Auktion vor dem Abriss:Ein Stück Siemens für zu Hause

Lesezeit: 4 Min.

Die Artemide-Lampen erweisen sich als besonders beliebt beim Ausverkauf im Siemens-Schulungszentrum in Feldafing. (Foto: Jana Islinger)

Nach einem Online-Verkauf wird das konzerneigene Schulungszentrum in Feldafing leergeräumt. Einige Mitarbeiter nehmen sich ein Stück Erinnerung mit. Andere Käufer schlagen bei Designer-Lampen zum Schnäppchenpreis zu.

Von Michael Berzl, Feldafing

Eine Designer-Lampe geht nach Basel, ein Humidor nach Planegg und ein halbes Dutzend roter Stühle fährt ein Siemens-Mitarbeiter nach Erlangen: Im Schulungszentrum in Feldafing, dem "Global-Leadership-Center" findet gerade so etwas wie eine Haushaltsauflösung statt - nur in groß. Hunderte Tischlampen sind in den vergangenen Wochen bereits bei einer Online-Auktion verkauft worden, außerdem - in gleicher Größenordnung - Sessel, Tischchen und Hocker. Wie in einem Möbelhaus steht nun das Inventar zum Abholen bereit. Auf hohen Barhockern mit rotem Bezug liegen Zettel, auf denen die neuen Besitzer vermerkt sind; sie gehen etwa nach Regensburg, Berg oder Wattendorf in Oberfranken. Selbst Pflastersteine, Saunen, Fitnessgeräte, Terrassendielen und Türen haben neue Besitzer gefunden. Aus einem Glas-Durchgang wird ein Wintergarten.

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Die 50 Jahre alten Gebäude auf einem Grundstück am Starnberger See in Top-Lage mit Bergblick werden abgerissen. Zuvor aber soll möglichst viel weiter verwertet werden. Darum geht die Siemens Real Estate unkonventionelle Wege und hat die Firma "Concular" mit Hauptsitz in Stuttgart und einer Dependance in Berlin eingeschaltet, die sich auf Recycling von Baumaterialien spezialisiert hat. Ein Abbruch wird in dieser Branche als "Rückbau" bezeichnet.

"Das ist alles viel zu schade, um es zu entsorgen"

Seit Freitag sind die beiden Mitarbeiterinnen Nina Krass und Annabell Marx aus Berlin damit beschäftigt, die gekauften Waren auszugeben. "Das ist alles von höchster Qualität und viel zu schade, um es zu entsorgen", sagt Nina Krass. Im Viertelstundentakt treffen die Käufer ein, um ihre Stücke abzuholen, die sie sich online reserviert haben. Über Freitag und Samstag verteilt haben sie jeweils Zeitfenster gebucht, damit es nicht zu einem Gedränge kommt. Insgesamt 300 sind es, die an diesen beiden Tagen ihre Neuerwerbungen bergen.

Harald Ebersberger aus Erlangen holt sich gleich ein halbes Dutzend Stühle. Für den Siemens-Mitarbeiter sind es auch Erinnerungsstücke. (Foto: Jana Islinger)
Die großen Lampen im Foyer des Global-Leadership-Centers können erst im Zuge des Abbruchs demontiert werden. (Foto: Jana Islinger)
Selbst die Handläufe an einer Treppe sind verkauft, berichtet Peter Seeberger, der als Projektleiter für den Abbruch zuständig ist. (Foto: Jana Islinger)

Unter den Käufern ist auch Michaela Sinzinger aus Wörthsee. Für ihre Tochter hat sie eine der Artemide-Lampen gekauft, die bisher in jedem der Gästezimmer standen. Neu kosten sie fast 700 Euro, bei der Siemens-Auktion waren sie je nach Größe für 100 oder 150 Euro zu bekommen. Ein echtes Schnäppchen also. Entsprechend begehrt waren sie. "Ich finde das toll, dass man so die Sachen weiterverwendet", sagt Sinzinger. "Und so habe ich gleich ein Weihnachtsgeschenk." Als Architektin wisse ihre Tochter den Wert der Lampe zu schätzen. Wie eine Champignon-Plantage stehen die Leuchten in einem Raum bereit.

Michaela Sinzinger mit ihrer Artemide-Lampe. (Foto: Jana Islinger)

Das Weiterverwenden kann aber auch seine Tücken haben. So habe sich herausgestellt, dass die Kabel sämtlicher Nachttischlampen in den 100 Zimmern fest verbaut waren und keine Stecker hatten. Die wurden nun nachträglich einzeln montiert, damit sie überhaupt für den Privatgebrauch nutzbar sind. Oder die Fernseher, die mit einem Hotel-Programm ausgestattet waren und nun mit einer neuen Software bestückt werden mussten. "Das sind so Probleme, die jeden Tag hochploppen", sagt Peter Seeberger, der sich als Projektleiter um den Abriss kümmert.

Harald Ebersberger ist extra aus Erlangen gekommen und hat sich in Feldafing seinen VW-Bus mit Stühlen und einem Sessel vollgeladen. Als Siemens-Mitarbeiter, der schon 35 Jahre in dem Unternehmen beschäftigt ist, erfuhr er schon vorab per internem Rundschreiben von der Verkaufsaktion und reservierte sich das Mobiliar, das er bei sich zu Hause brauchen kann. Nicht nur, weil es zweckdienlich ist, sondern auch ein Stück weit aus Sentimentalität. "Da hängen schon auch Erinnerungen dran. Ich war ja oft hier", erzählt er beim Einladen. Und so geht es vielen Kollegen, die in Feldafing arbeiten oder dort in den vergangenen Jahren an Schulungen teilgenommen haben. Jetzt konnten sie ein Erinnerungsstück nach Hause mitnehmen - und seien es nur zwei Blechschilder mit Wegweisern zur Bar.

Unter den rund 200 Posten im Angebot ist auch ein speziell für Helmut Kohl angefertigter Sessel

Insgesamt waren fast 200 Posten im Angebot. Darunter auch ein Sessel, der laut Online-Katalog eine Spezialanfertigung für den früheren Bundeskanzler Helmut Kohl war. Auch dafür hat sich ein Käufer gefunden. Eine Kegelbahn dagegen erwies sich als unverkäuflich.

Die gespendeten Matratzen werden abgeholt. (Foto: Jana Islinger)

Ein Teil des Inventars des Schulungshauses mit Übernachtungsbetrieb wird auch gespendet. Joachim Gschrey, ebenfalls Siemens-Mitarbeiter, der ehrenamtlich beim Kreisverband Neuburg-Schrobenhausen des Bayerischen Roten Kreuzes arbeitet, ist mit einem großen Lastwagen gekommen, um sich 60 Matratzen abzuholen, dazu Stühle für die Jugendgruppe. Später, wenn die Abrissfirma mit schwerem Gerät vor Ort ist, will er eine weitere Fahrt nach Feldafing unternehmen, um ein tonnenschweres Notstrom-Aggregat aufzuladen. Den Besuch am Freitag hat er schon genutzt, um zu vereinbaren, dass er dann Unterstützung bekommt. Im Dezember soll der Abriss beginnen. Dann holen sich weitere Käufer auch noch die Teile ab, die erst ausgebaut werden müssen. Türen etwa, große Deckenlampen oder auch die Pflastersteine - und selbst die Handläufe an einer Treppe. Es gehe hier um Nachhaltigkeit, sagt Projektleiter Seeberger. Er spricht von einem "Leuchtturmprojekt.

Die Einnahmen aus der Auktion werden gespendet, zum Teil direkt in Feldafing, zum Teil geht das Geld an einen firmeneigenen, wohltätigen Verein. Welche Summe durch den Verkauf erzielt wurde, lasse sich aber noch nicht beziffern.

In den nächsten Jahren soll auf dem 3,6 Hektar großen Grundstück an der Siemensstraße ein Neubau errichtet werden. Das Global-Leadership-Center zieht jetzt erst einmal um. Im Oktober hatte dort der vorerst letzte Kurs stattgefunden, vor wenigen Tagen gab es eine Abschiedsfeier mit einer guten Portion Wehmut und abschließendem Graffiti-Sprühen. Und im Januar geht es übergangsweise im nahe gelegenen "Hotel Elisabeth" weiter. Das Inventar, das dort dann noch benötigt wird, ist schon verpackt: Gläser, Tassen und Geschirr. Große, graue Plastikkisten sind in einer großen Halle gestapelt, auf einem Aufkleber ist vermerkt: "Kaiserin Spirituosen Flaschen Bar". Ganz im Sinne der Nachhaltigkeit wird auch der Schnaps weiter verwendet.

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