Das Feldafinger Golfhotel "Kaiserin Elisabeth" tat sich bis vor kurzem nicht gerade hervor mit der Pflege kultureller Traditionen. Ausgenommen in der kulinarischen Disziplin. Insofern betritt die aus Polen stammende Cellistin Anna Rehker mit ihrem Unternehmen "Gartenkonzerte" als "Bespielerin" ein lange verwaistes Terrain. Musik dürfte in den Jahren 1870 bis 1894, als "Sisi" das ehemalige Hotel Strauch alljährlich mit ihrem Sommeraufenthalt beehrte und gelegentlich auch über die Feuertreppe die heimlichen Besuche von König Ludwig II. in ihrem Turmgemach empfing, zum alltäglichen Genuss des höfischen Lebens gezählt haben. Der mondäne Stil der Hotelräume wie der verhaltene Glanz des Festsaals lieferten die ideale Umgebung für einen Konzertbetrieb in klassischer Salon-Intimität. In diesem Rahmen war es ohne weiteres möglich, bei allen Besuchern vorab Corona-Schnelltests durchzuführen und mit räumlich großzügiger Bestuhlung auf Nummer sicher zu gehen. Ein Glücksfall, den das Publikum und die Musikerinnen gleichermaßen in vollen Zügen genossen.
Der Tschaikowski-Abend passte in zweierlei Hinsicht perfekt hierher. Einerseits zeitlich, nachdem der russische Komponist in der Glanzzeit des Hotels auf dem Höhepunkt seines Ansehens angelangt war. Andererseits vermittelt seine Ballettmusik noblen Glanz, der auch in der Reduktion aufs Streichquartett erhalten blieb, obgleich es nicht das Ansinnen Rehkers ist, die E-Musik auf einen Sockel zu hieven.
Um dennoch beides auf einen Nenner zu bringen, erwiesen sich die bekannten Ballettmusiken geradezu ideal - nicht zuletzt dank ihrer erzählerischen und bildhaften Charakteristik, die Rehker mit ihren Einführungen konkretisierte. Dem Ensemble mit den moldawischen Schwestern Luciana Himmel und Mariana Beleaeva (Violinen), der Südkoreanerin Shinnie Lee (Viola) und Rehker (Violoncello) gab das Repertoire reichlich Material an die Hand, sinnenfreudig zu differenzieren, aber auch mit ungehemmter Musizierlust orchestrale Klangsubstanz fluten zu lassen. Aber die einfühlsamen Musikerinnen des seit 2007 aktiven Ensembles "Espresso Espressivo" verstanden es auch, ein Kolorit vergnügt-tänzerischer Leichtigkeit bis ins zarte Pianissimo zu kultivieren. Ob in den schwungvollen Walzern aus "Schwanensee" oder "Dornröschen" wie auch in szenischen Erzählungen etwa der Fantasie-Ouvertüre h-Moll zu "Romeo und Julia": Die vier Musikerinnen fanden den dramaturgischen Faden für packende Spannungsbögen.
Dass man Espresso Espressivo auch feinste Kammermusik zutrauen kann, bewies das engagiert musizierende Quartett im zweiten Satz des Streichquartetts D-Dur op. 11, den Rehker als "Essenz der Musik von Tschaikowsky" ankündigte. Das mit Dämpfern gespielte Andante cantabile verzauberte mit wehmütigem Gesang wie nostalgischer Romantik. Das edle Schillern, die Klangwärme wie der Glanz kerzenbeleuchteter Salons kamen ebenfalls zum Ausdruck, ein Vergleich zu Chopin`schen Nocturne erscheint treffend.
Die Vielseitigkeit des Quartetts bestätigte sich auch im zweiten Satz Tschaikowskis 5. Symphonie op. 64 von 1888. Der mehrteilige langsame Satz begann mit einer beeindruckenden Schwere: Aus dunkler Tiefe arbeiteten sich Himmel, Beleaeva, Lee und Rehker dann mit wehmütiger Melodik zu einer orchestralen Klangflut vor, um ohne Substanzverluste wieder in Zartheit abzutauchen. Eine gute Vorübung für die beliebte Nussknacker-Suite, deren szenisch erläuternden Texten Beleaeva vortrug. Hier schöpfte das Ensemble aus dem Vollen: Die zauberhafte Geschichte hatte schließlich auch dem Komponisten reichlich Stoff geboten, dem Werk breites Vokabular und reiche Rhetorik zu hinterlegen.
Espresso Espressivo machte seinem Namen alle Ehre und brachte den jeweiligen Ausdruck auf den Punkt, ob im schnittigen Marsch, temperamentvollem kosakischen Trepak oder im geschmeidig-zarten Tanz der Rohrflöten. Dem beschwingten Blumenwalzer konnte sich in der Zugabe stimmig ein heiterer "Tanz der Schwäne" aus dem Schwanensee-Ballett Laune machend anschließen.