshauser bewachen ihn nun.

Sollte dieser Baum dennoch geklaut werden, lösen ihn alle Burschenschaften Bergs gemeinsam aus. So ist der Deal. Die kleine Maifeier in Aufkirchen steigt dann bereits am Samstag, 22. April, damit alle Beteiligten dabei sein können. Erst tanzen die Paare, die jede Burschenschaft nach Aufkirchen entsendet, um den Baum, dann geht es gemeinsam zur Klosterwiese zum Feiern.

Doch zurück zur Burschenschaft Allmannshausen. Die zählt an die 50 Mitglieder und wählt ihren Vorstand demokratisch - inklusive Obermadl und Oberbursch. Diese beiden sind Ansprechpartner für alles und jeden und vertreten die Burschenschaft nach außen.

Franziska Urban ist 25 Jahre alt, hat an der Hochschule München Fahrzeugtechnik studiert und gerade ihre Bachelorarbeit abgegeben. "Besser hätte es nicht laufen können", sagt sie. Denn als Studienabgängerin fängt sie jetzt ihren Job bei BMW Motorrad in München an, just in der Abteilung, in der das Motorrad entworfen wurde, das sie selbst fährt, eine BMW F900 R. Jonas Gastl ist 22 Jahre alt und gelernter Fachinformatiker für Systemintegration. Er arbeitet bei der Firma Reiser in Mörlbach, die Trainings-Cockpits zur Pilotenausbildung entwickelt und fertigt. Zu Gastls Aufgaben zählt es, sicherzustellen, dass im IT-Bereich des Unternehmens alles läuft.

Trotz ihrer beruflichen Aufgaben sind beide so gut wie täglich im Wachhütten-Fort. Doch nicht nur sie: Vor allem in den Abendstunden herrscht dort reger Betrieb. Und auch nachts sind immer ein paar Wächter an Ort und Stelle. Von wann bis wann genau gewacht wird, das zählt laut Urban zu den gut gehüteten Geheimnissen der Burschenschaftler. Schließlich wolle man es potenziellen Dieben nicht unnötig leicht machen. Nachmittags nach der Schule sind es vor allem die Jüngeren, die im Fort ihre Hausaufgaben erledigen. Und neben den jungen Leuten haben auch die Nachbarn ständig ein waches Auge auf die beiden Maibäume.

Trotzdem: "Einen Klauversuch hat es auch schon gegeben", erzählt Franziska Urban. Vor gut einer Woche, am Sonntagmorgen um 8.30 Uhr. Die nächtlichen Wachhabenden hatten das Fort gerade verlassen. Da rückten die Burschen aus Höhenrain mit Unimog und einem Baumwagen an, sägten innerhalb weniger Minuten den Pfosten der Umzäunung um und waren schon dabei, den Baum aufzuladen, als ein Bursche von der anderen Straßenseite herbeirannte und schnell seine Hand auf den Baum legte. "Der Baum bleibt da!", habe dieser gerufen, erzählt Urban. Damit galt der Klauversuch als gescheitert und die Höhenrainer mussten unverrichteter Dinge von dannen ziehen. "Gerade nochmal gut gegangen", sagt Urban.

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