Fasching im Landkreis Starnberg:Brave Narren

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Beim Unterbrunner Umzug wird traditionell die Politik derbleckt - heuer etwas harmloser als sonst. In Starnberg hingegen wird vor allem gefeiert.

Von Charlotte Alt und Blanche Mamer

Sie waren mal viel frecher, die Unterbrunner, ihre Ideen für den Faschingsumzug waren schon aggressiver. Was haben sie sich an Altbürgermeister Ekkehard Knobloch abgearbeitet und die ehemalige Bürgermeisterin Brigitte Servatius auf die Schippe genommen, damals eine Paraderolle für Florian Schleifer mit roter Perücke und rotem Kleid. Alles vergessen. Oder ist es dem Wahlkampf gezollt, dass die Vereine heuer so friedlich sind? Einmal nur darf die Figur der amtierenden Bürgermeisterin Brigitte Kössinger auftreten und für ihre tolle Seilbahn vom Hauptplatz bis zum Kulturbahnhof werben. Alle zehn Meter etwa kommt der schwere grüne Deutz zum Stehen und die Tür der Kabine, die auf dem Hänger aufgebaut ist, öffnet sich, um wartende Kinder einsteigen zu lassen. Für die etwas zu korpulent geratene "Bürgermeisterin" mit schwarzer Perücke und Amtskette würden sich damit alle Verkehrsprobleme lösen. Den Zuschauern am Wegesrand gefällt der Vorschlag, es gibt viele Lacher und Applaus.

Mehrere Hundert Schaulustige aus Unterbrunn und den Nachbarorten, viele maskiert, sind zum Faschingsumzug gekommen. Einer der letzten Wagen macht sich über den lahmen Wahlkampf und die "Qual der Wahl" lustig: Einzige Qualifikation, die ein Gautinger Bürgermeisterkandidat brauche, sei der Vorname Brigitte, schreit der Wahlleiter und streichelt kurz dem Wahlplakat von "Brigitte Sklarek" die Wange. Dann bekommen "Brigitte Knape", Brigitte Luft und zum Schluss auch noch die lachende Erste, Brigitte Kössinger, eine kleine Streicheleinheit. Besonders nett ist er zum sechs Jahre alten Plakat von Brigitte Meiler. Und in der "Stich"-Wahl stehen sich ein Imker und ein Chirurg gegenüber.

Bei den Gautinger Themen überzeugen die Bahn-Unterführung nach Königswiesen, die 1,45 auf 0,40 Meter messen darf oder auch die klimaneutrale Planung für AOA, heißt "Alles Ohne Auto". Dies bedeutet, dass man erst einmal den Führerschein abgeben muss, bevor eine Luxuswohnung erworben werden kann. Gelungen ist auch der Auftritt von zwei Bauarbeitern, die sich mit Brotzeit auf der viel befahrenen Gautinger Landstraße niederlassen und so den Verkehr reduzieren. Als ihr Straßenschild von einer starken Windböe umgeweht wird, gibt es großes Gejohle. Alles paletti, bald ist der Korso der alten stinkenden Traktoren (von Diesel Eicher zum McCormick) zu Ende. Sie dürfen wieder ins Museum.

Politik ist dagegen kein Thema auf dem Starnberger Kirchplatz. Beim Faschingstreiben am Dienstag lassen sich dort große und kleine Bären, Bienen und Piraten sehen, Spidermans und venezianische Masken. Hunderte Menschen sind gekommen, fast alle haben sich verkleidet. Zu schmissiger Musik, aufgelegt von DJ Hap, tanzen die Starnberger und trotzen den starken Windböen, die auch mal den ein oder anderen Blumen- oder Cowboyhut von den Köpfen reißen.

"Das Tanzen, die Kostüme und vor allem, dass es einfach eine lustige Jahreszeit ist", deswegen mag Anne Scharmann Fasching so gerne, wie sie sagt. Die 77-Jährige hat eine Regenbogenperücke, eine Maske und einen grünen Schal an und tanzt ausgelassen mit ihren Freunden. Auch der kleine Felix im Spiderman-Kostüm hüpft fröhlich zur Musik auf und ab. "Ich mag Fasching, weil man Süßigkeiten bekommt und Konfetti herumschmeißen kann", sagt der Vierjährige. Stimmung macht vor allem die Perchalla Faschingsgesellschaft, die mit den One Million Dollar Girls, Mini- und Jugendgarden gekommen sind. Die Schritte sitzen, die Beine fliegen und das Jungprinzenpaar, Philipp I. und Nathalie I., bezaubert das Publikum. Mit einer langen Polonaise, die sich über den Kirchplatz schlängelt, verabschieden die Starnberger stimmungsvoll den Fasching.

© SZ vom 26.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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