Süddeutsche Zeitung

Forschung:Dieser Professor hat einen "Oskar"

Die Hochschule München zeichnet den Sozialwissenschaftler Peter Dürr aus Pöcking für seine Lehrmethoden aus. Große Hörsäle hält er für überholt.

Von Sylvia Böhm-Haimerl

Die Hörsäle an den Universitäten sind überfüllt. Vorne spricht der Professor, die Studenten hören zu. Peter Dürr, Professor an der Hochschule München im Bereich angewandte Sozialwissenschaften, hat eine neue Lehrmethode entwickelt: Seine Studenten sollen vom Zuhören ins Tun kommen, erklärt Dürr, der seit mehr als 20 Jahren in Pöcking wohnt. Für sein Modell, das er als "Interaktiven Lernparcours" bezeichnet, ist Dürr nun mit dem "Oskar für Lehre" der Hochschule München ausgezeichnet worden.

Dürrs Vater war deutscher Physiker, seine Mutter Tanzlehrerin aus Amerika. "Ich habe zwei Herzen in meiner Brust, künstlerisch kommunikativ und analytisch", erklärt Dürr, seit 2007 an der Hochschule München Professor für Wissens- und Kommunikationsmanagement. Er studierte in den USA und promovierte in Deutschland. Der 52-Jährige findet das amerikanische System besser: "Die Kurse sind viel kleiner und man ist näher dran", sagt er. Studenten in USA hätten direkten Kontakt zu ihrem Professor und würden stärker gefördert. Dem deutschen Bildungssystem liegt seiner Erfahrung nach Passivität zugrunde. Doch Aufgabe der älteren Generation sei es nicht, die eigenen erlernten Kulturtechniken über andere zu stellen. Die Perspektive von oben und unten reiche nicht mehr, große Hörsäle seien überholt. Dürr glaubt, dass die Zukunft in Multifunktionsräumen liegt, die seiner Erfahrung nach vielseitige Lehrformate ermöglichen.

Der Sozialwissenschaftler, Ökonom und Verkehrsingenieur promovierte bei Professor Peter Kirchhoff, ein Verkehrsexperte an der LMU München, der in Starnberg im Rahmen der Tunneldebatte bekannt wurde. Dürr beschäftigte sich ebenfalls mit Verkehrsfragen, die seiner Meinung nach sehr gut geeignet seien, um technische und soziale Situationen sichtbar zu machen. Mittels Software könnten Informationen "aus einem gigantischen Meer" an verschiedenen Quellen herausgeholt, verarbeitet und ausgearbeitet werden. Software könne Hilfestellung geben, um Probleme zu verstehen und eine Systematik zu entwickeln, damit man sich aufs Wichtigste konzentrieren könne: Lösungen zu gestalten. "Man darf nie aufhören Fragen zu stellen", ist Dürrs Motto. Er befasst sich damit, wie Lernen optimal funktionieren kann. Seine Studenten sollen die Perspektive wechseln von Aneignung zu Analyse, Zusammenfassen von Infos zum Entwickeln und Testen von Lösungsideen. Dabei sollen sie unterschiedliche Rollen einnehmen als Moderator, Rechercheur, Gestalter und Zuhörer.

Der Lehrer werde weiterhin benötigt, in Zeiten der Digitalisierung verändere sich aber seine Rolle. Ohne die soziale Funktion des Lernens geht es seiner Erfahrung nach nicht, Selbstverantwortung müsse sich entwickeln. "Die Fähigkeit, sich Informationen zu organisieren und gültige Aussagen einzuordnen, muss man mit den Leuten üben." Der Lehrer sei Lernbegleiter, Unterstützer oder Gesprächs-Erleichterer. "Er muss die Verbindung schaffen zwischen Lehren und Verstehen", betont der Professor. Weiteres Thema von Dürr ist die Einbeziehung aller Sinne. Aktuell bestehe eine Fokussierung auf Bild und Ton, also auf Auge und Ohr. Um sich an der Pluralität der Sichtweisen orientieren zu können, sind aber auch Haptik und Gefühle wichtig.

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Quelle:
SZ vom 01.08.2018
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