Süddeutsche Zeitung

Sammler im Landkreis Starnberg:Drei DJs am Grammophon im Altenheim

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Der Musikexperte Walter Erpf, Bürgermeister Bernhard Sontheim und BRK-Geschäftsführer Jan Lang lieben Schellackplatten - einige haben sie in Feldafing aufgelegt.

Von Otto Fritscher, Feldafing

Angefangen hat diese Geschichte, oder sollte man besser sagen: Leidenschaft, vor vier Jahren auf einer Einkaufsstraße in Stuttgart. Ihr - allerdings nur vorläufiges Ende - hat sie im Altenheim in Garatshausen gefunden. Dort versammelten sich drei im Landkreis durchaus bekannte Liebhaber alter Grammophone und altehrwürdiger Schellack-Platten, um etwas Schwung in den Alltag der Bewohner dieser Seniorenresidenz zu bringen: Feldafings Bürgermeister Bernhard Sontheim, Schlager- und Salonmusikexperte Walter Erpf aus Krailling, und Jan Lang, Geschäftsführer des BRK-Kreisverbands Starnberg. Mitgebracht hatten sie ein His-Masters-Voice-Grammophon aus den Zwanzigerjahren und einen Kofferplatten-Spieler, wie er den Fünfzigerjahren weit verbreitet war. Und dazu einen Stapel kostbarer Schellack-Platten, die älteste aus dem Jahr 1927. "Da bin ich geworfen", sagt eine alte Dame sehr leger und nickt ein bisschen stolz.

Dann betätigen sich die drei Herren als Diskjockeys. Walter Erpf hantiert geschickt mit den Scheiben, während Bürgermeister Sontheim sich als Experte im Aufziehen des Grammophons mittels einer Kurbel zeigt. Was kein Wunder ist, denn er hat immerhin etwa 60 Grammophone in seiner Sammlung, die er in nur wenigen Jahren aufgebaut hat. "Meine Frau hält mich für bekloppt", sagt er, und die Zuhörer lachen. "Bei uns ist zwar kein Platz mehr, aber ich habe schon noch den ein oder anderen Wunschkandidaten, den ich über das Internet gefunden habe, mir aber noch nicht leisten kann." Zu den alten Plattenspieler kommen "sieben- bis achthundert Platten, die genaue Zahl weiß ich nicht", sagt Sontheim. Das meiste davon natürlich Aufnahmen, schließlich ist Sontheim Jazz-Experte. Walter Erpf kann da nicht mithalten, er hat erst rund 30 alte Plattenspieler herumstehen, dafür aber viel mehr Schellacks als Sontheim. "Wir sind halt beide Sammler", sagt Sontheim - und Erpf ergänzt trocken: "Oder Spinner." Der Dritte im Bunde, Jan Lang, kann da nicht mithalten."Ich habe ja erst angefangen und erst zwei Grammophone." Dafür weiß er zu berichten, wie es zu dem Musiknachmittag im Altenheim, das jetzt Schlossresidenz heißt, gekommen ist. "In einer Bierlaune bei einem Beisammensein bei der Wasserwacht."

Derweil laufen die ganz alten und nicht ganz so alten Schlager - heute würde man sagen: Hits - auf den Plattenspielern. Die Comedian Harmonists erfreuen die Zuhörer, die größtenteils im Rollstuhl sitzen, mit "Veronika, der Lenz ist da", einer Aufnahme aus dem Jahr 1930, Sontheim legt Jazz und Swing von Benny Goodman und Louis Armstrong auf - Titel, die alle kennen. Bei einem Bummel durch Stuttgart habe er in einem Schaufenster ein Trichter-Grammophon gesehen, der Besitzer habe es aber nicht verkaufen wollen. So sei er ins Internet ausgewichen und habe sich das Ding gekauft - der Beginn seiner Sammelleidenschaft.

Dann folgen die Travellers, die raten: "Vor der Haustür küsst man nicht" - und einige können den Refrain gut mitsingen. Genauso wie bei Bally Prell und der "Schönheitskönigin von Schneizlreuth". "Etwas Bairisches darf hier nicht fehlen", grinst Walter Erpf und legt vorsichtig die Nadel auf die Plattenrille. Eine Anregung kommt noch, von einer Seniorin: Sie schaut auf die historischen Grammophone und sagt: "Die Firma hier sollte wirklich mal neue Geräte kaufen."

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Quelle:
SZ vom 06.04.2019
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