Feldafing:Große Politik im kleinen Dorf

Feldafing Vortrag Ischinger RH

Wolfgang Ischinger referiert beim Forum Feldafing.

(Foto: Georgine Treybal)

Von Buckley bis Ischinger: Das Forum Feldafing präsentiert seit 1983 namhafte Redner

Von Clara Brügge, Feldafing

Es waren große Themen für eine kleine Gemeinde. Wolfgang Ischinger, der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, sprach in seinem Vortrag "Zerfällt die Weltordnung? Überlegungen zur geopolitischen Lage" über aktuelle Entwicklungen in der Weltpolitik; aber nicht etwa auf einem hochrangigen Diplomatentreffen, sondern im rappelvollen Feldafinger Bürgersaal. Dort, wo sonst Fußballspiele übertragen werden, referierte der Diplomat über Russlands Rolle im Ukraine-Konflikt, über die Krise des Nationalstaats in Zeiten der Globalisierung und über die Notwendigkeit, die deutsch-amerikanischen Beziehungen trotz NSA-Skandals zu pflegen. Der ehemalige deutsche Botschafter in Washington bot seltene Einblicke in die Praxis eines Diplomaten und brachte damit eine Welt nah, die im beschaulichen Feldafing sonst ganz fern scheint.

Ischinger reiht sich in eine ganze Reihe hochkarätiger Redner aus den Bereichen Politik, Wirtschaft, Forschung und Gesellschaft ein, die der Verein Forum Feldafing seit seiner Gründung durch Günter Lauerbach im Jahr 1983 in die Gemeinde am Starnberger See einlud. Ziel der Vorträge sei es, "ein Bewusstsein dafür hervorzurufen, dass eine aufgeklärte, selbstdenkende Gesellschaft jenseits des massenmedialen Mainstreams entsteht", erklärt Manuela Pietraß, die Vorsitzende des Forums. In diesem Bereich kennt sich die Professorin für Erziehungswissenschaften mit Schwerpunkt Medienbildung der Bundeswehr-Universität in München nämlich bestens aus. Man suche demnach immer nach Referenten, "die uns was bieten können, was nicht in den Medien zu finden ist". Dadurch erhoffe sich der Verein, den Wissensstand aller Bevölkerungsgruppen zu fördern. Stichwort "volksbildend", wie Pietraß es formuliert.

Dass diese Suche meist überaus erfolgreich verläuft, zeigt sich, wenn man einen Blick auf die Liste der Referenten wirft: Dort finden sich Namen wie Hans-Georg Wieck, der ehemalige Präsident des Bundesnachrichtendienstes, Paul Kirchhof, langjähriger Bundesverfassungsrichter, Rolf-Dieter Heuer, der Generaldirektor des CERN in Genf, und John B. Emerson, US-amerikanischer Botschafter in Berlin - um nur einige zu nennen.

Doch wie gelingt es dem Verein, solch namhafte Persönlichkeiten nach Feldafing zu bringen? "So was läuft meistens über Kontakte", erläutert die Vorsitzende. "Als der Verein aber erst mal hochkarätige Redner hatte, war es irgendwann nicht mehr schwer, weitere zu gewinnen". Mit dem ersten Referenten, dem US-Vizeaußenminister James L. Buckley, habe es 1984 bereits einen "grandiosen Start" gegeben. Und nicht nur das: ein Großteil der Redner halte die Vorträge ohne Honorar. "Dankenswerterweise", wie Pietraß betont. Denn der Verein finanziert sich ausschließlich über die Beiträge seiner etwa 120 Mitglieder - und die liegen bei 90 Euro im Jahr.

Als Wolfgang Ischinger seinen fast frei gehaltenen Vortrag beendet, hält der Applaus lange an. Kurz hat er noch Zeit, um ein paar Fragen aus dem Publikum zu beantworten - dann muss er bereits weiter. Berlin ruft. Es kehrt wieder Normalität ein in den Feldafinger Bürgersaal. An der Stelle, wo eben noch ein Diplomat von Weltrang am Rednerpult stand, wird nun eine Leinwand aufgebaut - das nächste Fußballspiel steht an.

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