Süddeutsche Zeitung

Jahresabschluss der Kreis-FDP:"Britta ist der Star"

Die Liberalen erhoffen sich 2023 wieder ein Stückchen Regierungsmitverantwortung im Freistaat. Kreisvorsitzende Britta Hundesrügge hegt Hoffnungen auf ein Landtagsmandat, doch unangenehme Themen werden vorerst ausgespart.

Von Peter Haacke

An Selbstbewusstsein hat es dem Kreisverband der Freien Demokraten im Landkreis Starnberg noch nie gemangelt. Dabei hat die Performance der Liberalen insbesondere im Freistaat zumindest in den vergangenen zehn Jahren etwas gelitten. Nach eher mäßigen Erfolgen bei den Landtagswahlen 2013 und 2018 soll es nun aber wieder aufwärts gehen: FDP-Kreisvorsitzende Britta Hundesrügge aus Gauting macht sich erneut Hoffnungen auf ein Landtagsmandat. Beim traditionellen Jahresabschluss des Starnberger Kreisverbands in Andechs - dem ersten nach zwei Jahren Corona bedingter Pause - rief sie den rund 45 Gästen am Fuße des Heiligen Bergs kämpferisch zu: "Wir wollen in die Regierung."

Nach wie vor sehen sich die Liberalen im Fünfseenland als Hochburg im ansonsten überwiegend unionsdominierten Oberbayern. Groß ist die Sehnsucht nach erneuter Regierungsbeteiligung im Freistaat, nachdem die Freien Demokraten ihren Platz als CSU-Juniorpartner 2013 zugunsten der Freien Wähler räumen mussten. Zwar geht noch etwas Zeit ins Land bis zur 19. Wahl des bayerischen Landtags am 8. Oktober 2023. Doch schon jetzt stimmt FDP-Kreisvorsitzende Britta Hundesrügge ihre Partei auf die erhoffte Rückkehr in weiß-blaue Regierungsmitverantwortlichkeit ein: "Mit sieben Prozent ziehen wir in den Landtag ein", sagte sie, "wir rocken das Ding!"

Das kam gut an bei den Zuhörern, darunter auch FDP-Vertreter aus den benachbarten Landkreisen. Freiheit, Bürgerrechte, weniger Staat, mehr Demokratie: "Wir müssen mit Mut in die Zukunft gehen", sagte Hundesrügge, gestand aber auch ein: "Natürlich ist das nicht immer leicht." Die Kompetenzen der FDP sieht die Stellvertreterin des Landrats vor allem im kommunalen Bereich. Man wolle die Gemeinden nicht im Stich lassen - auch, weil einigen gerade "die Haushalte um die Ohren fliegen". Dennoch hält Bildungspolitikerin Hundesrügge den Bau des Gymnasiums in Herrsching für wichtig und richtig - auch und obwohl "diese Schule schweineteuer wird".

Willi Boneberger bringt die Sache auf den Punkt: "Extreme Probleme"

Es mag der Dramaturgie des geselligen Beisammenseins geschuldet gewesen sein, dass der Ausblick noch vor dem nicht ganz so euphorisch klingenden Rückblick auf die politischen Ereignisse im Landkreis durch Willi Boneberger, Fraktions-Chef der FDP im Kreistag, folgte. Ernüchternd stellte er fest: "Kein normales Jahr, extreme Probleme." Dazu passend lieferte Boneberger die Stichworte Gymnasium Tutzing ("hat sich relativ wenig getan"), ÖPNV ("leere Busse, nicht finanzierbar") oder Einsparungen - also verschobene Projekte wie die Neubauten der Fachoberschule in Starnberg und das Krankenhaus in Herrsching. Immerhin: "Die Fraktionen haben gut zusammen gearbeitet", befand Boneberger.

Hatte sich die FDP 2019 noch gegen die Ausrufung des Klimanotstandes (Hundesrügge: "Aktionismus und Alarmismus") im Landkreis gewehrt, wurde das Thema diesmal ebenso wenig erwähnt wie der akute Wohnungsnotstand, die Lage der Flüchtlinge, die Energieversorgung im Landkreis oder der B2-Tunnel in Starnberg. Auch die Situation im FDP-Kreisverband beschränkte sich auf eine kurze positive Selbstdarstellung: 277 Mitglieder habe die FDP derzeit, "wir sind so viele wie noch nie", sagte Hundesrügge. Georg Scheitz (CSU), als Bürgermeister von Andechs Gast des launigen liberalen Treffens, betonte: "Britta, wir arbeiten wirklich gut zusammen" - am Biertisch ebenso wie am Kabinettstisch. Man sei auf einem guten Weg, sagte Scheitz, "wir müssen nur aufpassen, was an den Rändern passiert."

Dass im FDP-Ortsverein Starnberg seit Monaten ein zermürbender liberaler Grabenkampf tobt, bleibt derweil unerwähnt. Passend dazu war die neue Starnberger Doppelspitze mit Stefan W. Zeil und Anke Henniger gar nicht erst erschienen. Stattdessen sprang einmal mehr Wolfgang Heubisch, Landtags-Vizepräsident und ehemaliger Wissenschaftsminister (2008 - 2013), wortgewaltig in die Bresche. Mit Blick auf die Landschaft stellte er fest: "Es ist einfach irre hier." Und mit Blick auf Hundesrügge: "Britta ist der Star".

Nicht ganz so euphorisch wie Heubisch klang der abschließende Vortrag des Mediziners Dominik Spitzer: Der gesundheitspolitische Sprecher der FDP im Landtag zeichnete ein düsteres Bild von den Verhältnissen im Freistaat und dem Rest der Republik. "Es ist vieles im Argen", sagte Spitzer, und forderte im Hinblick auf das Gesundheitssystem einen Perspektivwechsel "von oben nach unten". Im Jahr 2023 würden 80 Prozent aller Krankenhäuser defizitär arbeiten, eine "Pflege-Revolution" sei notwendig. Die Zuhörerschaft - mehrheitlich in der zweiten Lebenshälfte - mochte sich angesichts des befürchteten Krankenhaussterbens und einer ungewissen Versorgung bei Herzinfarkt, Schlaganfall oder Demenz mit dem Umstand trösten, dass der Landkreis Starnberg aus ärztlicher Sicht überversorgt ist - zumindest auf dem Papier.

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