Süddeutsche Zeitung

Forstwirtschaft:Ramadama im Wald

Förster und Waldbesitzer fürchten, dass der Borkenkäfer in den Wäldern des Landkreises in diesem Jahr so hohe Schäden anrichten wird wie noch nie. Die einzige Lösung ist, befallene Bäume zu fällen und so schnell wie möglich aus dem Wald heraus zu bringen

Von Peter Haacke, Starnberg

Das bayerische Landwirtschaftsministerium und die Waldbauern schlagen Alarm: Der Borkenkäfer ist wieder auf dem Vormarsch und könnte in diesem Frühjahr noch weitaus höhere Schäden anrichten als in den Jahren zuvor. Grund für die befürchtete Insektenplage sind der trockene, warme Sommer 2018 und die Sturmschäden dieses Winters mit großen Mengen an Bruchholz, das im Wald liegt. Beide Faktoren sind ideale Voraussetzungen für die Vermehrung des Schädlings. Die Waldbesitzervereinigung Starnberg (WBV) und das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Weilheim haben daher am Mittwoch gemeinsam zu einer Infoveranstaltung nach Hanfeld eingeladen. Thema: Wie das Schlimmste verhütet werden kann. Die Botschaft an die Waldbesitzer: Räumt den Wald auf.

Der Buchdrucker und sein kleinerer Verwandter, der Kupferstecher, gehören beide der Familie der Borkenkäfer an. Obwohl die Insekten klein sind, richten sie großen Schaden an: Allein 2018 wurden in Bayern rund viereinhalb Millionen Festmeter Holz befallen, wie das Landwirtschaftsministerium in München mitteilt - mehr als doppelt so viel wie 2016. Dieses Jahr könnte der Höhepunkt erreicht werden, befürchten die Experten: Die Wälder sind nach der Schneeschmelze voll mit frischem Bruchholz und umgestürzten Bäumen.

Mit wachsender Sorge registriert Revierleiter Martin Springer von der Bayerischen Forstverwaltung die Waldschäden. Das Käferproblem beschäftigt ihn schon seit 2015: "Mit Sturm Niklas ging die Misere los", sagt der Revierleiter, der den Großteil des Landkreises Starnberg betreut. "Nach dem Sturm kommt der Käfer". Vor allem in alten Fichtenbeständen findet der Borkenkäfer Futter und Brutrevier: Sobald es mehrere Tage lang hintereinander wärmer ist als 16,5 Grad Celsius - meist Ende April bis Anfang Mai -, beendet er seinen Winterschlaf, schwärmt aus und legt 30 bis 50 Eier unter die Baumrinde. Drei Generationen können in einem Sommer schlüpfen. Und für die Fichten - zunächst geschwächte Bäume, dann aber auch intakte Bestände - ist es meistens zu spät: Die Rinde platzt ab, die Krone verfärbt sich. Für die Waldbauern beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit. "Spätestens in sechs Wochen", sagt Christian Gick (WBV), "sollte alles gefallene Holz raus sein aus dem Wald".

Der starke Nassschneefall dieses Winters hat in vielen Waldbeständen des Landkreises zu hohen Schneebruchschäden geführt. Die schwere Schneelast ließ vor allem die Gipfel der Fichten abbrechen. Im Zusammenspiel mit böigem Wind wurden viele Bäume auch ganz entwurzelt - ein gefundenes Fressen für den Borkenkäfer. Die Aufarbeitung dieser Schäden hat für Diplom-Forstwirt Gick Priorität. Bäume mit abgebrochenen Spitzen dagegen könnten vorerst stehen bleiben, sofern noch genügend grüne Äste vorhanden sind. Entscheidend aber sei, dass Waldbesitzer jetzt so schnell wie möglich handeln - auch eine Frage der Kapazitäten von Forstbetrieben.

Rund 2000 private Waldbesitzer im Landkreis betreut Revierleiter Springer in enger Zusammenarbeit mit der WBV. Ein Problem stellen dabei "urbane Waldbesitzer" dar, die teilweise im Ausland leben und von der potenziellen Bedrohung gar nichts wissen, sagt Springer. Der ChemieEinsatz gegen den Käfer ist nicht möglich, natürliche Feinde hat er nur wenige. "Befallene Bäume fällen und rausfahren", sagt Springer, sei die einzige Methode.

Springer und Gick sind sich einig darin, dass der Borkenkäfer vom Klimawandel profitiert. Unklar ist dagegen, ob bereits der Höhepunkt der Plage erreicht wurde. 2018 war das vierte Jahr in Folge, in dem Waldbesitzer Schäden beklagten und finanzielle Einbußen erlitten. Der Borkenkäfer beschert viel Arbeit. Springer plädiert daher für eine "saubere Waldwirtschaft" und fordert Waldbesitzer schnellstmöglich zum "Ramadama im Wald" auf. Ansonsten, befürchtet er, könnte sich der Borkenkäfer zum Dauerproblem entwickeln.

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SZ vom 29.03.2019
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