Fasching:Närrischer Spott

Bei den verschiedenen Faschingstreiben und Umzügen im Landkreis geht es einerseits um politische Themen, andererseits um reine Gaudi.

Von M. Berzl, O. Fritscher und C. Setzwein, Starnberg/Gauting/Herrsching

Es ist bitterkalt und der Wind saust böig über den Kirchplatz. Aber es scheint die Wintersonne, und es sind so viele Starnberger zum Faschingstreiben gekommen, wie seit Jahren nicht. Allerdings sind die meisten in Räuberzivil da, um sich gegen die Kälte zu wappnen. Diejenigen, die kostümiert erschienen sind, haben viel Mühe darauf verwendet, sich in einen Tyrannosaurus Rex zu verwandeln, der aber, wundersamerweise, statt auf Beutejagd zu gehen, gut tanzen kann oder gar mit zwei Eisbären flirtet. Oben auf der Bühne bedankt sich Winfried Wobbe gerade bei der Perchalla, den Schützen der Freien Turnerschaft und der Wasserwacht, die für die Verköstigung sorgen. Allerdings ist es so kalt und die Nachfrage nach heißen Getränken so stark, dass an dem einen Stand der rote Glühwein gegen 16 Uhr aus ist, und am anderen lauwarm ausgeschenkt wird. Wen stört's, wenn man den Prinzengarden und Tollitäten der Perchalla zuschaut, "die sich für euch den Arsch abgefroren haben", wie die Moderatoren André und Birgit Schneider sagen. Publikumsliebling wie immer: die One Million Dollar Girls, die als Putztruppe ihren fast zehnminütigen Auftritt beginnen, sich dann aber Schicht für Schicht entblättern und zeigen, dass ein famoser Auftritt nichts mit dem Alter zu tun hat. Gegründet wurde die Truppe einst von Müttern, deren Kinder im Tanztraining waren, und denen die Warterei zu langweilig geworden war. Im Takt wippten mit ein Scheich-Ehepaar mit für Starnberg standesgemäß goldenen Turbanen, Piraten, Hexen und Zauberer und ein Roboter. Die meisten der mehreren Hundert Zuschauer waren aber nicht in erster Linie zum Faschingfeiern gekommen, sondern um zu plaudern und gucken. So ist das nun mal in Starnberg.

Beim Umzug in Unterbrunn bringt ein pinkelnder Holzpenis den größten Lacherfolg. Das Utensil gehört zu einem auf einem Anhänger gespielten Sketch zum Thema sexuelle Identitäten. Auf derbe Art inszenieren hier die Burschen die Verwirrung, die künftig beim Toilettenbesuch entstehen könnte, und was sie von der ganzen Debatte halten, nämlich eher nichts. Es ist eines von einem Dutzend Themen, das an diesem Faschingsdienstag Anlass zu närrischem Spott bietet, vor allem kommunalpolitische Ereignisse knöpfen sich die Unterbrunner zum Gaudium hunderter zumeist kostümierter Zuschauer vor. Natürlich bietet sich der Streit um Bauvorhaben in Gauting geradezu an für karnevalistische Persiflagen. Da wird zum Beispiel ein Nachbau des misslungenen Gebäudes am Grill-Grundstück durch den Ort gezogen. Und Hermann Geiger macht sich darüber lustig, dass man nun ja den nächsten Bürgerentscheid über die Farbe von Fensterläden anzetteln könnte. Auf einem weiteren Wagen ist ein Haufen Backsteine zu sehen und ein Mann mit schwarzer Perücke, der Gautings Bürgermeisterin Brigitte Kössinger darstellen soll. Hier geht es um die Kontroverse über das Schulgrundstück an der Bahnhofstraße. "Ratlos, planlos, Geld los", lautet der launig Kommentar. Auch ein Politikum aus Unterbrunn selbst kommt an die Reihe: die geplante Erweiterung des kleinen Reßbachs durch das Dorf. Da schimpft ein Bauer, dass man so etwas "no nia ned" gebraucht hätte, während sich ein Surfer auf die Welle freut. Ansonsten: Trump, Diesel-Skandal und große Koalition. Das Übliche.

Die Gaudi in Herrsching ist groß, der Wurm eher ein Würmlein. Dafür sind die blauen Stofftaschen von Anna-Christine Vielhaber und Ruth Merkhoffer prall gefüllt mit Bonbons und Lutschern. Die beiden organisieren seit sieben Jahren den Herrschinger Gaudiwurm in der Bahnhofstraße. "Damit sich auch im Fasching was rührt im Ort", sagt Vielhaber. Zum ersten Mal mit dabei ist die Blaskapelle Herrsching. Sie führt den Zug an. Der Kindergarten Kunterbunt marschiert mit, das Familienzentrum und das Sportstudio. Die Crew des Gasthofs "Zur Post" hat ihre Kutsche dabei. Einmal runter, einmal rauf, dann können sich die kleinen und großen Narren mit Bratwurstsemmeln, Krapfen, Halsgrat oder Zuckerwatte, mit Bier, Sekt oder Limo stärken. Captain Jack bringt die Zuschauer mit Taschenspielertricks und Zaubereien zum Staunen. Zwei Security-Mitarbeiter spazieren auf und ab. Aus Sicherheitsgründen dürfen keine größeren Taschen und Rucksäcke mehr mitgebracht werden. Nicht im Faschingskostüm, sondern in orangefarbener Dienstkleidung begleiten Nikola Maya und Oliver Scheibenpflug das bunte Treiben. Die stellvertretende Bereichsleitung und der Einsatzleiter des BRK Herrsching sowie Justine Eckel haben Sanitätsdienst. Sie freuen sich, dass die Stimmung so gut ist. Auch in anderen Orten des Kreises wie beim "Ruckizucki" in Pöcking und in Machtlfing herrschte ausgelassenes Treiben.

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