Erling:Zirkeltraining mit Text

Andechs, Literarischer Herbst 2017

Schräge Sache: Peter Weiß macht es sich bei seiner Lesung in der Erlinger Turnhalle in der Sprossenwand bequem.

(Foto: Georgine Treybal)

Der Literarische Herbst beginnt mit einer schweißtreibenden Performance in der Erlinger Turnhalle. Elisabeth Carr, Gerd Holzheimer und Peter Weiß graben dafür auch merkwürdige Radfahrprosa aus

Von Ute Pröttel, Erling

Eine Sportskanone sei er noch nie gewesen, der erzählt Schriftsteller Gerd Holzheimer. Oh nein! Vielmehr habe er sich während des Turnunterrichts lieber im Kasten versteckt und von dort drinnen den animalischen Geräuschen seiner Mitschüler gelauscht. Der eine lief brachial trampelnd an, sprang dann unter lautem Stöhnen mit einem brutalen Satz auf das Sportgerät, um sogleich auch wieder einen Abgang zu machen. Der andere tänzelte leichtfüßig.

Aus dieser Perspektive wird kaum einer der Zuhörer in der alten Erlinger Turnhalle den Sportunterricht je verfolgt haben, ihre Neigung dürfte immer schon eher die schöngeistige à la Gerd Holzheimer denn die sportliche gewesen sein.

Sport und Literatur zusammenzubringen, das hatten sich die Kulturmanagerin Elisabeth Carr und der Autor Gerd Holzheimer für diesen Nachmittag vorgenommen. Der Auftakt zum Literarischen Herbst fand diesmal in der alten Erlinger Turnhalle statt. Sie stammt noch aus den Fünfzigerjahren und ist ein beinahe schon niedlicher Raum angesichts der topmodernen Sportarenen, in denen heute der Sportunterricht vonstatten geht.

"Wir wollen, dass Sie in Bewegung bleiben", begrüßte Veranstalterin Elisabeth Carr ihre Zuhörer. Sie hatte sich in ein Sportdress mit drei Streifen gewandet und frech eine Baseballkappe auf die dunklen Locken gesetzt.

Literatur in ungewöhnlichem Rahmen zu präsentieren, ist die erklärte Intention der Veranstaltungsreihe. "Lesungen sollen in den Buchhandlungen bleiben", erklärt Holzheimer. Beim Literarischen Herbst wird rezitiert, gespielt und inszeniert. Einer, der das besonders gut beherrscht, ist der Schauspieler und Sprecher Peter Weiss.

Zu dritt präsentierten Holzheimer, Carr und Weiss Texte von Ringelnatz und Horváth, ließen Liesl Karlstadt und Erika Mann zu Wort kommen und zitierten aus der historischen Wochenschrift "Jugend" Jg. 1896 zum Thema radfahrende Frauen: "Haben Sie jemals etwas Abstoßenderes, etwas Hässlicheres, etwas Gemeineres gesehen, als eine mit rotem Gesicht, vom Staube entzündeten Augen und keuchenden Lungen auf dem Zweirade rasende Frau?! Ich nicht! . . . Pfui Teufel! mit Respekt zu sagen. Ist an solch einer Radfurie auch noch eine Linie schön? Das Radfahren macht unsere Frauen dürr und eckig, unweiblich außen und innen. . .Herunter vom Rade, weibliches Geschlecht, oder Du hast das Recht verwirkt, das Schöne zu heißen!" Dass Radfahren durchaus gesundheitsfördernd sein kann, schreibt zu Beginn des 20. Jahrhunderts indes Anna Fischer-Dückelmann in ihrem mehr als 1000 Seiten umfassenden Nachschlagewerk "Die Frau als Hausärztin". Vielleicht nicht wirklich Literatur, aber ein Bestseller mit Millionenauflage. Auch einen Bericht von einer Radtour durch Nordafrika von keinem geringen als dem bayerischen Urgestein Ludwig Thoma haben die Veranstalter ausgegraben.

Gerd Holzheimer hat sich an diesem Nachmittag übrigens wieder in das Innere eines Sportkastens verzogen, ganz wie früher. Ausgestattet mit isotonischem Getränk (Bier) und Faninsignien des einzig wahren Münchner Fußballvereins verteilte er die literarischen Bälle.

Sechs weitere Termine sind in diesem Herbst noch geplant. Am kommenden Sonntag, 24. September, stehen Briefe und autobiographische Texte die beiden Maler-Frauen Maria Marc und Charlotte Berend-Corinth im Mittelpunkt. Veranstaltungsort ist der Meierhof des Klosters Benediktbeuern. "Bei aller Liebe" beginnt um 11 Uhr.

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