Landkreis Starnberg:Wenn Kinder eine Pflegefamilie brauchen

Herrsching, Beratung Pflegekinderdienst

Susanne Bachhuber vermittelt im Landratsamt Starnberg Kinder an potenzielle Pflegeeltern.

(Foto: Georgine Treybal)

Mit den Kleinen müssen alle geduldig sein, denn sie haben oft schmerzliche Erfahrungen mit Erwachsenen gemacht. Das Landratsamt sucht derzeit neue Pflegeeltern.

Von Patrizia Steipe

Vater, Mutter, zwei Töchter, Hund, Katze und ein gemütliches Heim in einem hübschen Dorf - auf den ersten Blick wirken die Buchners wie eine ganz normale Familie. Und das sind sie auch, denn "normal" hat heute viele Facetten. Bei den Buchners ist es, dass die beiden Mädchen nicht die leiblichen Kinder sind und dass die beiden im Gegensatz zu vielen anderen Kindern, "einen Rucksack an Erfahrungen mit sich schleppen, die nicht immer leicht waren", wie es Susanne Bachhuber, die im Landratsamt Starnberg für das Pflegekinderwesen zuständig ist, formuliert. Um die Kinder zu schützen, sind deswegen die Namen der Familienangehörigen in diesem Artikel geändert.

Stefanie und Thomas Buchner wollten eigentlich eigene Kinder. "Da wir keine bekommen konnten, dachten wir an Adoption", so Stefanie Buchner. Doch es gibt nur sehr wenige Kinder, die zur Adoption freigegeben werden. Deswegen beschlossen die Buchners sich für ein Dauerpflegekind zu bewerben. Viele Formulare, Gespräche, ein Hausbesuch und ein Qualifizierungsseminar folgten. Man müsse ehrlich sein und seine Grenzen und Möglichkeiten kennen, berichten die Buchners. Da sie beispielsweise keine Erfahrung mit Kindererziehung hatten, trauten sie sich ein ganz kleines und ein behindertes Kind nicht zu. Susanne Bachhuber findet es gut, wenn Pflegeeltern sich kritisch hinterfragen, "es wäre für beide Seiten schmerzhaft, wenn eine Vermittlung scheitert", erklärt sie.

Insgesamt leben 45 Kinder im Landkreis Starnberg in 35 Pflegefamilien. Im vergangenen Jahr wurden sieben Kinder vermittelt. Derzeit werden neue Familien gesucht, denn "um für jedes Kind die passende Familie zu finden, brauchen wir eine große Auswahl an möglichen Pflegefamilien", sagt Bachhuber. Bewerben können sich verheiratete, unverheiratete, gleichgeschlechtliche Paare oder Alleinerziehende. Voraussetzungen sind viel Zeit, ausreichender Wohnraum und ein geregeltes Einkommen. Denn die 800 bis 1000 Euro Pflegegeld sind als Unterhaltsleistung und nicht als Einnahme gedacht.

Die Buchners lernten das Heimkind Maja kennen. Besuche, Ausflüge und Übernachtungen folgten, bis der Teenager endgültig bei den Buchners einziehen durfte. In der Eingewöhnungszeit hatte Stefanie Buchner ihre Berufstätigkeit ruhen lassen, "es war wichtig für Maja, dass jemand für sie da war, wenn sie von der Schule heimkam." Weil es mit Maja so gut geklappt hatte, bewarben sich die Buchners ein paar Jahre später für ein zweites Pflegekind. Auch diesmal sollte es ein älteres Kind sein, doch dann lernten sie die eineinhalbjährige Pauline kennen. "Als sie mit ihrem neugierigen Blick in den Raum tapste, war klar, dass wir sie zu uns nehmen' werden", erzählt sich Thomas Buchner. Paulines leibliche Eltern hatten zu viele eigene Probleme und konnten sich nicht um das Kind kümmern. Nach mehreren Wechseln war Pauline in einer Bereitschaftspflege untergebracht. "Sie dauert solange bis geklärt ist, ob das Kind in die eigene Familie zurückkehren kann oder eine andere dauerhafte Unterbringung gefunden ist", erklärt Bachhuber, die ebenfalls neue Familien, die eine Bereitschaftspflege übernehmen wollen, sucht.

Obwohl Pauline schnell die Herzen für sich gewann, war die Eingewöhnung schwierig. Anfangs war das Mädchen nur stundenweise bei den Buchners. Das Hin und Her und das ewige Abschiednehmen zehrte an den Nerven aller. Die Kleine bekam Bauchweh. "Erst als sie ganz bei uns war, kehrte Ruhe ein", so Stefanie Buchner. Wobei "Ruhe" nicht das richtige Wort ist, denn Pauline ist ein richtiger Wirbelwind: "Sie muss sich viel bewegen", erklärt die Pflegemutter. Daneben hat die Kleine, die mittlerweile in die Schule geht, wenig Lust sich anzustrengen. "Eine mangelnde Anstrengungsbereitschaft gibt es oft bei Pflegekindern", weiß Bachhuber. Stefanie Buchner versucht zu motivieren, "das schaffst du", feuert sie das Mädchen an. Viel Konsequenz und Liebe seien notwendig, um das kleine Kraftpaket zu zügeln. "Es ist wichtig, sich von der Haltung der Kinder nicht selbst demotivieren zu lassen oder es persönlich zu nehmen", erklärt sie. Wichtig sei auch, nicht alles auf die schwierigen Verhältnisse zu schieben. Geholfen hat den Buchners ihr Hintergrundwissen, dass sie sich angeeignet hatten, die Unterstützung durch den Pflegekinderdienst und einer Familientherapeutin.

Jeden Monat steht ein Treffen mit der leiblichen Familien von Pauline auf dem Programm. Der Kontakt zu der Herkunftsfamilie soll bei Pflegekindern nicht abbrechen, so Bachhuber. Anfangs war das Jugendamt dabei, mittlerweile treffen sich die Familien allein. Mit Offenheit den Herkunftsfamilie und anderen Lebensmodellen zu begegnen, sei wichtig, erklären die Pflegeeltern. Die leiblichen Eltern bleiben in vielen Fällen auch sorgeberechtigt und müssen bei wichtigen Entscheidungen gefragt werden. Und natürlich bleibt eine kleine Unsicherheit, ob das Kind nicht wieder in seine Herkunftsfamilie zurückkehren wird. Die Buchners haben übrigens mittlerweile doch noch eine eigene Tochter bekommen. Es ist das ehemalige Pflegekind Maja, die sich, als sie volljährig geworden ist, von den Buchners adoptieren ließ.

Informationen über das Pflegekinderwesen gibt es im Starnberger Landratsamt unter Telefon 08151/148-486 und -413.

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