Fünfseen-Filmfestival:Wellen, Wasser, Wolkenkratzer

Etwa 400 Gäste genießen bei der traditionellen Dampferfahrt die spätsommerliche Abendstimmung und einen Stummfilm mit Livemusik. Die politische Satire "Realität" bekommt das "Goldene Glühwürmchen".

Von Blanche Mamer, Starnberg

In leichten Sommerkleidern und -hosen, doch mit Socken, Wollpullovern und Windjacken ausgerüstet, warten Filmfans und Starnberger-See-Liebhaber auf dem Dampfersteg auf den Katamaran und die bereits legendäre Seefahrt zur Halbzeit des Fünfseen-Filmfestivals. Freunde treffen sich, schlürfen ihren Prosecco und unterhalten sich über Filme und Klatsch und Tratsch. Das Wetter ist traumhaft, richtig lau für Mitte September, einzelne weiße Wolken am azurblauen Himmel versprechen einen entspannten gewitterlosen Abend. Später wird BR-Moderatorin Jutta Prediger in ihrer Begrüßung davon berichten, dass ihr im vergangenen Jahr "so schlecht war", sie richtig Angst hatte und froh war, als das Schiff wieder heil in Starnberg anlegte. Das war am 1. August 2017, als von drei Seiten Gewitter losbrachen, Kaskaden von Regen und starke Winde am Katamaran rüttelten. Stoff für dramatische Erzählungen.

Starnberg, Dampferfahrt FSFF, open Air Kurzfilmfestival

Zum Mahle, Gefährten: Einige Teilnehmer stärken sich erst mal an Bord.

(Foto: Georgine Treybal)

Doch heuer sind alle wunschlos glücklich, die Schiffssirene ruft an Deck, und pünktlich um halb sieben setzt sich das Schiff in Bewegung, schwerelos. Kapitän Karl-Heinz Stöckner führt das Ruder und erläutert den etwa 400 Gästen die Schiffsdaten. Die Route ist anders, die Sonderfahrt führt am Ostufer entlang nach Süden und zurück am Westufer entlang, "da haben wir die Abendsonne länger", sagt der zufrieden wirkende Festivalchef Matthias Helwig, der nun die letzten Bedenken gegen den neuen Festivaltermin im September vergessen hat und kurz auf das Motto "Zeit" eingeht. Um 20 Uhr werde die Vorführung der drei Kurzfilme beginnen, kündigt die Moderatorin an. Die Filme haben bei den Vorentscheidungen vom Publikum die meisten Stimmen bekommen. Die Zuschauer auf dem Dampfer dürfen dann über den Sieger entscheiden, der mit dem "Goldenen Glühwürmchen" gekürt wird.

Starnberg, Dampferfahrt FSFF, open Air Kurzfilmfestival

Auf dem Programm stehen drei Kurzfilme und "Safety last/Ausgerechnet Wolkenkratzer".

(Foto: Georgine Treybal)

Doch erst mal drängeln die Filmfans an die Bar und an die Schmankerl-Theke, kreuzen den Weg von Filmemacher Walter Steffen, der mit "Joy in Iran" ausverkaufte Vorstellungen hatte, und bitten um Selfies mit Schauspielerin Johanna Bittenbinder, Mitglied der Jury des Fünfseen-Filmpreises und Mitwirkende im Kurzfilm "Klimawandel", der in der Auswahl ist. Die meisten Filmfans an Bord sind langjährige Anhänger des Starnberg Kinos, einige sind indes erstmals dabei, kommen aus München, Fürstenfeldbruck und Bad Tölz. Alle miteinander sind begeistert vom Alpenpanorama, dem wundervollen Licht, dem leichten Wind, der eine kühle Brise bringt, sodass die ersten Pullover übergezogen werden. Es dämmert bereits, die Mondsichel steht über dem Ostufer, während über Tutzing die Sonne untergeht und der erste und mit 23 Minuten längste Film auf die Leinwand kommt: "Haut" von Nancy Camaldo erzählt von einer gut aussehenden jungen Frau, deren linke Gesichtshälfte von Brandnarben bedeckt ist. Der Film wird später Dritter werden.

Starnberg, Dampferfahrt FSFF, open Air Kurzfilmfestival

Das "Goldene Glühwürmchen" gewinnt der Film "Realität".

(Foto: Georgine Treybal)

Dann ein türkisch aussehender Chauffeur am Steuer einer deutschen Limousine, im Fond eine streng blickende Frau im Business-Anzug und ein ängstlicher junger Mann. Sie ist die Vorsitzende einer neuen rechten Partei, wie sich bald herausstellt. Mit markigen Sprüchen und abwertenden Fragen will sie den Fahrer verunsichern. Doch zum Schluss steht sie dumm da. Chauffeur Mustafa Oztürk revanchiert sich und setzt sie am immer noch nicht fertigen Berliner Flughafen ab. Mit "Realität" gewinnt der Schweizer Jungregisseur Lucas Thiem den Kurzfilmpreis des Festivals, den Co-Regisseur und Drehbuchautor Sebastian Ladwig entgegennimmt. Der Film basiere auf Zitaten der früheren AfD-Vorsitzenden Frauke Petry, sagt Ladwig, der wie Thiem auf dem Weg nach Nordkorea war, als ihn die Nachricht vom Wettbewerb erreichte. Für ein Museum in Bern sollen sie dort eine Dokumentation drehen.

Der dritte Kurzfilm ist "Klimawandel" von Lukas Baier mit Sigi Zimmerschied und Johanna Bittenbinder, den das Publikum auf den zweiten Platz juriert. Während der Auszählung kommt der Höhepunkt des Abends: Der Klassiker der Stummfilmzeit "Safety last/Ausgerechnet Wolkenkratzer" von und mit Harold Lloyd. Pianist Bernhard Zink spielt live am Keyboard. Kurz nach 22 Uhr legt der Katamaran an. Ein grandioser Abend.

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