Film und Konzert:Giganten im Dialog

Jazzkonzert im Kino Breitwand

Entspanntes Spiel: Saxofonist Thomas Faist, Kontrabassist Thomas Stabenow und Pianist Walter Lang beim Auftritt im Kinorestaurant.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

"Jazz im Kino" zeigt das legendäre Treffen der Pianisten Gulda und Corea. Anschließend gibt's Wohlfühljazz

Von Reinhard Palmer, Gauting

Der Jazz war damals für klassische Musiker noch ein Tabu. Es glich einer revolutionären Tat, als sich der geniale Pianist Friedrich Gulda von der üblichen Konzertpraxis lossagte und Mozart zum Jazzvordenker erklärte. Dahinter steckte auch die Idee, Musik grenzenlos zu feiern. Dass sich Gulda für München entschied, um mit einem Festival Überzeugungsarbeit zu leisten, war nicht zuletzt dem Gautinger Manfred Frei zu verdanken, der dafür das Unternehmen Loft Music gründete. 1981 war es so weit: Der Münchner Klaviersommer ging an den Start. Das erste Großereignis im Münchner Kongresssaal im Jahr darauf, das Frei auch filmisch festhielt, geriet legendär. "The Meeting" war ein Bühnentreffen von zwei Giganten: Gulda und Chic Corea. Dieses Filmdokument nun in der Gautinger Reihe "Jazz im Kino" zu erleben, war ein Ereignis. Allerdings blieb es trotz der Verteilung auf zwei Kinosäle wegen der Corona-Vorsichtsmaßnahmen nur wenigen vergönnt.

Der Titel der DVD ist wörtlich zu nehmen: Gulda und Corea trafen sich ohne Vorbereitung auf der Bühne. Sie vertrauten auf ihre Fähigkeiten, bei dieser Ad-hoc-Interpretation etwas abzuliefern, was so klingt, als hätten sie es akribisch vorbereitet, berichtete Frei. Und es verblüffte, wie gut sich die beiden Pianisten musikalisch zu verständigen und wie blitzschnell sie jeweils auf die überraschenden Wendungen des Mitspielers einzugehen vermochten. Gulda und Corea ließen sich aufs Experimentieren ein, bis sich ein Rhythmus, eine Textur, eine harmonische Konstellation, ein Motiv oder ähnliches herauskristallisierte - und sich als bekannt erwies. Solche Gelegenheiten ließen sich die beiden Pianisten nicht entgehen und streuten Zitate bisweilen humoristisch verspielt ein. Deutete einer etwas an, vollendete der andere virtuos das Angedachte. So geriet das Treffen zu einem spontanen Spaziergang durch die Musikwelt. Wobei die Flaneure mit unerschöpflichen Ausdrucksmöglichkeiten jede noch so kleine Floskel in ein Ereignis verwandeln konnten. Bis schließlich das Wiegenlied von Brahms aus den Freejazz-Spannungen hinausführte.

Rein filmisch gesehen punktet der Mitschnitt über das Musikalische hinaus mit Close-ups der ausdrucksstarken Gesichter, die den hörbaren Dialog in ihrer Mimik fortführten. Eine Qualität, die selbst Live-Erlebnisse nicht anbieten können, zumindest nicht in dieser Nähe. Tatsächlich konnte das anschließende Konzert - der besseren Belüftung wegen im Kinorestaurant Tati - von vorne herein dem mitgeschnittenen Großereignis wenig entgegensetzen. Geplant war ein Auftritt von zwei Musikern der jüngeren Generation, die dennoch längst für Furore sorgen. Der Saxofonist Wanja Slavin erkrankte aber und konnte die Anreise aus Berlin nicht antreten. Pianist Rainer Böhm, blieb ebenfalls zu Hause. Es kamen indes Größen des deutschen Jazz, die ihre Sturm- und Drang-Zeit hinter sich haben und längst aus dem Vollen schöpfen. Saxofonist Thomas Faist, Pianist Walter Lang und Kontrabassist Thomas Stabenow haben Künstlerbiografien vorzuweisen, die sich wie ein Who is who der internationalen Jazzszene lesen. Aber letztlich ging es in diesem Fall um einen geselligen Ausklang , der mit Standards - Cole Porter durfte nicht fehlen - für eine entspannte Atmosphäre zu sorgen hatte. Das erstmals in dieser Konstellation musizierende Trio brachte Leichtigkeit mit einem fortspinnenden Walking-Bass ins Spiel, aber auch eine sangliche Melodik, die Faist in seine Improvisationen mitnahm. Lang wechselte geschickt zwischen verbindenden Elementen und befreiten Improvisationen. Stimmiger Wohlfühljazz.

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