Süddeutsche Zeitung

Prozess:Landesanwaltschaft will härtere Strafe für Starnbergs Bürgermeisterin

Das Disziplinarverfahren gegen Eva John geht in Berufung. Die Kläger halten die Geldstrafe von 10.000 Euro vor dem Verwaltungsgericht für zu milde.

Von David Costanzo und Peter Haacke

Bürgermeisterin Eva John muss sich weiter vor Gericht verantworten. Die Landesanwaltschaft hat gegen das Urteil im Disziplinarprozess Berufung eingelegt. Das Verwaltungsgericht München hatte die Rathauschefin im Juli in sechs von elf Anklagepunkten verurteilt und ihr die Dienstbezüge für ein Jahr um zehn Prozent gekürzt - das dürfte einer Strafe von 10 000 Euro entsprechen. Das Urteil hält die Landesanwaltschaft jedoch "angesichts der Schwere des Dienstvergehens nicht für angemessen", teilte Oberlandesanwalt Robert Kirchmaier mit. Die Kläger hatten die Kürzung für vier Jahre gefordert. Wann das Berufungsverfahren am Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (VGH) in München neu aufgerollt wird, ist bislang nicht bekannt. Eine Ausweitung auf weitere Vorwürfe, die sich seit August 2018 ergeben haben, ist vor dem VGH nicht möglich. Die Bürgermeisterin hat sich bislang nicht dazu geäußert.

Drei Stunden war es in der ersten Instanz am Verwaltungsgericht hin und her gegangen - zwischen der Landesanwaltschaft, die den Freistaat vertritt und der Bürgermeisterin massive Verstöße gegen die Gemeindeordnung vorwarf; Johns Anwälten, die sie als politisches Opfer der Mehrheit im Stadtrat darstellten; und der Bürgermeisterin selbst, die alle Vorwürfe von sich wies. Unter den etwa 50 Zuhörern waren Gegner wie Unterstützer Johns. Die Vertreter von Klage und Beklagter herrschten sich gegenseitig an. "Genau so gut können wir auch übers Wetter reden", blaffte Oberlandesanwalt Robert Kirchmaier, als die Anwälte der Bürgermeisterin nicht zum Punkt kamen. "Man kann eine Verwaltung auch plattmachen", verteidigte Josef Geislinger dagegen Johns Rathausmitarbeiter. In einem tränenerstickten Schlusswort stilisierte sich John noch als frei von jeder Absicht. Die Richter gaben mit ihrem Urteil der Bürgermeisterin jedoch einen großen Teil der Verantwortung für das Klima im Rathaus.

Vor allem beim Thema Bahnverträge hätte John die Stadträte besser einbinden, schneller handeln und umfassender informieren müssen, urteilten die Richter. Sie habe die Fraktionen nicht an den Gesprächen mit der Bahn beteiligt und dem Konzern den Willen der Mehrheit - nämlich die Verträge verlängern zu wollen - zu spät kundgetan, stellte das Gericht fest. Die Bahnverträge über eine Gleisverlegung am See gelten als das wichtigste Thema Starnbergs. Bei dem 150-Millionen-Euro-Projekt geht es um das Gesicht der Stadt im Zentrum und am Seeufer. Der Stadtrat hatte ein Rechtsgutachten über die komplizierten Haftungsfragen beschlossen. Doch John benötigte neun Monate, um es in Auftrag zu geben. Fünf Monate vergingen, bis es dem Gremium vorgestellt wurde, und noch einmal zwei Monate, bis die Stadträte selbst darin blättern durften.

Auch in anderen Fragen hatte sich die Bürgermeisterin dem Urteil der ersten Instanz zufolge Dienstvergehen schuldig gemacht. Der Stadtrat wollte Teile des Einkaufszentrums "Centrum" in der Nähe des Rathauses kaufen. Doch John beanstandete den in ihren Augen rechtswidrigen Beschluss erst, als das "Centrum" längst verkauft war. Und gegen ihre Pflicht zur unparteilichen Amtsführung hatte sie laut Gericht verstoßen, als sie in einer Replik auf einen SZ-Artikel, die zeitweise auf der Internetseite der Stadt zu finden war, Stadtratsmitgliedern und der Rechtsaufsicht rechtswidriges Handeln vorgeworfen hatte. Insgesamt bewertete das Verwaltungsgericht die Dienstvergehen als "mittelschwer". Von geringeren Vorwürfen sprachen die Richter sie frei.

Bis zur Berufung vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof kann es Monate dauern. Damit könnte sich das Verfahren durch die Hochphase des Wahlkampfs und den Abstimmungstermin ziehen. Am 15. März 2020 stehen die Kommunalwahlen an. John hat angekündigt, erneut anzutreten. Stadträte hatten sie bereits nach der ersten Verurteilung zum Rücktritt aufgefordert.

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Quelle:
SZ vom 10.10.2019
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