Eine Felge mit Speichen und eine Glühbirne: So sehen hier die Lampen an der Decke aus. Komplette Räder unter einer runden Glasplatte ergeben drei kleine Bistrotische. An den Wänden hängen Trikots und sogar ein ganzes Rennrad. Alles hier passt zum Thema Fahrrad. Kein Wunder, denn der Eigentümer und Wirt ist selbst passionierter Radler und schon einige Rennen mitgefahren. Außerdem ist er ausgebildeter Gastronom und verwirklicht sich in Riederau gerade einen Lebenstraum. Hier im „Radlcafé Kehre 23“ fügt sich eines zum anderen. Der Treffpunkt hat sich in der Szene schon herumgesprochen.
Christian Schürenberg kommt aus der Küche, auf dem Kopf eine Schirmkappe, wie sie auch die Teilnehmer der Tour de France tragen. Gerade hat er selbst eine Gemüselasagne vorbereitet, es ist das Mittagsgericht für den nächsten Tag. Bisher steht er noch selbst am Herd, aber er sucht gerade einen Koch, ist zuversichtlich, dass er in den nächsten Wochen personelle Verstärkung findet und will dann das Speisenangebot noch ausweiten.
Vor vier Jahren hat er das Gebäude direkt an der Ortsdurchfahrt von Riederau gekauft. Das Gebäude wurde 1902 erbaut, diente schon als Tante-Emma-Laden, Schule und Obdachlosenheim und war zuletzt das Gasthaus Pfeffermühle, ehe die Schlossbrauerei es zum Kauf anbot. Zu welchem Preis, das verrät der neue Eigentümer nicht. Dann wurde erstmal umfassend saniert und modernisiert. Heizung und Elektrik sind neu, Böden und die Küche ebenfalls. Die Fassade ist neu in einem kräftigen Dunkelrot gestrichen.
Einiges ist auch geblieben, der grüne Kachelofen etwa oder Bänke, die nun in einem hellen Taubengrau gestrichen sind, oder Tische, die abgeschliffen wurden und nun wie neu aussehen. Drinnen ist Platz für etwa 30 Gäste, draußen auf einer überdachten Terrasse gibt es weitere Tische, im Garten stehen massive Holzgarnituren im Kies. Im Freien gibt es auch einen Spielplatz mit Schaukel und Rutsche, wo sich die Kinder austoben können. Und neben dem Eingang gibt es eine Reparaturstation mit dem nötigsten Werkzeug und einer Luftpumpe. Eine Ladestation für E-Bikes wird gerade vorbereitet. In den oberen Etagen befindet sich die Physiotherapie-Praxis eines Freundes.


Der 41-jährige Café-Betreiber Schürenberg ist vom Fach. Im damaligen Fünf-Sterne-Hotel Arabella Sheraton in München hat er Hotelbetriebswirt gelernt und auch seine Ehefrau Anna kennengelernt. „Zusammen sind wir durch Europa getingelt,“ erzählt er. Nach Stationen in Österreich und Irland und in der Hotelfachschule in Garmisch war er zuletzt Geschäftsführer im Hotel Hinterwies in Lech am Arlberg. Der Nachteil: Die Familie hat er in der Wintersaison von November bis Anfang Mai nur wenig gesehen. Ehefrau Anna und die heute acht und zehn Jahre alten Kinder lebten da schon in Windach. Jetzt ist das viel besser. „Familie, Beruf und Hobby lassen sich hier besser vereinbaren“, sagt er. „Und ich wollte schon immer was Eigenes machen.“ Das ist nun geglückt.

Das Hobby, das ist das Radfahren. Schürenberg, der in Schondorf aufgewachsen ist, hat vor fünf Jahren das AS Cycling Team mitgegründet und gehört heute dem Vorstand an: „Das ging los mit acht Leuten, die gerne um den Ammersee gefahren sind. Mittlerweile haben sich da 150 Leute zusammengefunden. Wenn man hier Radler in Peleton-Stärke fahren sieht, dann sind das meistens wir.“ Viele von ihnen haben natürlich schon im neuen Lokal ihres Vereinskollegen vorbeigeschaut, um bei einem Cappuccino über ihre Touren zu fachsimpeln. Der Radlertreff am Ammersee hat sich seit der Eröffnung im vergangenen September in der Sportlerszene herumgesprochen; die Gäste kommen auch aus Augsburg und München, um dort einen Stopp einzulegen. Die „Kehre 23“ ist in einschlägigen Foren beim Tourenplaner „Komoot“ oder auf Facebook zu finden.
Schürenberg selbst ist gerne bei Rennen dabei, beim Klassiker Eschborn-Frankfurt im Mai etwa, dem größten Radsport-Ereignis in Deutschland. Anfang April will er wieder beim Schwarzbräu-Preis in Zusmarshausen mitfahren, und auch bei einer Weltmeisterschaft der Amateure in Dänemark und Schottland ist er schon gestartet. Heuer wird die in Australien ausgetragen; da ist ihm die Anreise dann doch zu weit und zu teuer. Seine sportlichen Ambitionen beschreibt er bescheiden so: „Es macht mir einfach Spaß, da mitzufahren, aber vorn dabei bin ich selten.“

Bei seinem Angebot achtet der Wirt sehr auf Regionalität; das geht bis ins Detail. Semmeln, Brot und andere Backwaren liefert die Biobäckerei Cumpanum von André Heuck aus Bobingen bei Augsburg. Das Eis in einer Kühltruhe und draußen im gekühlten Selbstbedienungsautomat kommt von der Pollinger Eismanufaktur, und die Forellen für die Fischsemmeln kommen direkt vom Nachbarn. Und zum Teil wird das kleine Lokal als Showroom für Waren aus der Umgebung genutzt. Auf den Fensterbrettern stehen Kerzen- und Lampenständer aus Eichenpfosten aus der Werkstatt für Treibholz-Objekte von Barbara Eberth-Pfaff in Raisting. Die Trikots sind von der Designerin und Radlerin Sandra Paul mit ihrem Label Von Brokk aus Landsberg. Im Regal stehen ein paar Gläser Honig von einem lokalen Imker.
Einen Tourentipp für die Umgebung? Klar: Zum Beispiel direkt vom Café aus zum Hohen Peißenberg, dem „Balkon Oberbayerns“. Von Riederau aus geht es zunächst nach Raisting und zur Erdfunkstelle mit den markanten Parabolantennen, weiter an Weilheim vorbei und durch Oderding bis Peißenberg. Hinunter nach Forst und am Zellsee vorbei geht es über Rott und Dettenschwang und weiter über Utting wieder an den Ammersee. Die gesamte Runde ist im Routenplaner "Komoot" zu finden.
Das Radlcafé in Riederau ist geöffnet von Mittwoch bis Samstag jeweils von 9 bis 18 Uhr, am Sonntag von 9 bis 11 Uhr gibt es frische Semmeln. Mittagstisch gibt es Donnerstag, Freitag und Samstag.