Kontrolle eskaliert:Polizei-Großeinsatz in Asylunterkunft - 73-Jährige bricht sich Arm

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Ein Streifenwagen wird in Krailling mit Steinen beworfen, mehr als hundert Beamte rücken an. Ein Augenzeuge nennt den Einsatz völlig überzogen.

Von Michael Berzl, Krailling

Mit einem Großaufgebot ist die Polizei am Donnerstag zur Asylbewerberunterkunft in Krailling ausgerückt, nachdem eine Streife mit Steinen beworfen worden war. Wie ein Sprecher des Polizeipräsidiums München am Einsatzort mitteilte, wurden neun Personen festgenommen. Ihnen werde vorgeworfen, an dem Angriff auf die Beamten beteiligt gewesen zu sein. Ermittelt werde wegen Landfriedensbruchs, versuchter schwerer Körperverletzung und Sachbeschädigung.

An dem Einsatz waren nach einer Schätzung des Sprechers weit mehr als hundert Beamte beteiligt, darunter auch das Unterstützungskommando (USK). Ein Zeuge, der die Vorgänge beobachtet hatte, nannte den Einsatz völlig überzogen. "Das war ein extrem martialischer Aufmarsch. Das war eine Demonstration der Macht, wie ein Kriegseinsatz", erzählte der 77-jährige Helfer aus Krailling.

Vorausgegangen war in den frühen Morgenstunden eine mit der Regierung von Oberbayern abgesprochene Begehung der Containerunterkunft am Ortsrand, die um 6 Uhr begann. Viele Bewohner sollen dabei im Schlaf überrascht worden sein. Dabei sollte überprüft werden, ob sich nur die dort gemeldeten Personen in den Räumen aufhalten, erklärte Polizeisprecher Ralf Etzel. Der Einsatz schien gegen 9.30 Uhr schon beendet zu sein, als es in der Unterkunft zu lautstarken Auseinandersetzungen kam. Einer der Bewohner sei aggressiv geworden, sagte der Polizeisprecher. Bei der Festnahme des jungen Mannes sei die Situation eskaliert.

Ein Augenzeuge widerspricht der Polizei

Nach der Schilderung des Zeugen, der nach eigenen Angaben auch von der Kriminalpolizei vernommen wurde, sei der junge Afghane auf die Polizeibeamten zugegangen und dann zurückgeschubst worden. Dessen 73-jährige Mutter habe eingreifen wollen, sei aber rabiat daran gehindert und durch die Luft geschleudert worden. Sie habe sich dabei den Arm gebrochen und sei ins Krankenhaus gebracht worden, berichtete der 77-Jährige. Die Polizei bestätigte das am Donnerstagabend und sprach von einem "Sturz bei einem Gerangel".

Über das, was dann geschah, gibt es unterschiedliche Darstellungen. Laut Polizeisprecher haben mehrere Bewohner mit Flaschen und Steinen geworfen, nach Schilderung des Augenzeugen aus Krailling, war es lediglich die Tochter des festgenommenen Mannes, die Steine geworfen habe. Das muss jedenfalls der Anlass für den Großeinsatz gewesen sein. Innerhalb kurzer Zeit waren Beamte einer Hundertschaft und des Unterstützungskommandos an Ort und Stelle. "Wir wollten die Lage bereinigen und Präsenz zeigen", sagte Polizeisprecher Etzel.

In der Nähe der Unterkunft sei eine neunköpfige Gruppe gefunden worden, der vor allem vorgeworfen wird, für den Angriff verantwortlich zu sein, erklärt Polizeisprecher Etzel. Die Männer wurden festgenommen. Bis in den frühen Nachmittag harrten sie auf dem Boden sitzend auf einer Wiese aus, die zu einer nahe gelegenen Wohnsiedlung gehört, und wurden dort von bewaffneten USK-Beamten bewacht. Eine Zeugensammelstelle wurde vor dem Bürgertreff eingerichtet; die Vernehmungen dauerten am Nachmittag noch an.

Während des Einsatzes wurde zeitweise die Pentenrieder Straße gesperrt. Der Verkehr wurde über Stockdorf und Planegg umgeleitet. Auch Schulbusse mussten ausweichen. An der Pentenrieder Straße stand eine ganze Reihe von Polizeiwagen. Auch Vize-Landrat Georg Scheitz und der Kraillinger Bürgermeister Rudolph Haux sowie eine Mitarbeiterin des Starnberger Landratsamts, die zum Zeitpunkt des Einsatzes eine Dienstbesprechung in Krailling hatten, verschafften sich an Ort und Stelle einen Eindruck.

© SZ vom 28.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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