Feldafing:Der sentimentale Maler

Feldafing: Athanas I. Scheloumoff

Verwundete, Tote und kämpfende Soldaten: Nadine Sokoloff mit zwei Werken des Schlachtenmalers Scheloumoff.

(Foto: Nila Thiel)

Nadine Sokoloff aus Feldafing und ihre Schwester haben die Bilder des 1983 in Starnberg gestorbenen Künstlers Afanasij Scheloumoff geerbt. Noch ist unklar, was mit dem Nachlass passieren wird

Von Katja Sebald, Feldafing

Es sind ungewöhnliche Bilder, die in der Feldafinger Wohnung von Nadine Sokoloff beinahe jede Wand bedecken: Sogar im Schlafzimmer hängen Gemälde von Schlachten, von kämpfenden Soldaten hoch zu Ross, von Verwundeten und Toten, von gestürzten und verendeten Pferden. Bis ins kleinste Detail genau sind die Bewegungen der Pferde, die Waffen, die Uniformen und Standarten dargestellt. Es sind Bilder des 1983 gestorbenen Malers Afanasij Scheloumoff, der beinahe die Hälfte seines Lebens an der Starnberger Ludwigstraße wohnte.

Gelebt hat Scheloumoff zwar in seiner Wahlheimat Bayern, gemalt aber hat er immer und immer wieder seine verlorene Heimat, das alte russische Reich. Nadine Sokoloff erbte zusammen mit ihrer Schwester die Bilder nach dem Tod ihrer Mutter, die mit dem russischen Maler verheiratet war. "Aus Dankbarkeit", wie sie sagt, würde sie die Bilder jetzt gerne an Menschen verkaufen, die sie zu schätzen wissen, am liebsten würde sie alle zusammen in einem Museum sehen, das die Erinnerung an den "letzten Schlachtenmaler", wie ihn ein Kritiker einmal nannte, bewahren möchte. Noch zu Lebzeiten des Künstlers tätigten das Museum der russischen Kavallerie in New York und das Museum für Militärgeschichte in Belgrad Ankäufe. Auch in vielen Privathaushalten dürfte noch der eine oder andere Scheloumoff hängen: Das unermüdlich als "Brotkunst" wiederholte Motiv einer russischen Troika, zumeist in schneebedeckter Landschaft, verkaufte sich in der Nachkriegszeit so gut, dass der Maler davon leben konnte.

Nicht nur die begeisterten Käufer seiner Gemälde, auch der Maler selbst hingen dem untergegangenen Zarenreich nach. Afanasij Scheloumoff wurde 1892 in Kamenetz-Podolsk in der Westukraine geboren. Seine Kindheit und Jugend verbrachte er in Balta, einer kleinen südukrainischen Stadt, die für ihre Pferdemärkte berühmt war. Schon als Achtjähriger soll Scheloumoff begonnen haben, die Pferde zu malen. Fast legendenhaft klingt die Entdeckung seines Talents durch einen Lehrer, der eine seiner Pferdezeichnungen auf einer Schiefertafel sah und ihm daraufhin Unterricht gab. In einem undatierten Album findet sich folgender Text zu seiner künstlerischen "Erweckung": "Den unauslöschlichen Eindruck hinterließ auf seine Phantasie die Mobilisierung der Pferde anläßlich des russisch-japanischen Krieges (1904). Die benachbarten Gutsbesitzer und die einheimische Bevölkerung brachten aus diesem Anlaß nach Balta die herrlichsten Pferde, manche von ihnen waren so heißblütig, daß die Dragoner-Pferdeknechte sie nur mit größter Mühe zähmen konnten. Dieses großartige Schauspiel gab Scheloumoff die entscheidende Anregung, Pferdemaler zu werden."

Im Ersten Weltkrieg wurde der junge Maler Scheloumoff, der sein Studium abbrechen musste, selbst Reitersoldat. 1917 schloss er sich der antikommunistischen Weißen Armee an. Seine Familie wurde in der Revolution getötet, er selbst musste als ehemaliger Angehöriger der "Weißen" fliehen. Über die Türkei kam er nach Jugoslawien, wo er mit anderen russischen Künstlern seine Bilder in einer Wanderausstellung zeigte und beachtliche Erfolge erzielte. Im Zweiten Weltkrieg kämpfte er in der Russischen Befreiungsarmee auf deutscher Seite. Mit dem Kriegsende waren endgültig alle Hoffnungen auf eine Rückkehr in die alte Heimat zerstört. Scheloumoff musste erneut fliehen und kam über Klagenfurt und Heilbronn schließlich nach Starnberg, wo er ab Juli 1945 gemeldet war.

Er kehrte nie wieder in seine Heimat zurück. "Sein Russland", so soll er einmal gesagt haben, gebe es nicht mehr, er werde es aber weiterhin in seinen Bildern festhalten. Seine Starnberger Wohnung, in der es auch ein kleines Atelier gab, muss man sich als Enklave der Vergangenheit vorstellen: In geselliger Runde wurde mit russischen Freunden zu russischen Gerichten russische Lieder gesungen, legendär soll auch der dort getrunkene selbstgebraute wodkaähnliche Schnaps gewesen sein, der wie sein Schöpfer "Scheloumoff" hieß. Die deutsche Sprache hat der russische Pferde- und Schlachtenmaler in den vier Jahrzehnten, die er in Bayern lebte, nur so weit gelernt, dass er sich einigermaßen verständigen konnte. Auch seine drei Ehefrauen waren Russinnen. Mit seiner zweiten Frau ist er auf dem Starnberger Waldfriedhof begraben, in dritter Ehe war er mit der Mutter von Nadine Sokoloff verheiratet. Unter der Überschrift "Heimweh auf Leinwand gebannt" hat die Journalistin Doris Hiltl im sechsten Band "Ohne Geist keine Kunst" der Starnberger Stadtgeschichte dem russischen Schlachtenmaler ein schönes Denkmal gesetzt.

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