Zweieinhalb Jahre lang musste Anahid Klotz um ihr Lebenswerk bangen. Gemeinsam mit ihrem Mann Gerhard Gregori hatte sich die heute 56-Jährige mit der Asinella-Eselfarm oberhalb von Pähl eine Existenz aufgebaut, indem sie die Tiere pädagogisch, therapeutisch, bei Filmdrehs und zur Freizeitgestaltung einsetzt. 15 Jahre lang nahm keiner daran Anstoß, doch dann geriet sie nach einer Anzeige durch Pähls Bürgermeister Werner Grünbauer ins Visier der Baubehörde am Landratsamt Weilheim-Schongau: Am 20. März 2020 wurde sie unter Androhung von Bußgeld und kostenpflichtiger Beseitigung aufgefordert, binnen zwei Monaten Stallungen, Gerätehütten und das kleine Wohngebäude im alpinen Stil abzureißen. Dieses Damoklesschwert ist nun vorerst wieder ins amtliche Arsenal zurückgepackt worden: Mit einem jüngst unterzeichneten Duldungsvertrag dürfen Klotz und Gregori ihre Landwirtschaft lebenslang weiterführen, wenn sie einen Teil der Gebäude abreißen und einige Auflagen erfüllen.
Peter Maffay und Thomas Goppel schalteten sich ein
Vorangegangen war ein behördliches, juristisches und politisches Tauziehen, das weit über das Fünfseenland hinaus Schlagzeilen lieferte: In einer Online-Petition fanden sich 7263 Unterstützer für Asinella, Peter Maffays Tabaluga-Stiftung hob die Bedeutung der eselgestützten Therapie für traumatisierte Kinder hervor. Die Gautinger Grünen-Landtagsabgeordnete Anne Franke setzte sich im Petitionsausschuss für die Farm ein, Ex-CSU-General Thomas Goppel wirkte als Mediator. Auf Verwaltungsebene standen sich zwei widersprüchliche Rechtsauffassungen gegenüber. Das Weilheimer Amt für Landwirtschaft sah in der Eselfarm einen privilegierten bäuerlichen Betrieb, der im Außenbereich baurechtlich zulässig wäre. In einem Gutachten befand die Fachbehörde, mit dem Verkauf von Honig, Eiern, Fellen, Heu und Fleisch werde auch Primärproduktion betrieben, selbst wenn inzwischen die Therapie- und Freizeitangebote mit Tieren als Haupteinnahmequelle dienten. Die Baubehörde am Landratsamt wertete Asinella jedoch vor allem als Dienstleistungs- und Gewerbebetrieb, der kleine, seit Kriegsende bestehende Hof sei daher ein Schwarzbau. Klotz und Gregori hatten versäumt, eine Privilegierung zu beantragen, weil auf dem Gelände seit Kriegsende immer Landwirtschaft betrieben worden war. 1999 hatte Gregori die Anlage mit Schafen, Pferden, Ziegen, Geflügel und Bienenvölkern vom Vater übernommen, der den Hof 1980 erworben hatte.
In der komplizierten rechtlichen Auseinandersetzung behielt dennoch die Baubehörde die Oberhand: Sie muss das Gutachten das Landwirtschaftsamtes zwar beachten, aber nicht befolgen. Dies wurde in zwei Gerichtsverfahren und vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs bestätigt. Die Abrissverfügung bleibt daher grundsätzlich bestehen, doch sie wird mit dem Duldungsvertrag so lange ausgesetzt, wie Klotz und Gregori ihre soziale Landwirtschaft weiterführen. Natürlich seien sie nach jahrelanger Ungewissheit und psychischer Belastung nun erleichtert, "aber wir müssen nach wie vor Angst haben", sagt Klotz. Bei einem Verstoß gegen die verhängten Auflagen und Einschränkungen könne die Duldung widerrufen werden. So dürfe man die tägliche Betriebszeit von 8 bis 19 Uhr nicht überschreiten und pro Jahr sind nur fünf Abendwanderungen mit Eseln nach Anmeldung beim Jagdpächter gestattet. Im Sommer sind ausnahmsweise vier Veranstaltungen nach Anzeige bei der Bauaufsicht bis 20 Uhr zulässig. Das 1950 vom Gemeinderat genehmigte Häuschen im alpenländischen Stil kann nicht mehr bewohnt, sondern allenfalls als Schutzhütte genutzt werden. Außerdem müssen eine Arbeitshütte und ein historischer Baumstadel, der als Lager dient, bis zum März beseitigt werden; die Stallungen für Esel und Schafe dürfen wie die Mistlege erhalten bleiben.
"Wir wollen erst einmal durchschnaufen und überlegen, wie es weitergehen kann, außerdem ist noch viel Papierkram zu erledigen", sagt Anahid Klotz, so müssten etwa noch ausstehende Klagen zurückgezogen werden. Die Auseinandersetzung habe sie psychisch und physisch erschöpft: "Wir haben fast eineinhalb Jahre im Zelt geschlafen." Nun sind sie und Gregori wieder ins Wohnhaus im Ort zurückgezogen, das zeitweise an ukrainische Flüchtlinge vermietet worden war. Außer Nerven habe sie das Verfahren um die Beseitigungsanordnung fast 100 000 Euro gekostet, vor allem Anwalts-, Gutachter- und Gerichtskosten. Da fallen ein auf Anraten im Petitionsausschuss gestellter, aber völlig nutzloser Bauantrag und ein ans Landratsamt zu zahlendes Zwangsgeld von 2000 Euro, das laut Landratsamt "Beugewirkung" bezwecken soll, kaum ins Gewicht.
Immerhin kann Klotz aber auch über erfreuliche Entwicklungen berichten. Ihre Eselherde ist wieder auf zwölf Tiere angewachsen: Mit der Zuchtstute "Fandina" und ihrem Fohlen "Fernanda" sind zwei andalusische Großesel dazugekommen. Außerdem sei Asinella heuer als Biobetrieb anerkannt worden, seit kurzem ist die Farm vom Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten als Erlebnisbauernhof für Schulprojekte zertifiziert. Erlebnisbauernhof trifft auch im wörtlichen Sinne zu: Neben den Eseln leben Bienen, Hühner, drei Großpudel sowie 25 Schafe zwei Ziegen und neun Rinder der gefährdeten Rasse Murnau- Werdenfelser dort. Während die Weidetiere vor allem zur Fleischproduktion dienen, werden Esel und Hunde zur Zucht und in der tiergestützten Intervention eingesetzt: Klotz besucht mit ihnen kranke und alte Menschen, sie tragen zur Therapie von verwaisten Eltern, traumatisierten Frauen und Kindern bei. Außerdem begleiten sie Wanderungen und bereichern Geburtstagspartys und Ferienprogramme. Wenn Klotz und Gregori ihre Arbeit einmal aufgeben müssen, bedeutet das auch das Ende von Asinella und allen Projekten - was viele Freunde und Klienten der Eselfarm bedauern werden. Auch wenn das Paar kinderlos geblieben ist, hätte es eine Reihe von potenziellen Hofnachfolgern gegeben, sagt Klotz.