Süddeutsche Zeitung

Eos-Erweiterung in Krailling:Forschung auf Kosten der Natur

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Durch den geplanten Neubau auf dem Pioniergelände werden Biotope zerstört. Bedrohte Schmetterlinge und Eidechsen müssen umgesiedelt werden.

Von Carolin Fries, Krailling

Es ist das bedeutendste und neben der Neugestaltung der Ortsmitte umstrittenste Bauprojekt in Krailling: Die Firma Eos will im Gewerbegebiet Kim ein 134 Meter langes, 60 Meter breites und 18,50 Meter hohes Gebäude errichten. 750 neue Mitarbeiter sollen hier bis 2023 für den Weltmarktführer in der industriellen 3D-Drucktechnik arbeiten, den stärksten Gewerbesteuerzahler Kraillings. Vorgesehen ist ein Forschungszentrum im Erdgeschoss, darüber mehrere Stockwerke Büros. Es werden schöne Arbeitsplätze sein, am Rand von Bannwald und Landschaftsschutzgebiet gelegen. Das Unternehmen hat sich für ein Gebäude in Holzbautechnik mit Tiefgarage entschieden. Der Bebauungsplanentwurf, den der Gemeinderat am Dienstag ausgiebig diskutiert hat, zeigt aber auch: In die Natur muss dafür massiv eingegriffen werden. Biotope werden zerstört und vom Aussterben bedrohte Arten verdrängt.

So lebt auf dem ehemaligen Pioniergelände im Kreuzlinger Forst unter anderem die streng geschützte Zauneidechse sowie das Wald-Wiesenvögelchen, ein vom Aussterben bedrohter Schmetterling. "In acht Bundesländern gilt er bereits als ausgestorben, wir sollten und entsprechend bemühen", appellierte Adrienne Akontz (Grüne). Diverse Gutachten hatte die Gemeinde beauftragt, um die Konflikte auszuloten. Auch die Verschattung von Flächen durch das Gebäude und ihre Auswirkungen auf Flora und Fauna wurden untersucht. Das Ergebnis fasste Bürgermeisterin Christine Borst (CSU) mit den Worten zusammen: "Es gibt Konflikte, doch die sind lösbar."

So will die Gemeinde Befreiungen vom Biotop- und Artenschutz erwirken und im Gegenzug gleichwertige Ausgleichsflächen schaffen. Noch hat die Untere Naturschutzbehörde dazu keine verbindlichen Aussagen gemacht, doch im Rathaus rechnet man mit einer Zusage. Die möglichen Ersatzhabitate für Zauneidechse und Wald-Wiesenvögelchen auf dem Pioniergelände sind bereits definiert, insgesamt 11 422 Quadratmeter Ausgleichsflächen umfasst der Bebauungsplanentwurf. Erst wenn hier Bestände des Schmetterlings aus der Familie der Edelfalter festgestellt werden können, darf Eos mit dem Eingriff beginnen. "Es kann also durchaus dauern", so Grünen-Gemeinderätin Akontz. Der Bund Naturschutz sprach sich "entschieden gegen die Planungen" aus. Scheibchenweise würde das Pioniergelände in ein Gewerbegebiet umgewandelt.

Erklärtes Ziel der Verwaltung ist es, den Bebauungsplan möglichst rasch auf den Weg zu bringen. Der Antrag von Dietlind Freyer-Zacherl (FBK), die Planung sowie die bereist eingegangenen Einwendungen in einer Sondersitzung ausführlich zu diskutieren, fand im Gremium keine Mehrheit. Strittig waren letztlich nicht nur Details, ob auch Dachaufbauten in der Verschattungsstudie berücksichtigt wurden und wo genau zusätzliche Stellplätze auf dem Gelände festgesetzt werden. Insbesondere der Grünen-Fraktion ging es um Grundsätzliches: Gibt es womöglich einen geeigneteren Standort? Aktuell läuft eine Machbarkeitsstudie, die Klarheit darüber bringen soll, ob im Kreuzlinger Forst weitere Flächen gewerblich genutzt werden können. Das Ergebnis wird in den kommenden Wochen erwartet. Mit der Eos-Erweiterung nämlich ist die Grenze des Möglichen nach dem geltenden Flächennutzungsplan in der Kim erreicht.

Kontrovers diskutiert wurde auch darüber, wo die 750 neuen Eos-Mitarbeiter wohnen sollen und mit welchen Auswirkungen auf den Verkehr zu rechnen ist. Hella Langer, Ehefrau von Eos-Gründer Hans Langer, sagte am Dienstagabend: "Die Hälfte der Belegschaft fährt aktuell weniger als 25 Kilometer zur Arbeit." Etwa 900 Mitarbeiter beschäftige Eos derzeit. "Durch Krailling fährt so gut wie keiner", sagte Langer. Die Gemeinde Planegg hatte Auswirkungen auf den bereits ausgelasteten Autobahnzubringer angemahnt.

Mit 14 zu sieben Stimmen hat der Gemeinderat der Planung schließlich zugestimmt, die nun ins öffentliche Auslegungsverfahren geht.

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Quelle:
SZ vom 30.11.2017
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