Süddeutsche Zeitung

Wohnungsbau auf Kaserne:Bundeswehr setzt Feldafing unter Druck

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Die Fernmeldeschule nutzt sieben Gebäude weiter - und knüpft den Abzug vom übrigen Militärgelände an Bedingungen.

Von Otto Fritscher, Feldafing

Es muss für Feldafings Bürgermeister Bernhard Sontheim ein wenig ersprießlicher Spaziergang durch das Gelände der Fernmeldeschule der Bundeswehr gewesen sein, und dies nicht nur wegen des strömenden Regens am Dienstag. Denn die Nachrichten, die Vertreter der Bundeswehr und des Verteidigungsministeriums im Rucksack hatten, sind äußerst unerfreulich für die Gemeinde: Sollte die Kommune für sieben Gebäude vor allem im nordwestlichen Teil des Militärareals nicht auf Jahre hinaus die Infrastruktur wie Wärme-, Wasser- und Abwasserversorgung, Strom, Telefon und anderes bereitstellen und bis zum Abzug der Soldaten im Jahr 2027 garantieren, dann werde das gesamte Kasernenareal nicht freigegeben. Die bald 20 Jahre währenden Planungen der Gemeinde für eine zivile Nutzung des Geländes wären so schlimmstenfalls für die Katz.

"Damit habe ich nicht gerechnet", sagte Sontheim. Da half es auch nichts, dass ihm General Frank Schlösser, Kommandeur der IT-Schule, wie die Einrichtung jetzt heißt, "für eineinhalb Stunden das Hausrecht übertragen" hatte, wie Sontheim am Nachmittag bei einer Pressekonferenz im Rathaus berichtete. Von Erpressung wollte er zwar nicht sprechen, aber er sagte: "Wie die Gemeinde das macht, ist der Bundeswehr völlig wurscht."

Und dann noch ein Hammer: Das Verteidigungsministerium habe bei dem Gespräch am Dienstag klipp und klar erklärt, dass von der Bundeswehr "kein Cent zu erwarten ist", so Sontheim. Will die Gemeinde also - wie geplant - 2020 den Zugriff auf den größten Teil des Geländes bekommen, muss sie eine erkleckliche Summe für die Versorgung der Bundeswehr investieren. "Das wirft unsere Planungen auf jeden Fall zurück", so Sontheim. Aufgrund eines prognostizierten "erhöhten Ausbildungsbedarfs" hatte die Bundeswehr erst vor Wochen die Freigabe für sieben Gebäude zurückgenommen. Es handelt sich unter anderem um das Offizierscasino, das Sanitätsgebäude und drei Sturmblockhäuser, die zu Unterkünften für die Soldaten, die ihre Lehrgänge in der Maxhof-Kaserne absolvieren, umgebaut werden. Die Energieversorgung und anderes sicherzustellen, klingt einfacher als es ist, denn es stehen viele zusammengewürfelte Bauten auf dem insgesamt 36 Hektar großen Areal. "Zur Not bauen wir ein Blockheizkraftwerk hin und verkaufen der Bundeswehr die Energie", witzelte Sontheim.

Klar ist für ihn auch, dass der in den Sturmblockhäusern vorgesehene bezahlbare Wohnraum kleiner als vorgesehen ausfallen wird. Auf das Museum mit Bildern des realistischen Expressionismus aus der Sammlung Hierling müsse man wohl auf lange Sicht verzichten, genauso wie auf das geplante Luxushotel. "Die Schaffung von Wohnraum hat absoluten Vorrang", so der Bürgermeister. Wie geht es jetzt weiter? Die Arbeitsgruppe aus Vertretern von Bundeswehr, Verteidigungsministerium, Bima, Gemeinde und anderen Stellen soll zeitnah nach Lösungen suchen.

Die Gemeinde tut indes erst mal so, als ob nichts geschehen wäre. "Wir bringen in der Gemeinderatssitzung am 24. September erst einmal den Prozess der Bürgerbeteiligung zu Ende", so Sontheim. Sollten sich die Planungen ändern, müsse man dann hoffentlich nicht wieder ganz vorn vorne anfangen. Ein Damoklesschwert schwebt indes weiter über der Gemeinde: Niemand kann garantieren, dass die Bundeswehr 2027 tatsächlich aus Feldafing abziehen wird. Denn schon seit 2003 wurden der Gemeinde immer wieder neue Termine genannt- und nicht eingehalten. "Wenn die Bundeswehr nicht in sieben Jahren auszieht, dann verklage ich die Bundesrepublik Deutschland", sagte Sontheim - vorausgesetzt, er gewinnt die Bürgermeisterwahl im Frühjahr.

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Quelle:
SZ vom 21.08.2019
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