Süddeutsche Zeitung

Enthüllt:Ein Symbol der Schöpfung

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Trotz anfänglicher Skepsis erliegen die Bürger dem Charme ihres neuen Wahrzeichens recht schnell

Von Katja Sebald, Dießen

Was lange währt, wird endlich gut. Und am Wochenende wurde es dann auch gut: Während vielerorts der 500. Geburtstag des Reinheitsgebots gefeiert wurde, waren die Dießener tagelang mit ihrem "Mann mit dem goldenen Fisch" beschäftigt, der mit einem Pferdefuhrwerk zum neu gestalteten Untermüllerplatz in der Fischerei gefahren und auf seinen recht hohen Sockel gehievt worden war. Und am Samstagnachmittag konnte man dann bei fast schönem Wetter die Enthüllung des von Matthias Rodach geschaffenen Kunstwerks feiern.

"Es ist ein besonderer Tag für Dießen", sagte Bürgermeister Herbert Kirsch, der sich zusammen mit dem Künstler auf einer Hebebühne in luftige Höhen hinauffahren ließ, um die Verhüllung der Figur zu entfernen. Damit nach zwei Jahren Planungszeit, aufwendigen Vorarbeiten und bereits laut gewordener Kritik ganz zum Schluss wirklich nichts mehr schief geht, hatte man nicht nur schweres Gerät aufgefahren, sondern auch gleich noch den Kunsthistoriker Thomas Raff mit einer "Verteidigungsrede" für das Kunstwerk beauftragt. Zu hoch aufragend fanden die einen die Bronzefigur, die auf einem 5,60 Meter hohen Eichenpfahl steht. Zu konservativ, meinten die anderen. Es sei jedoch eine nahezu einmütige Entscheidung für Matthias Rodach gewesen, betonte Raff deshalb. Er selbst hatte der Fachjury für den eingeschränkten "Kunst am Bau"-Wettbewerb angehört, aus dem der "Mann mit dem goldenen Fisch" als Siegerentwurf hervorging und sich gegen so prominente Mitbewerber wie den Holzbildhauer Josef Lang aus Denklingen durchsetzte.

Bereits in den eingereichten Entwurfsskizzen hatte Rodach verdeutlicht, wie die Figur sich aus verschiedenen Blickwinkeln im Stadtbild ausmachen würde. Ihre Wirkung ist auch dann nicht beeinträchtigt, wenn der belebte Platz mit Autos zugestellt ist. Das sei ein entscheidendes Kriterium gewesen, sagte Raff. Aber auch sonst hatte der Künstler nichts dem Zufall überlassen: Die Figur ist auf das Ortszentrum ausgerichtet und trägt symbolisch den Wohlstand in Form eines reichen Fangs aus dem See herbei. Ein historisches Foto von einem Fischer, der einen Karpfen fast liebevoll im Arm hält, diente Rodach als Vorbild. Er fand es im Archiv von Paul Gastl. "Aus Liebe zum Leben", steht denn auch auf dem Sockel der Figur: Sie symbolisiert "den Menschen, der die Schöpfung auf Händen trägt", erläutert Rodach. Auch für den Eichenpfahl gab es ein Vorbild: Auf 104 solcher Pfosten, die als Fundament in den Boden gerammt wurden, steht der Dießener Bahnhof. Eichenpfähle, wie man sie vor allem aus Venedig kennt, wurden auch in Dießen früher verwendet, um die Häuser in Ufernähe zu sichern.

Die Figur selbst ist überlebensgroß und steht genau am Schnittpunkt aller Sichtachsen auf dem Untermüllerplatz. Da die umliegenden Häuser relativ niedrig sind, trägt der recht naturalistisch dargestellte Fischer seinen prächtigen goldenen Fang etwa auf Dachhöhe der Fischerhäuser und ist von weither sichtbar - was besonders eindrucksvoll ist, wenn die Sonne den Fischkörper aufleuchten lässt. Und es ist wohl genau diese Fernwirkung, die bereits am Eröffnungstag auch die letzten Kritiker überzeugt haben dürfte: Der "Mann mit dem goldenen Fisch" hat das Zeug dazu, Dießens neues Wahrzeichen zu werden. "Wahrzeichen kann man nicht verordnen, sie müssen sich ergeben", sagte Raff. Aber da waren die meisten Dießener schon längst dem Charme des Fischers erlegen.

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SZ vom 25.04.2016
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