Süddeutsche Zeitung

Aus dem Nachlass von Edward Theodore Compton:"Es ist ein Wahnsinnsgeschenk"

Die Gemeinde Feldafing freut sich über zwei Notizbücher eines englischen Landschaftsmalers, der von 1874 bis 1921 am Starnberger See lebte. Die Spenderin möchte anonym bleiben.

Von Sylvia Böhm-Haimerl

Es ist die gestochen scharfe Schrift eines Buchhalters. Unter der Nummer 474 ist mit schwarzer Tinte das Bild "Feldafing evening" verzeichnet, das der Landschaftsmaler Edward Theodore Compton (1849 bis 1921) im Jahr 1885 gemalt hat. Der gebürtige Engländer, der von 1874 bis zu seinem Tod in den frühen Zwanzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts in Feldafing gewohnt hat, war sehr produktiv. In einem Werksverzeichnis sind die meisten seiner Bilder aufgeführt mit den genauen Daten, Titel und Erstellungsdatum des Bildes, dem Verkaufsdatum sowie dem Namen des Käufers und dem Preis in englischen Pfund und Shilling. Sogar die exakte Größe ist vermerkt: So hat die Nummer 474 beispielsweise die Maße 20,5 mal 12 Inches - also 52 mal 30,5 Zentimeter - oder die Nummer 12 "Sunrise an Zugspitze" 24 mal 16 Inch (61 mal 40,6 cm). Manchmal hat Compton - sein Sohn Edward Harrison Compton war ebenfalls Maler in Feldafing - die Einträge in den roten Büchern mit Bleistiftskizzen versehen oder Zeitungskritiken hineingeklebt. Zwei Bände aus den Jahren 1867 bis 1920, die aussehen wie die Kassenbücher aus der damaligen Zeit zur Jahrhundertwende, wurden jetzt dem Gemeindearchiv übergeben: Sie wurden von einer Feldafinger Bürgerin gespendet, die selbst jedoch anonym bleiben will. Gemeindearchivarin Martina Graefe ist begeistert: "Es ist ein Wahnsinnsgeschenk. Damit hatte ich nicht gerechnet."

Zu Comptons besten Kunden gehörten deutsche und österreichische Alpenvereine

Compton ist vor allem bekannt für seine Bergbilder. Er war ein versierter Bergsteiger, der sogar vor Erstbesteigungen nicht zurückschreckte. Insbesondere in den Alpen machte er seine Bergtouren. Die Reisen gingen aber auch nach Spanien, Korsika, Nordafrika oder Norwegen. Seine bevorzugten Motive waren alpine Szenen, die er auf seinen Bergtouren zunächst vor Ort skizzierte, um später im Atelier Gemälde anzufertigen. Der Malstil des Künstlers ist realistisch, fast fotografisch detailliert, gestochen scharf und akribisch. Zu seinen besten Kunden gehörten deutsche und österreichische Alpenvereine. Neben Ölgemälden, Aquarellen und Zeichnungen illustrierte er zahlreiche Zeitschriften und malte Post- oder Spaßkarten. Eine Meraner Zeitung beispielsweise hat Compton "6 views of Tirol" abgekauft.

Es wäre "ein Drama" gewesen, hätte man die beiden Notizbücher auf dem freien Markt verkauft

Zwar besitzt die Gemeinde Feldafing das Gemälde "Reißender Fluss" aus dem Jahr 1885 von dem englischen Maler, aber im Gemeindearchiv war Graefe zufolge bislang wenig Material zu finden. Als ein Forscher des Alpenvereins bei ihr um Informationen zur "Kölner Hütte" gebeten hatte, musste sie ihm eine Absage erteilen. Dennoch hat sie danach weitergesucht. "Als Archivar versucht man in die Tiefe zu gehen, um es den Forschern zur Verfügung zu stellen", sagt sie. Dann kam Gemeinderat Günter Hansel (BGF) auf sie zu: Er wusste, dass die Feldafinger Bürgerin ein Werkverzeichnis besaß und vermittelte die Spende. Graefe ist stolz darauf, dass sie nun die Forscher bei künftigen Anfragen besser unterstützen kann. Ihrer Meinung nach wäre es "ein Drama" gewesen, hätte man die beiden Notizbücher auf dem freien Markt verkauft. "Dann würden die Bücher verschwinden und würden für die Forschung nicht mehr zur Verfügung stehen."

Compton wohnte zunächst in einem Haus im Bereich des heutigen Siemens-Geländes. Später baute er eine Villa, die er an eine Tochter vererbte. Diese wiederum vererbte sie weiter an ihrem Lebensgefährten, der das Anwesen an die Kirche verkaufte: Auf dem Areal steht heute die Kirche "Heilig Kreuz". Der Lebensgefährte hatte zudem in Feldafing häufig mit Comptons Bildern aus dem Nachlass bezahlt. Auf diese Weise sei wohl auch die Spenderin an die beiden Kladden gekommen, erklärte Graefe.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5621358
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/phaa
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.