Filmfestival:Vom Filmvorführer zum Festivalchef

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Gut gelaunte Festivalprominenz: Matthias Helwig (li.) mit Donata und Wim Wenders beim Fünfseen Filmfestival 2014 im Kino Breitwand. (Foto: Georgine Treybal)

Matthias Helwig lebt seine Kinoleidenschaft voll aus und steckt dabei andere an. Auch Stars wie Wim Wenders und Martina Gedeck kommen gern zum Fünfseen-Filmfestival. Dieses Jahr lockte es 20 000 Zuschauer.

Von Gerhard Summer, Starnberg

Ein gut aussehender Mann grüßt lachend von Bord der MS Starnberg. Er lehnt lässig an einem Tisch im Hochstadter Biergarten und spricht über Fritz Lang. Er posiert mit dem serbischen Filmemacher Goran Paskaljevic vor dem Kino Seefeld, beide schauen ernst, ein alter, leicht angerosteter Filmprojektor dient als Requisite. Und er steht neben seinem zweiten Ehrengast 2016, neben Doris Dörrie, und guckt so routiniert in die Kamera wie ein Schauspieler, der sich seiner Wirkung auf andere sicher ist. Wer die Fotos des vergangenen Fünfseen-Filmfestivals Revue passieren lässt, könnte schnell zu dem Eindruck kommen, dass Matthias Helwig, dieser große Graue, eine der Hauptpersonen des Kinoereignisses sein muss, so allgegenwärtig ist er. Und die Bilder täuschen nicht: Ein Festival ohne Helwig wäre möglich, aber wahrscheinlich sinnlos.

So ähnlich sehen das auch die Juroren, die Helwig den Kulturpreis des Landkreises Starnberg zugesprochen haben. "Sein Name ist untrennbar mit dem Fünfseen-Filmfestival verbunden, mit dem er ein inzwischen weit über die Region hinaus bekanntes, unverwechselbares Kulturereignis von internationalem Rang und doch heimatlichem Touch geschaffen hat", heißt es in der Begründung der Jury.

Womöglich wäre es gar nicht übertrieben zu behaupten: So unentbehrlich und wichtig sein Team auch sein mag - dieses Festival, das ist Helwig. Er hat es nun mal erfunden. Er leitet es und moderiert die Gespräche mit den Ehrengästen. Er steht an der Kinokasse und beantwortet geduldig die Fragen nach dem Film, den man heuer auf keinen Fall versäumen darf.

Er schafft den Spagat hin zu Musik, Literatur, Theater und bietet Filmgespräche an

Er ist beim vorgezogenen Auftakt am neuen Open-Air-Spielort im Südbad Tutzing genauso dabei wie bei der Dampferfahrt auf dem Starnberger See und der Preisverleihung zum Finale. Er schafft den Spagat hin zu Musik, Literatur, Theater und bietet Filmgespräche an und "Diskussionsforen zu gesellschaftlich aktuellen, politischen und geschichtlichen Themen", wie die Kulturpreis-Jury konstatiert. Und er ist es, der sich jedes Jahr den Kopf darüber zerbricht, wie er das Festival mit heuer 20 000 Besuchern noch ein wenig attraktiver und überraschender machen, vielleicht auch stärker konzentrieren könnte.

Bei der Eröffnungsfeier 2016 beispielsweise gab es ein Problem: Die Starnberger Schlossberghalle mit ihrem großen und ihrem kleinen Saal fasst zwar insgesamt etwa 450 Leute. Aber die 100 Besucher, die im Nebenraum landeten, hatten sozusagen Pech und mussten sich mit übertragenen Reden zufrieden geben. Das sei eine "normale Sache", sagt Helwig, und auch beim Münchner Filmfest oder auf der Berlinale so. Trotzdem gab es deshalb heuer Beschwerden. Ohnehin, sagt Helwig, habe er das Gefühl, dass diese während des Festivals als Kino genutzte Halle 2 nicht so sehr vom Publikum geliebt und angenommen werde. Er denkt deshalb über einen Ortswechsel und einen Auftakt im Florianstadl des Klosters Andechs nach, der immerhin über 700 Plätze verfügt.

Starnberg bliebe das Zentrum des Großereignisses. Aber aus seiner Sicht hätte es einen eigenen Reiz, auf den Heiligen Berg auszuweichen, "das wäre wie ein Hochkommen". Andererseits habe er in der Sache noch kein einziges Gespräch mit dem Kloster geführt, das Ganze sei "nur eine erste Idee".

Helwigs Traum wäre ein Zelt, vielleicht sogar direkt am See

Natürlich gäbe es auch noch andere Möglichkeiten: Gelänge es, weitere Spielorte in Starnberg aufzutun, also zusätzlich zum Breitwand-Kino und den zwei Sälen der Schlossberghalle, käme wirklich Festivalatmosphäre auf in der Kreisstadt. Helwigs Traum wäre ein Zelt, vielleicht sogar direkt am See, wo sich dann die Cineasten spät abends noch treffen können. Womöglich sei es für diese Variante noch zu früh, meinte Helwig. Auf jeden Fall aber "braucht man dafür einen Sponsor, der das bezahlt".

Klar ist für 2017 immerhin: Das Filmfestival setzt erstmals zum Viersprung an, was die Zahl der Breitwand-Kinos betrifft. Denn Helwig wird dann sowohl über das neue Lichtspielhaus am Bahnhofsplatz in Gauting als auch noch über das Kino in Herrsching verfügen. Am Ammersee ist erst im März 2018 Schluss, so lange läuft jedenfalls der Vertrag. Hauseigentümer Josef Spindler will das Gebäude an der Ortsdurchfahrt umbauen und den Teil mit dem Kinosaal abreißen lassen. Schon im Herbst, am 6. Oktober, soll es einen Grund zum Feiern geben: die Eröffnung des neuen Kinos in Gauting, voraussichtlich mit Hans Steinbichlers Drama "Eine unerhörte Frau". Wobei sich Helwig nicht auf das Datum festlegen lassen will, dazu "ist die Baustelle viel zu fragil".

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Das Auf und Ab, die Angst vor dem Scheitern, vor finanziellen Verlusten oder der immer wieder heraufbeschworenen großen Kinokrise hat Helwig nie erschüttert oder im Griff gehabt. Der 56-Jährige gehört zu den Optimisten und zu den Menschen, die keine Kompromisse machen und trotzdem das Grundvertrauen darauf haben, dass alles schon werden wird. Seine eigene Geschichte hat Anklänge an ein Märchen: vom Filmvorführer zu einem der Hauptdarsteller in der Festivallandschaft. 1986 hatte er als junger Bursche in Birkenstocksandalen das kleine Kino in Gilching betreten, weil er dort seinen Abschlussfilm für die Filmhochschule München zeigen wollte. Willy Velten, der Besitzer, hatte nichts dagegen, wollte aber 400 Mark für die Vorführung. Also disponierte Helwig um. Er wurde erst Filmvorführer in Gilching und noch im selben Jahr Chef des Kinos. Und Helwig machte rasch Furore, erst mit seinem kleinen Filmkunsttheater, dann mit seinem Kinomarathon, der sich nach bescheidenen Anfängen hochgekämpft hat, inzwischen zu den wichtigsten deutschen Filmfestivals gehört und Stars anzog wie Volker Schlöndorff, Wim Wenders und Michael Verhoeven, Martina Gedeck, Ulrich Tukur und Armin Müller-Stahl.

Wünsche für die Zukunft hat Matthias Helwig natürlich auch. Zum Beispiel wäre es schön, wenn "das Publikum noch mutiger werden" würde. Beim Festival in Solothurn etwa säßen "um 9.30 Uhr 700 Leute in einem Film über chinesische Wanderarbeiter oder ein Gefängnis in der Schweiz". So ein Publikum, das wäre Helwigs Traum. Aber er weiß: "Da muss man Geduld haben."

© SZ vom 29.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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