Süddeutsche Zeitung

Kunstgeschichte:Große Namen im kleinen Gotteshaus

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In der Fischerkapelle in Possenhofen hängt vermutlich ein echter Candid. Um das herauszufinden wurde das Altarbild zwei Jahre lang fachmännisch untersucht.

Von Sylvia Böhm-Haimerl

Possenhofen - Das Original-Altarbild in der Marienkapelle "Zu unserer Lieben Frau im Riedt" in Possenhofen hängt wieder an seinem angestammten Platz. Viele Besucher hatten es gar nicht bemerkt, dass das Gemälde in dem kleinen Kirchlein, das im Volksmund auch Fischerkapelle oder Fischmeisterkapelle genannt wird, fehlte. Denn für eine Untersuchung an der Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart war es 2020 durch eine Reproduktion ersetzt worden.

Pandemiebedingt konnten die Arbeiten erst nach knapp zwei Jahren abgeschlossen werden. Jetzt liegt schwarz auf weiß vor, was die promovierte Kunsthistorikerin Gertrud Rank schon vermutetet hatte: Unter dem Bild befindet sich ein älteres Gemälde von der Muttergottes mit dem Kind, die auf einer Wolkenbank thront. Zwar konnte auch die Hochschule keinen eindeutigen Beweis erbringen, dass die Originaldarstellung von dem im 16. Jahrhundert sehr renommierten Münchener Hofmaler Peter Candid stammt, da eine Originalsignatur fehlt. "Es wäre schon toll, wenn hier ein unbearbeiteter Candid hängen würde", erklärt die Kunsthistorikerin. Nun sei alles eine Indizienfrage. Weil sich die Hinweise allerdings verdichten, will Rank weiterforschen. "Wir sind noch nicht am Ende der Fahnenstange, aber schon ziemlich weit oben." Wie sie erklärt, gibt es viele Parameter, die zusammengetragen werden müssen, um sich ein Bild zu machen. Durch feine Untersuchungsmethoden könne beispielsweise festgestellt werden, welche Farbpigmente in welcher Reihenfolge aufgetragen wurden. Das könne mit Werken von Candid verglichen werden, die in der Münchener Residenz hängen.

Das Bild ist im Rahmen der Versetzung der Kapelle im Jahr 1841 in Teilen übermalt worden. Zudem wurde auf der Rückseite eine neue Leinwand angebracht. Vermutlich habe das Bild nach 200 Jahren in der offenen Kapelle unter Witterungseinflüssen gelitten und sei restaurationsbedürftig gewesen, so Rank. Im Jahr 1969 war das Bild nach Angaben von Alexander Wehnelt, dem Vorsitzenden des Vereins zur Erhaltung der Fischerkapelle, von Robert Muysers aus Possenhofen erneut restauriert worden. Er hat auf der Rückseite des Gemäldes auch die Signatur "Peter Candito: pinx anno 1578 RoBert Muysers restauriert 1969" angebracht. Dies war für Rank ein Beleg, dass das Originalgemälde von Peter Candid stammen könne, zumal die typische Haltung des Kopfes der Muttergottes oder das segnende Kind durchaus auf eine Komposition des Hofmalers hindeuten. Sie ist sich sicher, dass die Stifterin der Kapelle und des Gemäldes, Regina Barth, durchaus die Möglichkeit gehabt hätte, ein Werk von Candid zu besitzen. Denn es habe sich um eine sehr vermögende Patrizierfamilie gehandelt. Das Münchner Stadtpalais der Barths sei voller Kunstschätze gewesen.

Rank setzte sich für die Untersuchung des Gemäldes ein. Durch die Tiefenuntersuchung - die Kosten hatte die Gemeinde übernommen - ließen sich Übermalungen nachweisen, welche die Kunsthistorikerin an den Stil der Nazarener erinnern. Faltenwurf und Ausdruck seien aber nicht mehr so differenziert dargestellt wie im Original. Die weiterführenden Prüfungen sowie die Erstellung der Reproduktion hat die Akademie im Rahmen eines Studienprojekts kostenlos übernommen.

Im Verein habe man sich die Frage gestellt, ob die Reproduktion auch künftig hängen bleiben soll, so Wehnelt. Man habe sich für das Original entschieden, da das Bild schon 180 Jahre hier hänge. Die Kunsthistorikern ist ebenfalls überzeugt, dass eine Herausnahme des Originals die Kapelle entwerten könnte. Denn das Gemälde habe einen "erheblichen historischen Wert" für die Kapelle und für den Verein. Ihrer Einschätzung nach ist der materielle Wert allerdings weitaus geringer. "Ein Sammler würde sich ein Original kaufen, das nicht bearbeitet ist." Was mit der Reproduktion geschehen soll, ist laut Wehnelt noch offen.

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SZ vom 13.01.2022
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