Feldafing:Magischer Jazzrock

Feldafing: Tüftler und Klangzauberer am Werk: der Gitarrist Nguyên Lê mit zwei seiner Musiker, dem Schlagzeuger John Hadfield (links) und Kontrabassist Chris Jennings, beim Konzert in Feldafing.

Tüftler und Klangzauberer am Werk: der Gitarrist Nguyên Lê mit zwei seiner Musiker, dem Schlagzeuger John Hadfield (links) und Kontrabassist Chris Jennings, beim Konzert in Feldafing.

(Foto: Arlet Ulfers)

Nguyên Lê, der Gitarrist, für den "Jazz am See" gegründet worden ist, begeistert die Zuhörer im Bürgersaal Feldafing

Von Reinhard Palmer, Feldafing

Sein erster Auftritt in Feldafing liegt schon 13 Jahre zurück, doch der Gitarrist begeisterte damals mit seinem Jimi-Hendrix-Programm offenbar nachhaltig. Ausverkauft, verkündete jetzt Bürgermeister Bernhard Sontheim und verriet, dass der Verein Jazz am See, dessen Vorsitzender er ist, überhaupt gegründet wurde, um Nguyên Lê nach Feldafing holen zu können. Und der Pariser mit vietnamesischen Wurzeln, der vor wenigen Wochen seinen 60. Geburtstag feierte, kam gerne wieder.

So einen runden Geburtstag muss man auch gebührend begehen, am besten mit einem neuen Programm und möglichst mit der ganzen Welt. Alle Länder und Kulturen passen natürlich nicht auf eine CD, aber die musikalische Reise mit dem Titel "Streams" ging schon durch viele Erdwinkel, deren traditionelle Musik Inspirationsquelle für das neue Album war. Und es wurde erneut ein Auftritt, den die Konzertbesucher nicht vergessen werden.

Nicht nur, weil Nguyên Lê (E-Gitarre und Elektronik) ein großartiger Musiker ist und mit dem Franzosen Illya Amar (Vibraphon), dem Kanadier Chris Jennings (Kontrabass) und dem US-Amerikaner aus Missouri John Hadfield (Schlagwerk) ein ausgenommen homogenes Quartett formte. Sondern auch, weil er ein Sympathieträger mit besonderer Aura ist. Ein tief berührender Zauberer an der Gitarre, der so etwas wie die Friedensbotschaft in Person ist. Traditionen anderer Länder interessieren ihn nicht nur musikalisch, wie er verriet. Er hat eine Vorliebe für besondere Geschichten, wie etwa die seiner Mazurka, die Anflüge karibischer Unbeschwertheit mit Meeresrauschen kombiniert. Tatsächlich griff er den polnischen Tanz auf Martinique auf, in der Adaptation eines Imports aus Frankreich, wo man den polnischen Tanz von Chopin kennengelernt hatte.

Auch wenn Nguyên Lê überall als Jazz- und Weltmusiker bezeichnet wird, beschreibt das seine Ausrichtung nur unzureichend. Seine weltmusikalischen Komponenten sind nicht folkloristische Adaptationen, sondern gelungene Bemühungen, mit eigenen thematischen Erfindungen und Klangtüfteleien die Atmosphäre und die Charakteristik der jeweiligen Musik zu erfassen. Nguyên Lê versucht gar nicht erst, die folkloristischen Instrumente originalgetreu nachzuahmen. Die Exotik seiner Gitarrenklänge, die er mit elektronischen Hilfsmitteln mixt, interpretiert sie, konfrontiert sie mit den Fragestellungen zeitgemäßer Musik, ja führt den Beweis, dass sie weiterhin ansprechen und als Ausdrucksmittel verstanden werden. Besonders überzeugend brachten die Musiker das in der Zugabe zum Ausdruck, wo es mit einer sitar-nahen Klangausrichtung um die Beseeltheit der indischen Musik ging.

Spürt man den Jazz-Elementen bei Lê nach, hat man Mühe, sie als selbständige Mittel herauszufiltern. Sie gehen in vielen Einflüssen auf, etwa in der Neuen Musik, in tief vergeistigten Klängen à la etwa Bachs Goldberg-Variationen, vor allem im Rock bis Funk. Aber auch die Fusion-Richtung des Quartetts erwies sich als absolut eigen, weil stark klangsinnlich und ohne Tabus, wenn es darum ging, überraschende Effekte zu kreieren.

Was diese Musik unnachahmlich machte, war ihre Magie. Vordringlich aus den Soundscapes hervorgehend, die Nguyên Lê in betörender Farbigkeit immer wieder behutsam hinterlegte oder im Ensemble zum Thema machte. Ein Klangzauber, der aus den Vibraphon-Klängen Entrückung und aus dem Schlagzeug-Perkussion-Mix rituelle Eindringlichkeit schöpfte. Doch es gab immer auch ein Erwachen aus der Sphärenmusik, meist mit kernigen Grooves, die sich bisweilen ins Ekstatische steigerten. Dann trieben Hadfield mit Jennings mächtig an, während sich Amar und Lê gegenseitig zu Höhenflügen anspornten und in fesselnde Dialoge verwickelten. Grandios!

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