Natur und UmweltFischadler brechen die Brut ab

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Galt lange Zeit als ausgestorben: Ein Fischadler, der mit seinen Krallen Fische von der Wasseroberfläche eines Sees fängt.
Galt lange Zeit als ausgestorben: Ein Fischadler, der mit seinen Krallen Fische von der Wasseroberfläche eines Sees fängt. (Foto: Foto: IMAGO/imageBROKER)

Das Pärchen, das im vergangenen Jahr am Ammersee bei Dießen brütete, hat dieses Jahr seinen Nachwuchs aufgegeben. Grund ist eine Reihe von Störungen - darunter ein Party-Floß mit Jugendlichen, die direkt unter dem Nest gefeiert haben.

Von Armin Greune, Dießen

Als es im vergangenen Jahr einem Fischadler-Pärchen nahe Dießen gelungen war, zwei Jungvögel aufzuziehen, galt dies als zoologische Sensation. Laut Landesbund für Vogelschutz (LBV) war es in Südbayern die erste erfolgreiche Brut der lange als ausgestorben geltenden Art seit knapp zwei Jahrhunderten. Auch heuer haben die beiden Adler nach der Rückkehr aus Afrika wieder ihr Quartier in der Vogelfreistätte Ammersee-Südufer bezogen. Doch diesmal hat sich dort die Hoffnung auf erneuten Adlernachwuchs zerschlagen: Eine Reihe von Störungen hat die Vögel so beunruhigt, dass sie den Horst verlassen und ihre bereits begonnene Brut aufgegeben haben.

Mit großem Aufwand hatten Naturschützer und Behörden versucht, den Horst im Naturschutzgebiet vor Eindringlingen zu bewahren. Seit langem ist bekannt, dass Fischadler auf Störungen in der Nähe des Nests sehr empfindlich reagieren: Jede Irritation im Umkreis von 200 Metern kann sie veranlassen, das Gelege im Stich zu lassen und nie wieder zurückzukehren. Im Mai 2024 setzte die Wasserwacht daher eine Reihe von Bojen in der Dießen am nächstgelegenen Bucht aus, um auf diese Gefahr hinzuweisen.

Im Spätwinter errichtete man zudem eine alternative Nisthilfe, weil der Naturschutzbehörde die abgestorbene Pappel, die den Adlerhorst trägt, zu fragil erschien. Direkt nebenan wurde auf einem zweiten Totbaum eine Holzplattform montiert: von Zimmerern nach Maß angefertigt und mit Zweigen, Hackschnitzeln, Rindenmulch und Grassoden ausgestattet. In den vergangenen Monaten wechselte das Adlerpärchen zwischen beiden Nestern -  doch in keinem konnte es auf Dauer ungestört brüten. Es begann mit dem Feuer, das am 16. April beim Dießener Vogelbeobachtungsturm ausbrach, weil drei Jugendliche gezündelt hatten. Der Brand, der 200 Quadratmeter Schilf vernichtete, ließ die Adler zwar unbeeindruckt. Doch der Hubschrauber, der eine halbe Stunde lang über dem Horst kreiste, um Glutnester aufzuspüren, dürfte die Vögel schon mehr beunruhigt haben.

Die Feuerwehr im Einsatz beim Schilfbrand am Ammersee bei Dießen: Jugendliche hatten im April gezündelt, was das Fischadler-Pärchen aber relativ unbeeindruckt ließ.
Die Feuerwehr im Einsatz beim Schilfbrand am Ammersee bei Dießen: Jugendliche hatten im April gezündelt, was das Fischadler-Pärchen aber relativ unbeeindruckt ließ. (Foto: Foto: Feuerwehr Dießen)

Noch schlimmer wirkte sich in der Folge aus, dass die Brutzone vom See bis vor Kurzem unzureichend gekennzeichnet war. Eine Ausbesserung der Bojenkette war schon länger geplant: Im Dießener Bau- und Umweltausschuss berichtete Bürgermeisterin Sandra Perzul im Februar davon. Am ersten Maiwochenende herrschte jedoch Hochbetrieb auf dem See, Tretbootfahrer und SUP-Paddler drangen bis zum Horst vor. In der Folge verließen die Adler ihren Horst, starteten aber auf dem Nachbarbaum einen zweiten Brutversuch.

In 2024 überraschte ein Fischadler-Paar am Ammersee-Südende mit der erfolgreichen Brut von zwei Jungtieren. Es war der erste gesicherte Bruterfolg des Fischadlers in Oberbayern seit knapp 200 Jahren. Die Tiere hatten sich direkt gegenüber des nun neu sanierten Vogelturms in Dießen niedergelassen und den Horst in einer abgestorbenen Pappel errichtet.
In 2024 überraschte ein Fischadler-Paar am Ammersee-Südende mit der erfolgreichen Brut von zwei Jungtieren. Es war der erste gesicherte Bruterfolg des Fischadlers in Oberbayern seit knapp 200 Jahren. Die Tiere hatten sich direkt gegenüber des nun neu sanierten Vogelturms in Dießen niedergelassen und den Horst in einer abgestorbenen Pappel errichtet. (Foto: Foto: Markus Meßner)

Am 11. Mai folgte jedoch eine massive Störung durch drei nächtliche Besucher, die mit einem Partyfloß auf der Alten Ammer angereist waren. Sie waren unter anderem mit einem Beamer, einer Feuerschale und einer leistungsfähigen Musikanlage ausgerüstet und schlugen stundenlang direkt unter dem Adlerquartier ihr Lager auf. Der Lärm blieb offenbar nicht unbemerkt: Um 23 Uhr wurde die Dießener Polizei verständigt, die dem verbotenen Treiben mit Unterstützung der Wasserwacht ein Ende setzte. Das Floß wurde abgeschleppt, die Beamten nahmen die Personalien auf: Einem Polizeisprecher zufolge handelt es sich um zwei junge Männer und eine Frau aus dem Landkreis Landsberg, die wohl beabsichtigt hatten, im Naturschutzgebiet zu übernachten. Ein Alkoholtest beim Floßkapitän ergab 0,0 Promille, die Polizei leitete den Vorgang als Ordnungswidrigkeit an die Untere Naturschutzbehörde Landsberg weiter. Dort muss nun entschieden werden, wie die Verstöße gegen das absolute Betretungsverbot und weitere naturschutzrechtliche Regelungen zu ahnden sind. Das Südufer des Ammersees ist als Natur-, Vogelschutz-, Ramsar- und Natura 2000-Gebiet gleich vierfach las Reservat ausgewiesen.

Im Anschluss an diesen Vorfall wurde am 16. Mai zudem beobachtet, wie ein Kitesurfer in die Sperrzone eindrang. „Der dürfte mit seinem großen Segel am Himmel die Adler noch mehr als andere Freizeitsportler erschreckt haben“, meint Wolfgang Bechtel vom LBV. Spätestens danach gab das Adlerpärchen auch den zweiten Brutversuch auf.

Ein Kite-Surfer auf dem Ammersee, im Hintergrund das Dießener Marienmünster: Für das brütende Fischadler-Pärchen ist der Freizeitsport in der Nähe ihres Horsts eine Bedrohung.
Ein Kite-Surfer auf dem Ammersee, im Hintergrund das Dießener Marienmünster: Für das brütende Fischadler-Pärchen ist der Freizeitsport in der Nähe ihres Horsts eine Bedrohung. (Foto: Foto: Franz-Xaver Fuchs)

Nach Rücksprache mit den Naturschutzverbänden und weiteren Interessenvertreter ist das Landratsamt Landsberg nun endlich bemüht, den Brutplatz der Adler vom See her besser abzusichern. In der vergangenen Woche wurden fünf neue Bojen vor der Bucht mit den verwaisten Horsten abgesetzt, in der kommenden Woche sollen weitere vier in der Doppelbucht vor der Schwedeninsel verankert werden. Überdies sei noch geplant, fünf Bojen nördlich des Dießener Dampferstegs zu stationieren, teilte Landratsamtssprecher Wolfgang Müller auf Nachfrage mit. Allerdings könnten sich die Arbeiten wegen Wind und Seegang verzögern: Jede Boje wird mit einem Betonsockel im Seegrund verankert und wiegt 600 Kilogramm, der Transport ist entsprechend schwierig. Die Markierungen im See messen 60 Zentimeter im Durchmesser und sind 65 Zentimeter hoch. Sie tragen auf drei Seiten Schilder mit der Aufschrift „Naturschutzgebiet – Befahren mit Wasserfahrzeugen oder Schwimmkörpern aller Art verboten“.

Erfreulicher Bruterfolg des Fischadlers am Ammersee-Südende im Sommer 2024: Das Bild zeigt eines der Jungtiere im Flug.
Erfreulicher Bruterfolg des Fischadlers am Ammersee-Südende im Sommer 2024: Das Bild zeigt eines der Jungtiere im Flug. (Foto: Foto: Sebastian Hölch/oh)

Fischadler waren vor 1900 deutschlandweit nahezu ausgerottet, seit 1975 breiten sie sich von den Küsten her wieder nach Süden aus. Mittlerweile wird der Bestand auf 500 bis 700 Paare geschätzt. Seit 1992 ist die extrem seltene Art auch wieder in Bayern heimisch - vor allem in der Oberpfalz. Daher stammt auch das Weibchen vom Ammersee, wie an der Beringung zu erkennen ist.

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