Süddeutsche Zeitung

Pflege:Der Schlüssel zum Bettkasterl

Die Personalquoten in Seniorenheimen werden auf den Kopf gestellt - eine gewaltige Verwaltungsaufgabe. Im BRK Schloss Garatshausen hat man Glück und bekommt Unterstützung von außen.

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Feldafing

Braucht es gleich eine Fachkraft, um ein Bettkasterl im Altenheim zu reinigen? Eine von vielen Fragen, die Altenheime wie das "BRK Schloss Garatshausen" derzeit beschäftigen. Denn der Personalschlüssel wird bundesweit vereinheitlicht. Aus den pauschalen 50 Prozent Pflegekräften in Bayern wird ein ausgeklügeltes System, das sich in Zukunft nach den Pflegegraden richten wird. Und so müssen sie nun auch in Garatshausen überlegen, wie sie das anstellen mit der Aufteilung von Pflege- und Hilfskräften.

Dabei bekommt das Kreisaltenheim BRK Schloss Garatshausen nun Hilfe. Es nimmt an einem bayernweiten Projekt teil, um das gesetzlich vorgeschriebene neue Personalverfahren für Mitarbeiter besser umsetzen zu können. Eine Beraterin sowie Coaching und Workshops sollen helfen, die Arbeit im Heim entsprechend aufzuteilen. Für das Projekt, das von der Glücksspirale finanziert und von der Katholischen Akademie für Pflegekräfte in Regensburg betreut wird, wurden zehn von insgesamt 120 BRK-Pflegeeinrichtungen in Bayern ausgewählt, darunter Garatshausen als einzige Einrichtung im Landkreis Starnberg.

Konkret wird Projektmanagerin Nelleke Jakob dem Heim zur Seite stehen. In diesem Jahr soll sie insbesondere eine Bestandsaufnahme machen: Wer hat welchen Pflegegrad? Wie viele Fach- und Hilfskräfte braucht es jeweils? Wer macht was? Im kommenden Jahr beginnt die Umsetzungsphase mit Weiterbildungsmöglichkeiten, wie Coaching oder Workshops. Falls etwas nicht funktioniere, müsse man eventuell auch einen Schritt zurückgehen, so Jakob.

Bislang gibt es in Deutschland keinen einheitlichen Personalschlüssel. Jedes Bundesland hat eigene Bemessungsgrenzen. Künftig sollen sie deutschlandweit angepasst werden. In Bayern liegt die Fachkraftquote derzeit bei 50 Prozent. Nach den neuen Vorgaben sollen nun auch die Pflegegrade der Bewohner in die Personalquote einbezogen werden. Je höher die Pflegestufe, umso mehr Fachkräfte werden benötigt. Zudem sollen die Aufgaben in acht Qualifikationsstufen auf die Mitarbeiter aufgeteilt werden. Dabei werden alle Bereiche wie Küche, Haustechnik oder Pflege einbezogen.

Die daraus gewonnenen Erkenntnisse sollen an die anderen BRK-Einrichtungen weitergegeben werden. Man erhoffe sich nicht nur Verbesserungen im Pflegebereich, sagt Pflege-Bereichsleiter Marcus Wicke. Könnte die Neuordnung in den Heimen auch ein Mittel gegen den Fachkräftemangel sein? Da ist man verhalten in Garatshausen. Es gebe eben schlicht zu wenige Mitarbeiter im Pflegebereich. Auch ausländische Pflegekräfte bekomme man nicht, heißt es.

"Wir sind nicht so attraktiv, dass sich ausländische Kräfte darum reißen, nach Deutschland zu kommen", erklärt Wicke. Zumal die Ausbildung in jedem Land anders sei. Auch am Gehalt liege es nicht. Fachkräfte bekämen nach der Ausbildung schon jetzt ein Einstellungsgehalt von knapp 4000 Euro brutto, sagt er.

Doch die Nachbarländer haben nach Angaben von Einrichtungsleiterin Katja Schwankhart auf die Abwerbeversuche aus Deutschland reagiert. So biete Ungarn beispielsweise seinen Pflegekräften nach der Ausbildung drei Jahre lang Steuerfreiheit an. Schwankhart hofft aber, dass sich durch das Projekt die Zufriedenheit der Mitarbeiter erhöht und sich durch eine höhere Wertschätzung vielleicht mehr Menschen für den Beruf entscheiden. Es sei schade, dass die gute Arbeit, die in der Altenpflege geleistet werde, in der Öffentlichkeit zu wenig wahrgenommen werde, bedauerte auch Projektleiterin Jakob.

2025 soll die Umsetzung in der Praxis untersucht werden. Es soll also geprüft werden, ob die Maßnahmen auch über die Projektphase hinaus wirksam sind. "Wir machen das Schritt für Schritt", verspricht Jakob. Wer dann das Nachtkasterl reinigt, wird sich zeigen.

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