Vogelfreunde jubeln, für Biologen ist es eine Überraschung und eine Sensation: Dem Fischadlerpärchen am Südufer des Ammersee ist es gelungen, schon heuer zwei Jungvögel großzuziehen. Es sei „der erste Bruterfolg des Fischadlers in Oberbayern seit vermutlich rund 200 Jahren“, teilt Jana Jokisch vom Landesbund für Vogelschutz (LBV) mit und sieht darin „eine Bereicherung und einen echten Grund zur Freude.“
Nachdem im vergangenen Jahr ein männlicher Jungadler allein ein sogenanntes Spielnest in Sichtweite des Dießener Vogelbeobachtungsturms gebaut hatte, fand sich im Frühjahr dazu ein Weibchen ein. Gemeinsam wurde der Horstbau weiterbetrieben, weil aber weder eine Paarung noch Eier erblickt wurden, gingen die Gebietsbetreuer des LBV davon aus, dass die Zugvögel noch ein „Übungsjahr“ einlegen. Normalerweise betreuen Fischadler ein Gelege schon von Anfang April an, doch gibt es seltene Ausnahmen. Offenbar zog es auch das Pärchen vom Ammersee vor, seine Eier nicht an Ostern, sondern erst zu Pfingsten ins Nest zu legen. Von Ende Mai an war stets einer der Adler im Horst zu sehen; das Paar trotzte Stürmen, Sturzregen und Hochwasser.
Ende Juni erblickte erstmals ein Ornithologe einen Jungvogel, und die Gebietsbetreuer konnten filmen, wie das Weibchen ein noch kaum zu erkennendes Küken fütterte. Allerdings schien es sehr unsicher, ob der Nachwuchs des völlig unerfahrenen Brutpaars durchkommt, denn gerade bei Greifvögeln ist der ersten Brut nur selten Erfolg beschieden.
Während der folgenden sieben Wochen flog das Männchen zum Fischfang aus, während das Weibchen im Horst die Beute zer- und verteilte. Die zwei Jungadler wuchsen rasch, bald ragten ihre Köpfe aus dem Nest. Anfang August startete der erste mit Übungen am Horst, um die Muskeln seiner Schwingen zu stärken. Kurz darauf wurde Jokisch Zeuge des ersten Flugs: „Das war eine wahnsinnig tolle Beobachtung, wie eine Belohnung für unsere Schutzbemühungen.“
Tatsächlich hatten die Vogelschützer den Sommer über beträchtlichen Aufwand betrieben, um die Adlerfamilie vor Eindringlingen zu bewahren. Eine einzige Störung im Umkreis von 200 bis 300 Metern hätte gereicht, damit die scheuen und vom Aussterben bedrohten Vögel den Horst aufgeben. Am 5. Mai setzten Wasserwacht und Gebietsbetreuung eine Reihe von Bojen in der Südbucht des Sees aus, um Fischer und Wassersportler vom Nest fernzuhalten. Inzwischen sind beide Jungtiere flügge, der Horst dient der Familie noch als Speisezimmer und Ruheplatz.
In ganz Bayern gibt es etwa 20 Paare
Nachdem der Fischadler vor 1900 deutschlandweit fast ausgerottet war, breitet er sich seit 1975 wieder aus. Aus einem Restbestand von 70 Paaren an Nord- und Ostsee ist die gesamtdeutsche Population auf 500 bis 700 Paare gewachsen. Seit 1992 brütet die Art auch in Bayern. Aus der Oberpfalz dringt sie langsam voran, auch das Weibchen vom Ammersee ist dort geschlüpft und beringt worden. Inzwischen wird der Bestand im Freistaat auf 20 Paare geschätzt, in Südbayern konnte bis heuer keine erfolgreiche Brut nachgewiesen werden.