Süddeutsche Zeitung

Fernsehproduktion:Mit Coronatest ins Cockpit

Regisseur Tomy Wigand und seine Crew drehen mit Heino Ferch in Weßling eine Piloten-Komödie. Bei den Filmarbeiten gelten strenge Schutzregeln

Von Patrizia Steipe

"Vor dem Frühstück - Coronatest" steht auf dem Foodtruck. Er ist vor dem Haus geparkt, das die Produktionsgesellschaft "U5" für die Dreharbeiten als Aufenthaltsort angemietet hat. Im Erdgeschoss des Abbruchhauses, das sich in der Nähe des Hauptdrehorts befindet, ist die Corona-Station. Hier machen zwei Mitarbeiterinnen in Schutzkleidung Schnelltests. Sie achten aber auch auf die Maskenpflicht, das Abstandsgebot und desinfizieren regelmäßig Oberflächen. Die Testpflicht am Set gilt für die gesamte rund 50-köpfige Crew, für Hauptdarsteller Heino Ferch genauso wie für Regisseur Tomy Wigand. "Bis jetzt ist alles gut gegangen, aber das kann sich von einem Tag auf den anderen ändern", sagt Aufnahmeleiter Andreas Wanner. 23 Drehtage sind für die Komödie "Nie zu spät" angesetzt, 14 davon in Weßling.

An diesem Tag sind zwei Szenen vorgesehen. Am Vormittag eine Autofahrt mit dem Filmvater (Heino Ferch). "Bei Dreharbeiten dürfen Schauspieler nicht gleichzeitig Autofahren und Dialoge führen", erklärt Wanner. Deswegen hat er zwei baugleiche Filmautos angemietet. Bei einer Aufnahme steht der Wagen mit den Schauspielern auf einem Anhänger, wird von diesem gezogen - und eine montierte Kamera filmt. Im Fernsehen sieht es später so aus, als ob die Schauspieler selbst fahren würden. Dann wird eine Sequenz gefilmt, in der man das fahrende Auto sieht.

Eigentlich hätte der Film in Frankfurt spielen sollen. Der Hauptdarsteller ist schließlich Pilot. Regisseur Tomy Wigand hat den Drehort kurzerhand nach Weßling verlegt und sogar sein eigenes Haus für die Dreharbeiten zur Verfügung gestellt. Wegen Corona ist dies praktischer, denn auch Hauptdarsteller Heino Ferch kommt aus der Region und Filmtochter Harriet Herbig-Matten wohnt in Weßling. In ein paar Tagen wird sie übrigens zum ersten Mal wieder Schulluft schnuppern.

Eine Szene wird im Christoph-Probst-Gymnasium in Gilching gedreht. "Eigentlich war geplant, nur am Nachmittag zu drehen", erklärt Wanner. Wegen des Lockdowns ist die Schule derzeit leer, "wir können entspannt am Vormittag anfangen".

Corona ist eine besondere Herausforderung für die Filmleute. Einige Szenen im Drehbuch mussten wegen fehlender Abstände umgeschrieben werden, und es gebe keine Kussszenen, sagt Wanner. In einem anderen Film, den er betreut, hätten sich die Schauspieler dafür drei Tage lang in Quarantäne begeben müssen. Außerdem wählen die Kameraleute geschickte Einstellungen, so dass es aussieht, also ob Personen ganz nahe nebeneinander stehen, obwohl Abstand herrscht.

Für die Zeit der Aufnahmen ist Wigands eigene Familie zur Weßlinger Oma gezogen. Sein Haus in der Ringstraße wurde ausgeräumt, mit anderen Möbeln eingerichtet, die Wände anders gestrichen und alles umgestellt. "Nachher wird alles wiederhergestellt", beruhigt Wanner. In der Nähe hat die Filmcrew eine "Wagenburg" aufgebaut. In den Wohnwagen sind "Maske", "Kostüme" und Schauspieler untergebracht. "Paul Langer" steht auf dem Wagen, in dem sich Heino Ferch in Ruhe auf seine nächsten Szenen vorbereiten kann. Damit ihn keine Fans stören, wurde der Filmname verwendet.

Schade sei, dass die Komparsen - viele davon kommen aus Weßling - nicht zum Mittagessen eingeladen werden können. "Wir müssen alle unnötigen Kontakte vermeiden", sagt Wanner. Dabei lockt das Filmcatering "Pausenlos" an diesem Tag mit Gulasch und gefüllten Auberginen. Am Nachmittag ist eine Spielszene am Seehäusl angesetzt. Familienvater Paul soll den Kleinen seinen Beruf "Pilot" erklären. Für die Szene hat sich die Nachbarschaftshilfe in einen Kindergarten verwandelt. Der hellblau gestrichene Pavillon mit dem großen Garten entsprecht den Vorstellungen eines typischen Kindergartens und sei deswegen für die Filmaufnahmen gemietet worden, erklärt Wanner. Großes Lob gibt es für Anwohnern und Gemeinde, die die Straßensperrungen genehmigt hatte. "Absolutes Verständnis" hätten alle gezeigt. "Die Anwohner haben sogar ihre eigenen Autos woanders abgestellt, damit sie nicht stören", so Wanner. Immer wieder hätten sich Passanten über den Film erkundigt und "viel Glück" gewünscht. In der Großstadt habe er schon Grantler erlebt, die erbost gegen das Filmequipment traten. Voraussichtlich im März soll der Streifen im ARD gezeigt werden.

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SZ vom 16.01.2021
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