Das Dorf Feldafing gilt als einstige Hochburg der NSDAP. Und doch stießen die beiden Historiker Marita Krauss und Erich Kasberger bei der Erforschung der Geschichte Feldafings während der NS-Zeit auch auf Aktivitäten von Widerstandskämpfern: Im Wohnhaus des Unternehmers Arthur Niggl und im Feldafinger Elternhaus des Verlegers Günther Caracciola-Delbrück trafen sich Menschen, die sich aktiv gegen das NS-Regime wandten und zuletzt sogar einen Umsturz planten.
Am Starnberger See hatte sich das braune Gedankengut früh etabliert. Ein Starnberger Zahnarzt hatte die Hakenkreuzflagge entworfen, ein Feldafinger Zahnarzt hatte bereits im Sommer 1921 in dem kleinen Dorf am Westufer eine Ortsgruppe der NSDAP gegründet. Seit Oktober 1923 gab es in Feldafing auch eine 15 Mann starke SA-Truppe. Im Gerangel um die Macht im Ort stand der NSDAP-Ortsgruppenleiter in ständiger Auseinandersetzung mit dem Leiter der NS-Eliteschule, die 1934 in Feldafing gegründet worden war. Die „Reichsschule der NSDAP“, zu der mit Lehrern, Schülern, Verwaltungsangestellten und Bediensteten mehr als 500 Personen gehörten, bestimmte schließlich mehr oder weniger den Alltag des Orts. Es herrschte ein Klima aus Einschüchterung und Angst.
Umso mutiger waren die konspirativen Zusammenkünfte in Feldafing. Wie aus einem im „Institut für Zeitgeschichte“ erhaltenen Bericht von Alfred Heil hervorgeht, war die „Süddeutsche Freiheitsbewegung“ Anfang der 30er-Jahre aus einem Freundeskreis von überzeugten Demokraten hervorgegangen. Man diskutierte anfangs „über allgemeine kulturelle, politische, wirtschafts- und staatsphilosophische Fragen“ und kam darin überein, dass man im grundsätzlichen Widerspruch zu „allen Schattierungen nazistischer, faschistischer, diktatorischer und militaristischer Ideologien“ stand. Weiter heißt es: „Zugleich wurde damit das geistige Fundament, die philosophische und ideologische Grundlage geschaffen für die (…) Diskussions-Zirkel, aus denen im Laufe der Jahre die antinazistische Widerstands- und Freiheitsbewegung entstand.“
Einige der Mitglieder dieser Treffen waren jedoch bereits 1933 ins Visier der neuen Machthaber geraten. So wurde etwa Arthur Niggl verhaftet und mehrere Wochen lang festgehalten. In der Haft zog er sich eine Lungentuberkulose zu. Heil bezeichnete das Haus der Familie Niggl rückblickend als „wunderbaren Treffpunkt“, weil es wegen seiner Entfernung zu München nicht im Zentrum der Aufmerksamkeit stand. 1939, nach dem Attentat auf Adolf Hitler im Bürgerbräukeller, wurde Niggl aufgrund einer Denunziation erneut von der Gestapo verhört. Er konnte sich danach zwar in einem Sanatorium in Arosa (Schweiz) in Sicherheit bringen, starb dort jedoch 1944 im Alter von nur 47 Jahren.


Neben Niggl gehörten zum engeren Kreis der Widerstandsgruppe auch dessen Schwager Werner Prym und mit Ludwig Steiner sogar ein Lehrer der Feldafinger Reichsschule, der die Widerständler mit Informationen sozusagen aus erster Hand versorgte. Der Friseur Johann Hörmann, der zu den Gründern der „Süddeutschen Freiheitsbewegung“ gehörte, bestätigte im Spruchkammerverfahren gegen Ludwig Steiner dessen Aktivitäten: „Ich muss noch heute lachen, wenn ich an die Berichte denke, die er uns von seiner Tätigkeit und seinem Leben dort gegeben hat. Er hörte sich um und lieferte mir dauernd wertvolles Informationsmaterial.“ Wie Krauss und Kasberger in ihrem Buch „Traum und Albtraum. Feldafing im Nationalsozialismus und in der Nachkriegszeit“ schildern, wurde auch Steiner 1939 von einem übereifrigen Schüler denunziert, konnte jedoch die Gestapo von seiner Linientreue überzeugen. Gegen Ende des Krieges versteckte er seine Schwester und ihre Kinder, denen wegen ihres jüdischen Vaters die Deportation nach Theresienstadt drohte, in seiner Feldafinger Dienstwohnung.
Mit Flugblattaktionen hatte die Widerstandsgruppe im Sommer 1939 vor der Kriegspropaganda der nationalsozialistischen Machthaber gewarnt. Man hatte nächtens in München Plakate und Zettel mit eindringlichen Appellen wie „Hitler führt Euch – ins Massengrab“ oder „Arbeiter! Leistet Widerstand gegen ein neues Völkermorden!“ verteilt. Laut Heil bestand die Gruppe mit ihren diversen Untergruppen im Jahr 1943 aus rund 600 aktiven Mitgliedern, die beständig weitere Mitglieder anzuwerben versuchten. Anfang 1944 suchte man Kontakt zur französischen Widerstandsorganisation „MNPGD“ (Mouvement national des prisonniers de guerre et déportés).
Die „Freiheitsaktion Bayern“ wurde niedergeschlagen
Nach dem gescheiterten Attentat auf Hitler vom 20. Juli 1944 formierte sich die „Freiheitsaktion Bayern“ (FAB), die aus fünf zentralen Gruppen mit Mitgliedern aus zivilen wie auch militärischen Kreisen bestand. Schließlich konkretisierten sich die Pläne für einen Umsturz, um die sinnlose Weiterführung des Krieges zu beenden. Zu den Protagonisten dieser Aktion gehörte auch der Verleger Günther Caracciola-Delbrück. Er selbst lebte zwar seit 1923 in Gauting, wo auch der Sitz seines „Bavaria Verlags“ war. Seine Eltern aber besaßen ein Haus in der Pschorrstraße in Feldafing, das er immer wieder für geheime Treffen und politische Gespräche mit Gleichgesinnten nutzte. Während des Krieges konnte er aufgrund seiner Positionen als Adjutant des Befehlshabers des Wehrkreises VII bei General Edmund Wachenfeld in den Jahren 1940 bis 1943 und von Mai 1943 an als Verbindungsoffizier der Wehrmacht beim Reichsstatthalter Franz Xaver von Epp die Kontakte zu den militärischen Kreisen herstellen. Sie sollten angesichts der militärischen Lage für die Einsetzung einer Übergangsregierung und die bedingungslose Übergabe von Bayern an die heranrückende US-Army gewonnen werden.
Der Aufstand der „Freiheitsaktion Bayern“, an dem mehr als 400 Soldaten beteiligt waren, begann in der Nacht vom 27. auf den 28. April 1945. Die Aktivisten besetzten verschiedene Radiosender im Münchner Umland und gaben von dort bekannt, dass sie die „Regierungsgewalt erstritten“ hätten. Doch schon kurz darauf wurden die Dementis des Münchner Oberbürgermeisters Karl Fiehler und des Gauleiters Paul Giesler gesendet. Mithilfe von SS-Einheiten schlug Giesler die „Freiheitsaktion Bayern“ nieder und setzte ein „fliegendes Standgericht“ ein. Am 28. April ließ er die Festgenommenen, zu denen auch Caracciola-Delbrück gehörte, durch Genickschüsse töten und im Perlacher Forst verscharren. Erst im Oktober 1945 fand man Caracciolas Leiche. Seine Eltern sorgten dafür, dass er in Feldafing beigesetzt werden konnte. Mehr als siebzig Jahre später, im November 2017, beschloss der Feldafinger Gemeinderat, die Grabstätte als Ehrengrab zu übernehmen.