Der Protest gegen die geplanten Probebohrungen nach Erdgas oberhalb des Lechs hat nun endgültig auch den Ammersee erreicht und lässt sich auch von schlechtem Wetter nicht aufhalten. Eine dreistellige Zahl von Menschen trotzt in Dießens Seeanlagen am Samstagnachmittag dem heftigen Dauerregen. Zwischen Reden, Gastworten und Folkmusic der Gruppe Tree ertönt immer wieder der Kampfruf „Koa Gas, koa Gas, koa Gas“. Greenpeace Bayern, der Bund Naturschutz und die Bürgerinitiative Reichling Ludenhausen haben zum Protestfest geladen und angesichts der äußeren Bedingungen beachtliche Resonanz gefunden: 100 bis 150 Teilnehmer – je nachdem, ob man der Polizei oder den Veranstaltern Glauben schenkt – haben sich nahe des Dampferstegs um ein großes gelbes X und einige Stände versammelt.
Das Andreaskreuz in Warnfarbe sei das Symbol des Widerstands gegen die umwelt- und klimazerstörende Ausbeutung fossiler Energiequellen, erklärt Chris Baier. Der hauptberufliche Dozent ist einer der Initiatoren des Klimacamps Augsburg, das nunmehr seit sechs Wochen sein Lager nahe des Bohrplatzes bei Reichling bezogen hat. Zwischen zwei und acht Aktivisten übernachten dort jede Nacht in einer Scheune. Sie wachen auch über die verbliebenen Bäume, die Greenpeace an der Bohrstelle gepflanzt hat, und von den zwei hinterrücks einem Attentat zum Opfer fielen – was bundesweit für Aufsehen sorgte.
Unter einem Partyzelt und auf einem Kunststoffplakat, das von den „Highlights“ eines längst vergangenen „Weiberfaschings“ kündet, montiert Baier Latten zu Andreaskreuzen, die anschließend gelb angestrichen werden. Das gleiche Motiv findet sich in Form von Keksen am Stand der Bürgerinitiative wieder. Beim Bund Naturschutz kann man Buttons pressen, die Weilheimer Greenpeace-Gruppe hat ein „Koa-Gas-Quiz“ aufgebaut. Und wie den Vertretern von „Friday For Future“ gelingt es auch den fünf Aktivistinnen der Klimalobby Dießen, die Teilnehmer mit Tee und Kuchen, Informationen und Diskussionen bei Laune halten.
Als Landrat Thomas Eichinger (CSU) mehr als zwei Stunden nach Beginn der Kundgebung sein Grußwort spricht, findet er es „großartig, dass so viele trotz des Regens durchgehalten haben“. Auch er bezieht eindeutig Position gegen die geplante Förderung von Erdgas – während der Landkreis Landsberg schon seit Jahren CO2-Neutralität anstrebe und dort Lech, Solaranlagen und Windkraft als nachhaltige Energiequellen zur Verfügung stünden. Eichinger hat gegen das Vorhaben bei Reichling einen kritischen Brief an Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) geschrieben. Der Schondorfer will sich weiter dafür einsetzen, dass „auch im Land und im Bund die Stimme gehört wird, die wir hier gegen diese Art der Energiegewinnung von gestern erheben“.
Zum Abschluss des Fests in den Seeanlagen zieht Saskia Reinbeck, Energie-Expertin von Greenpeace Bayern, eine positive Zwischenbilanz des Widerstands gegen die beabsichtigten Gasbohrungen. Angesichts des deutschlandweiten Medienechos dürfe man „auch ein bisschen Erfolg feiern: Unser Protest wirkt.“ Offenbar aber nicht bei den Betreibern der Förderanlage: Die hätten in der vergangenen Woche einen Zaun an der Reichlinger Bohrstelle errichtet.