Das Starnberger Jung-Unternehmen AMCM feiert in diesem Jahr einen besonderen Geburtstag. Seit fünf Jahren existiert dieses hochspezialisierte Unternehmen, und fünf wird auch eine 3D-Druckerei nur einmal im Leben: Die Firmenzentrale in Starnberg gewährte der Starnberger SZ einen Blick hinter die Werktore in der Petersbrunner Straße. Im Flur des Unternehmens begrüßt die Besucher ein gut ein Meter hohes Triebwerksbauteil einer Rakete, an der Wand hängt das Bild eines Streustrahlenrasters, hilfreich beim Röntgen, zum Beispiel bei der Computertomographie (CT). Sowohl Raster als auch Triebwerk sind - natürlich - 3D-gedruckt.
AMCM, Tochterfirma des weltweit führenden industriellen 3D-Druck-Anbieter EOS, steht im Namen für "Additive Manufacturing Costumized Machines", zu deutsch: Kundenspezifische Maschinen für die additive Fertigung. Letzteres ist wiederum ein Synonym für 3D-Druck - nur eben in Fachsprache. AMCM hat sich beim Drucken nun auf einige Gebiete beschränkt, zu denen vor allem die Luft- und Raumfahrt - siehe Raketentriebwerk - und die Medizin - siehe Strahlenraster - zählen. Von Einzelteilen für Weltall-Antriebe bis hin zu Zahnkronen: AMCM versucht Werkstücke zu drucken, die zuvor jahrezehnte-, auf manchen Gebieten sogar jahrhundertelang, herkömmlich hergestellt wurden. Dafür wird an diesem einen Starnberger Standort geplant, zum Teil designt, und auch produziert: Auf den rund 3600 Quadratmetern Gewerbefläche beschäftigt AMCM mehr als 80 Mitarbeiter und ist damit ein junges Unternehmen von "enormer" Größe, wie Geschäftsführer Martin Bullemer findet.
Bullemer bezeichnet AMCM nicht als Tochterfirma, sondern als "kleine Schwester" von EOS. Kleine Schwester, Tochter, welcher sinnbildlicher Verwandtschaftsgrad auch immer: Bullemer betont die "enge Vernetzung" der Firma zu EOS, auch dank der Nähe zu deren Sitz in Krailling. Doch was unterscheidet AMCM nun von anderen 3D-Druckereien? "Wir arbeiten ausschließlich mit dem pulverbettbasierten Verfahren", erklärt Ko-Geschäftsführer Armin Pollak. Wenn er gefragt wird, wie das technisch genau abläuft, holt er erstmal tief Luft und referiert dann kurz und knapp: "Zuerst sendet uns der Kunde sein Design in Form von 3D-Daten, das zukünftig sogar über eine KI-basierte Software entstehen kann." Dieses Design wird virtuell in hauchdünnen Scheiben geschnitten, mit denen der Drucker später arbeitet: "Das ist wie beim Backen eines mehrschichtigen Kuchens", sagt Pollak. "Als erstes verteilt man da Mehl auf der Arbeitsfläche, das entspricht beim 3D-Druck unserem chemischen Pulver. Dann bereiten Bäcker die Kuchenschicht zu, und unsere Maschinen die Druckschicht." Und nach jeder Schicht verteilt der Bäcker wieder neues Mehl auf der Arbeitsfläche: "Wenn der Drucker eine Schicht fertig ausgefüllt hat, senkt er sie ab, damit die Fläche wieder frei ist. Dann wird neues Pulver aufgezogen, und das Ganze geht von vorne los." Zur Einordnung: Diese Scheiben seien meistens nicht mal so dick wie ein menschliches Haar - sie aufeinander zu stapeln, damit das ein Meter hohe Raketentriebwerk entsteht, habe dementsprechend über eine Woche gedauert.
"Luft- und Raumfahrt ist eine sehr lukrative Branche derzeit. Wer die Daten am Himmel beherrscht, hat eines Tages das große Geld"
Stapeln und Schichten, und das tagelang - am Ende ergibt das funktionstüchtige Gegenstände, bereit fürs Weltall oder - im Fall der Streustrahlenraster - bereit fürs Röntgen. Von den Raketentriebwerken existiert mittlerweile nicht nur das eine Exemplar im Starnberger Firmenflur: Auch die Nasa, die zivile US-Bundesbehörde für Raumfahrt und Flugwissenschaft, testet diese Technologie. "Luft- und Raumfahrt ist eine sehr lukrative Branche derzeit. Wer die Daten am Himmel beherrscht, hat eines Tages das große Geld", sagt Martin Bullemer. Dann zählt er mit Partner Armin Pollak gleich mehrere Vorteile des 3D-Drucks im Vergleich zur konventionellen Produktion auf: "Erstens mal braucht er weniger Arbeitskräfte: Wenn sie mal laufen, laufen unsere Drucker ganz von selbst."
Dazu komme aber auch der "Grüne Touch" der 3D-Druckerei: "Im herkömmlichen Verfahren schneiden Hersteller von einem großen Materialblock ab, was sie für den zu produzierenden Gegenstand nicht brauchen", erklärt Bullemer. "Dabei entsteht Müll, bei uns nicht: Wir fügen der Figur das Material hinzu - eben additiv."
In der Industrie ist 3D-Drucken derzeit noch bestenfalls in unter einem Prozent der Fälle das Mittel der Wahl. Woran liegt's? "Viele, vor allem ältere Ingenieure kapieren nicht, was die Vorteile sind", vermutet Pollak. "Wer seit 20 Jahren konservativ geprägt ist, hat Angst, dass unsere Werkstücke nicht sicher genug sind," vermutet er. In einer Rakete im Weltall, beim Röntgen im Krankenhaus: 3D-Gedrucktem würden viele nach wie vor mit Skepsis begegnen. "Aber das ist ganz normal. 3D-Druck ist ein vergleichsweise junges Verfahren, quasi im Teenager-Alter." Aber er plant schon weiter: "Irgendwann, bald, kommt die Umbruchsphase, und industrieller 3D-Druck wird in bis zu 20 Prozent der Fälle angewendet werden. So ist zumindest unser Ziel."
Waffen aus dem 3D-Drucker
Das in den 1980er Jahren entstandene Verfahren, Werkstücke nicht herkömmlich manuell zu produzieren, sondern zu drucken, war zuerst durch seinen US-amerikanischen Erfinder Chuck Hull unter dem Namen "Stereolithografie" bekannt. 1983 wurde es erstmals in der Praxis angewandt. Heute ist der 3D-Druck im alltäglichen Leben vieler Bürger angekommen. Auch Laien können mittlerweile online - oder gar im Supermarkt - für Preise ab 180 Euro aufwärts einen 3D-Drucker erwerben und verschiedenste Gegenstände produzieren. Sogar ein ganzes Haus wurde schon gefertigt. Vielleicht fehlt zuhause zwar die neueste Software oder die beste Qualität, die Grundtechnik dahinter ist aber die gleiche wie im industriellen 3D-Druck. Dieser technische Fortschritt wurde in jüngster Vergangenheit jedoch auch von Kriminellen in Deutschland und weltweit missbraucht, um zum Beispiel schnell an sogenannte "Ghost-Guns" zu kommen: Als "Geisterwaffen" bezeichnet man Waffen, die illegal aus heimischer Produktion ohne Lizenz kommen. Der Rechtsterrorist Stephan B. etwa, der 2019 in Halle bei einem Anschlag auf die Synagoge und einen Döner-Imbiss zwei Menschen tötete, hatte sich seine Waffen zuvor unter Internetanleitung selbst "gedruckt", fanden bei seinem Attentat letztlich aber keine Verwendung. Hierzulande spricht man noch von Einzelfällen, anders ist es in den USA: Dort zählte die Regierung 2021 mehr als 20 000 Waffen, die allein in dem Jahr illegal inländisch von Privatpersonen produziert wurden.