Süddeutsche Zeitung

Kaffeekultur:Wie aus alten Harley-Teilen eine Espressomaschine entsteht

In einer Werkstatt am Starnberger See baut Manfred Buchner unverwüstliche Haushaltsgeräte aus alten "Knucklehead"-Motoren. Ihr Preis hat es in sich und verkauft hat er bisher noch kein Exemplar.

Von Peter Haacke, Pöcking

Kaffee ist Kult. Vor allem dann, wenn er in seiner italienischen Variante als Espresso serviert wird. Doch entscheidend für den Genuss ist die Zubereitung. Ob Espresso, Caffè Macchiato, Cappuccino oder Caffè Latte: Heißes Wasser muss unter Druck durch ein feines Sieb mit erlesenem Kaffeepulver gepresst werden. Am besten gelingt das mit einer Maschine, die es in großer Designvielfalt in unterschiedlichsten Preislagen zu kaufen gibt. Doch so schön die Geräte auch aussehen - eine Schwachstelle haben sie immer, irgendein Bauteil ist fehleranfällig. Das ist jedenfalls die Erfahrung von Manfred Buchner aus Possenhofen, der die "Da Vincie Motormaschine" ersonnen hat. Augenfälligste Bestandteile seines ultimativen Geräts sind ein Harley-Davidson-Motor und ein Bike-Scheinwerfer.

"Ein echter Espresso widerlegt das Vorurteil, Genuss hätte etwas mit Länge zu tun", ersannen einst clevere Marketing-Strategen als Werbeslogan im Auftrag einer Firma, die den Kaffee liefert. Für Buchner beginnt der Genuss jedoch bereits bei der Zubereitung. Oder vielmehr bei der Espressomaschine. "Wir haben aus einem Harley-Motor eine Espressomaschine der Profi-Liga gebaut", verkündet Buchner selbstbewusst auf seiner Homepage. Ausgestattet mit selbst entwickelten Komponenten "und dem Besten, was der Markt zu bieten hat", treffe "kompromisslos die beste Technik auf einzigartiges Design". Motorrad-Freunde dürften jedenfalls ihre helle Freude an dem 45 Kilogramm schweren Gerät mit dem charakteristischen V2-Motor haben, den die amerikanische Harley-Davidson-Motor-Company von 1936 bis 1948 verbaute. Enthusiasten gilt die Knucklehead noch heute als "die" klassische Harley schlechthin.

Doch im Zwischenraum der mächtigen Zylinderblöcke, wo sonst Benzin und Luft im Vergaser zu einem explosiven Gemisch aufbereitet werden, stechen bei Buchners Maschine verchromte Armaturen, die Brühgruppe und das Druckmanometer ins Auge. Martialisch sieht sie aus, die "Motormaschine": Vorne am Gehäuse leuchtet ein Motorrad-Scheinwerfer, hinten gibt ein Schauglas den Blick auf den Druckkesselbehälter und die Technik des Zweikreis-Systems frei. Ein Kreislauf ist für Heißwasser zuständig, einer für heißen Dampf. "Es funktioniert und es ist gut", sagt Buchner. "Aber es ist noch nicht fertig: Es gefällt mir nicht."

Den Hang zur Perfektion zeichnet den Bastler und Tüftler seit jeher aus. Früher fertigte der bekennende Biker, Jahrgang 1964, in seiner kleinen Werkstatt Custom-Bikes. Als erstes baute er sich selbst "seine" Harley auf, es folgten Kundenaufträge. Aus gewöhnlichen Maschinen entstanden dabei handgemachte Kunstwerke, die in der überschaubaren Motorrad-Szene für individuelle Umbauten Widerhall fanden. 2005 ersann er etwa ein Luftfiltergehäuse mit Bullauge, "das gab's bis dahin nicht". Und auch Öltanks mit Blick aufs Innenleben entstanden in Possenhofen - ebenso wie handgemachte Sättel und Taschen. Doch die Zeiten sind vorbei, weiß Buchner. Viele Hersteller bieten ihren Kunden mittlerweile so viel Zubehör als Sonderausstattung an, dass sich jeder Käufer quasi schon von der Stange sein individuelles Moped zusammenbasteln lassen kann.

Jetzt also Espressomaschinen. Auf die Idee kam Buchner gemeinsam mit seinem Freund Chris, der immer fluchte beim Reparieren von Kaffeeautomaten, die ihren Geist aufgegeben hatten. "Wenn's dich so nervt, dann bauen wir doch 'ne eigene", beschloss Buchner, der auf profunde Erfahrung als Gas- und Wasserinstallateur aufbauen konnte. "Die Hersteller verbauen an irgendeiner Stelle Mist", weiß Buchner, der es technisch-funktional besser machen will als bei den schönen Design-Objekten, die es sonst so zu kaufen gibt. Zum Einsatz kommen ausschließlich hochwertige Teile, die er zur Not auch selbst herstellt.

Etwa 50 000 Euro habe die Entwicklung der drei Prototypen gekostet, die laut Buchner derzeit "geschunden werden", bislang aber keine Schwachstellen offenbarten. Allerdings sei der nur zwei Liter fassende Wasserkessel zu klein. Und auch der Unterbau unter der Brühgruppe gefällt dem fünffachen Familienvater noch nicht: Ihm schwebt für unterschiedlich hohe Tassen und Gläser ein schwenkbarer Arm vor. "Das muss schon perfekt sein, das Ding", sagt Buchner, zumal die "Motormaschine" zwei Jahre Garantie haben soll.

Verkauft hat Buchner bislang noch keine einzige seiner rustikalen Espressomaschinen, obwohl es bereits 20 oder 30 Vorbestellungen gibt. Wahlweise in Matt oder Chrom sollen die exklusiven Teile in den Ausstattungsvarianten "Basic", "Classic" oder "Classic Licht" zwischen 8990 und 10990 Euro kosten; die Top-Version "Chrom Classic Licht PID" gibt's mit Wahlschaltern für unterschiedliche Getränke. Ob es dabei bleibt, ist fraglich. Denn einem Milliardär etwa, der eine sündhaft teure Yacht im Hafen von Mallorca besitzt, wäre das wohl zu billig. Frühestens vom Spätherbst an soll die "Espresso-Motormaschine" aber zu haben sein. Wer denn noch eine Harley Davidson mit Knucklehead-Motor besitzt, wäre zumindest im Hinblick auf einen defekten Zylinderblock gewappnet: "Den Motor könnte man zurückbauen", sagte Buchner. "Wenn man das will."

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SZ vom 07.10.2019
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