Wirtschaft:Alltagshelfer in Finanznot

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Zu den alltäglichen Dienstleistungen von Günter Matzners Firma zählt unter anderem: die Spülmaschine ein- und ausräumen. (Foto: Bernd Thissen/dpa)

Die Firma von Günter Matzner unterstützt ältere Menschen bei den Arbeiten in den eigenen vier Wänden. Trotz der rund 400 Kunden hat das Unternehmen jetzt Insolvenz angemeldet.

Von Sabine Bader, Seefeld

Der schwere Wasserträger steht auf dem obersten Treppenabsatz. Aber wie kommt er in den Keller? Wer versorgt die Katze und leert den Briefkasten aus, während man auf Reha ist? Wer fährt einen zum Arzt, geht einkaufen und mäht den Rasen? Fragen, die sich ältere Menschen nahezu täglich stellen, weil sie diverse Hilfen im Alltag benötigen, um weiterhin in den eigenen vier Wänden wohnen bleiben zu können.

Die Firma "Matzner - Lebensqualität daheim" zählt zu jenen Unternehmen im Landkreis, die sich auf diese einfach wirkenden, aber essenziellen Arbeiten spezialisiert haben. "Haushaltsnahe Dienstleistungen" heißt diese Angebotspalette im Behördendeutsch. Kein Wunder, dass sich das Seefelder Unternehmen von Günter Matzner im überalterten Landkreis Starnberg vor Anfragen kaum retten konnte: immer neue Aufträge, immer neue Kunden. So ging das seit Jahren: Die Firma, 2014 gegründet, wuchs schnell - offensichtlich zu schnell. Denn jetzt hat Matzner Insolvenzantrag gestellt, weil er unter anderem die Lohnkosten für seine Beschäftigten nicht mehr zwischenfinanzieren kann.

Vorläufiger Insolvenzverwalter ist Robert Hänel von der Kanzlei Anchor Rechtsanwälte mit Sitz in Weilheim. Er und sein Kanzleikollege David Blum beziffern den Kundenstamm, den Matzner derzeit betreut, auf rund 400 Menschen. Die allermeisten von ihnen leben im Landkreis Starnberg, aber einige auch in Germering und im Landkreis Fürstenfeldbruck.

Je nach Pflegegrad haben viele von ihnen stundenweise Anspruch auf Unterstützung im Haushalt. Matzners Firma erbringt dann die Leistungen und rechnet diese mit den Krankenkassen ab, wofür der Unternehmer eine Kassenzulassung hat. Bis die Rechnungen allerdings geprüft sind und die Zahlung erfolgt, können einige Wochen vergehen, eine Zeitspanne, in der Löhne und Gehälter der Angestellten sowie Fixkosten natürlich weiterlaufen. Diese muss der Unternehmer zwischenfinanzieren. Insolvenzverwalter Hänel nennt es "den gewissen Zeitversatz". Eben um den geht es unter anderem im Fall Matzner: "Ich habe im Monat rund 60 000 Euro Lohnkosten", sagt Matzner am Telefon. "Das schaff' ich nicht mehr." Auch habe er weder ein Grundstück noch eine Wohnung als Sicherheit zu bieten. Der 58-Jährige klingt verzweifelt.

Günter Matzner hat sein Gewerbe "Matzner - Lebensqualität daheim" 2014 angemeldet. Vor zwei Jahren, als dieses Foto entstand, war noch alles gut: Aber jetzt hat er Insolvenzantrag gestellt. (Foto: Nila Thiel)

Insolvenzexperte Hänel sieht die Sachlage nicht ganz so schwarz. Nach seiner Analyse hat auch das schnelle Wachstum der Firma "mit zu diesem Dilemma geführt". Denn ob dieser Tatsache seien "die verwaltungstechnischen Abwicklungsprozesse nicht so ganz mitgewachsen", sagt er diplomatisch. Er sucht nun einen Investor für die angeschlagene Firma und preist dieses entsprechend an mit "einem schönen Potenzial, das Ganze effektiver zu gestalten". Soll heißen: Mit ein paar kleinen Investitionen - sprich mithilfe einer Software - werde alles stromlinienförmiger. Hänel: "Größere Unternehmen haben bereits diese Strukturen, warum eine Übernahme für sie attraktiv sein könnte."

Matzner hat indes praktische Erfahrungen vorzuweisen, zum Beispiel im Umgang mit älteren Menschen: Bevor er sich 2014 selbständig machte, hat er als Küchenleiter in verschiedenen Alten- und Pflegeheimen gearbeitet. Matzner agiert von Seefeld aus, wo er auch seinen Firmensitz hat und privat lebt.

Auch Holzböden wischen zählt zu den Angeboten, ... (Foto: Ralf Hirschberger/dpa)

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... ebenso Hilfe beim Einkauf im Supermarkt. (Foto: Ute Grabowsky/imago)

Momentan läuft der Betrieb weiter, bestätigt Insolvenzexperte Hänel. Die Löhne der rund 40 Voll- und Teilzeitmitarbeiter sowie der geringfügig Beschäftigten seien über den Sicherungsmechanismus Insolvenzgeld abgesichert. Das bedeutet: Die Arbeitsagentur übernimmt die Zahlung bis zu drei Monate lang. In diesem Zeitraum können sich Firmeneigner und Insolvenzverwalter ohne Personalkosten auf die Suche nach einer tragfähigen Lösung machen.

Das geschieht derzeit mit Hochdruck. "Um den gerichtlichen Anordnungen zu entsprechen, haben wir Mechanismen eingeführt, die mehr Kontrolle im Unternehmen ermöglichen", erläutert Hänel. "Und wir stehen mit mehreren potenziellen Interessenten in Verhandlungen, darunter auch solche, die Dienstleistungen dieser Art im größeren Stil bereits anbieten." Schließlich, und da sind sich alle Akteure einig, sei im Landkreis Starnberg großer Bedarf für diesen Service da.

Firmen, die alltägliche Arbeiten anbieten, sind eine Marktlücke

Aus ihrer beruflichen Erfahrung als Koordinatorin der Seniorenarbeit im Landratsamt Starnberg weiß Bettina Hartwanger, dass Firmen, die kleine Alltagsdienste anbieten, eine echte Marktlücke im Fünfseenland sind. Derzeit gibt es laut Hartwanger 37 Pflegedienste im Landkreis. Auch diese hätten früher viele Hilfsleistungen für ältere Menschen nebenbei mitgemacht. Aber dazu fehlt ihnen heute die Zeit und das Personal.

"Wir müssen alles dafür tun, dass der Betrieb aufrechterhalten wird - in welcher Form auch immer", sagt Christoph Winkelkötter, Geschäftsführer der Gesellschaft für Wirtschafts- und Tourismusentwicklung im Landkreis (GWT). Er selbst habe in der Angelegenheit bereits Gespräche geführt und werde das auch weiter tun. Denn schließlich gehe es hier nicht nur um das Unternehmen selbst, sondern auch um "die Versorgung der älteren Leute, die auf diesen Service angewiesen sind - und davon haben wir viele im Landkreis Starnberg".

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