Möbelbörse in Andechs:Zum Wegwerfen zu schade

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Karl Strauß prüft einen Teller, der auf einem Haufen Geschirr in Möbelbörse in Andechs steht. Seit 20 Jahren betreibt der die Börse gemeinsam mit seiner Ehefrau Marianne. (Foto: Arlet Ulfers)

Karl Strauß und seine Frau Marianne organisieren seit 20 Jahren die Möbelbörse in Andechs. Am kommenden Samstag feiert das Erfolgsmodell runden Geburtstag.

Von Ute Pröttel, Andechs

Drei Zigarren liegen dekorativ nebeneinander in dem schon etwas angestaubten Karton. Eine durchsichtige Plastikmanschette schützt die dicken Glimmstengel, lässt sich aber ganz einfach herunter schieben. Ungewöhnliche Verpackung für Opas Genussmittel. Erst beim zweiten Blick wird klar, dass es sich nicht um echte Zigarren handeln kann. Auch Karl Strauß rätselt was es nun mit dieser Packung auf sich hat. Eine Banderole aus Papier hält die gerollten Teile zusammen. Vielleicht Servietten? Um das Geheimnis zu lüften, müsste er eine der Zigarren öffnen. Aber dann könnte Strauß die Packung nicht mehr verkaufen. Karl Strauß und seine Frau Marianne betreiben mit drei weiteren ehrenamtlichen Helfern die Möbelbörse in Andechs. Am kommenden Samstag laden sie ein zum 20-jährigen Bestehen.

"Es wird nichts weggeschmissen, jedes noch so skurrile Teil findet irgendwann einen neuen Besitzer", erzählt Marianne Strauß, die in den zwanzig Jahren schon so manches Teil in Händen hielt, das sie nicht kannte. "Gelegentlich kommen die schrägsten Haushaltsgeräte bei uns an. Aber es ist immer wieder erstaunlich, was alles geht." Gegen ein geringes Entgelt verkauft die Möbelbörse ausrangierte Kleinmöbel, Lampen, Geschirr, Bücher, Spielzeug und auch Fernseher und Computer. Die Preise machen die Helfer erst an der Kasse. Gutbetuchte zahlen ein bisserl mehr, junge Leute, die sich ihre erste Wohnungsausstattung zusammensuchen etwas weniger.

Das Ehepaar Strauß hat für seine Kunden in den gegangenen zwanzig Jahren ein gutes Auge entwickelt. Händler kennen sie ebenso wie treue Stammkunden, die regelmäßig vorbeischauen und oft genug fündig werden. Regelmäßig schickt auch das Landratsamt Sozialhilfeempfänger oder Flüchtlinge vorbei, die sich auf Gutschein mit Hausrat versorgen. Die Einnahmen werden auf einem bei der Gemeinde Andechs geführten Konto eingezahlt und ausschließlich für die Bedürfnisse von Andechser Bürgern ausgegeben. Etwas mehr als 105 000 Euro sind so in den vergagenen zwanzig Jahren zusammengekommen.

Während anfangs vor allen Dingen kinderreiche Familien oder alleinstehende Mütter unterstützt wurden, kommt das Geld heute oft älteren Menschen zu Gute. "Wir finanzieren zum Beispiel Brillen oder Zahnersatz", erklärt Karl Strauß. Meist bestehen die Begünstigten aber darauf, das Geld in kleine Raten wieder zurückzuzahlen. Die Beträge werden zinslos ausgegeben und in der Regel bis auf den letzten Euro zurückgezahlt. Aber es wurden auch Zuschüsse für die Kindergärten in der Gemeinde und die Bücherei gewährt.

Ein Notfall war überhaupt der Auslöser für die Gründung der Möbelbörse. Eine alleinstehende Mutter mit zwei kleinen Kindern hatte nach einem Wohnungsbrand ihre gesamte Habe verloren. Die damalige Sozialreferentin der Gemeinde, die SPD-Gemeinderätin Christine Lautenbach nahm dies zum Anlass und gründete mit weiteren Mitstreitern die "Aktion Sonnenblume". Die Gemeinde stellte dazu die leer geräumte Tenne im Rauscherstadl an der Herrschinger Straße zur Verfügung. Die gesamte Aktion war von Anfang an ein voller Erfolg.

Marianne Strauß erinnert sich an unzählige Eichenschrankwände, die den Besitzer wechselten. 2006 zog die Möbelbörse von der Herrschinger Straße in die Scheune des Andechser Bauhofes an die Kientalstraße. "Seitdem haben wir etwas weniger Platz und können nicht mehr alles annehmen", erklärt Karl Strauß. Noch dazu steht zwischen Küchenbuffets, Bücherregalen und Sitzsäcken eine uralte Feuerwehrleiter, die hier eingelagert ist, allerdings nicht zum Verkauf steht. Von November bis Februar bleibt die Möbelbörse geschlossen, dann ist es in der nicht isolierten Scheune einfach zu kalt.

"Im August haben sie uns mal wieder überrannt", erzählt Marianne Strauß begeistert. Gäste vom Camperparkplatz, Touristen per Radl, aber auch Sammler sind unter den Kunden. Oft räumen sie die gelieferten Kisten gar nicht erst aus, sondern ließen die Menschen stöbern, erzählt Strauß weiter. Oder die Leute guckten gleich in den Kofferraum, derjenigen, die etwas vorbeibrächten. Sie freut sich darüber, dass so Dinge, die für den einen wertlos geworden sind wieder in Umlauf gebracht werden.

Was aus der Möbelbörse wird, wenn in Rothenfeld einmal das vom Avista geplante Sozialkaufhaus eröffnet wird, ist unklar. "Dann räumen wir die Scheune leer und sperren zu", meint Karl Strauß. Seine Frau wirft ihm einen zweifelnden Blick zu. "Ob du das kannst?" Am kommenden Samstag lädt die Möbelbörse zum 20-jährigen Bestehen. Alle Objekte werden dann gegen eine Spende abgegeben. Es gibt Kaffee und Kuchen auf Möbelbörsen Geschirr.

© SZ vom 26.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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