Tierschutz:Luftbrücke für pelzige Akrobaten

Tierschutz: Scharfe Krallen, bewegliche Zehen und ein langer buschiger Schwanz: Eichhörnchen haben ideale Voraussetzungen für waghalsige Klettermanöver.

Scharfe Krallen, bewegliche Zehen und ein langer buschiger Schwanz: Eichhörnchen haben ideale Voraussetzungen für waghalsige Klettermanöver.

(Foto: Felix Kästle/dpa)

In elf Metern Höhe ist über die Gautinger Straße in Krailling ein Seil gespannt: Eichhörnchen sollen diese spezielle Brücke für eine sichere Überquerung der Fahrbahn nutzen.

Von Franziska Peer, Krailling

Kurz bleibt das rotbraune Tierchen stehen, wirft einen Blick auf die Autos unter ihm, dann saust es in flottem Tempo weiter über das Seil: Elegant und leichtfüßig wie ein Seiltanz-Akrobat balanciert das Eichhörnchen in schwindelerregenden elf Metern Höhe über die von der Gemeinde Krailling gebaute "Oachkatzlbruggn". An der anderen Seite angelangt verschwindet es im Dickicht der hohen Bäume am Berger Weiher.

Die Gemeinde Krailling hat im Dezember vergangenen Jahres zwischen dem Berger Weiher und der Heimstraße ein starkes, nicht verrottendes Spezialseil über die Gautinger Straße gespannt. Um die Eichhörnchen an die neue Streckenführung zu gewöhnen, wurden zeitgleich mit dem Seil Futterhäuschen an die Holzmasten der Luftbrücke angebracht. Was Beobachtern als waghalsiges Klettermanöver erscheint, ist für die flinken Nager eine Leichtigkeit: Ihre Füße lassen sich um 180 Grad nach außen drehen, die scharfen Krallen an den höchst beweglichen Zehen bieten selbst auf glatten Flächen sicheren Halt. Balance verschafft der bis zu 20 Zentimeter lange, buschige Schwanz.

Mittlerweile scheinen sich die Tierchen an ihren neuen Weg gewöhnt zu haben, denn die Brücke wird rege genutzt, berichtet die Gemeinde Krailling. Ursache für die Errichtung waren die aufgefundenen toten Tiere auf der stark befahrenen Gautinger Straße, erklärt Sebastian Beel, Leiter des Kraillinger Bauamts. Außerhalb dieser Strecke melden die zuständigen Behörden im Landkreis Starnberg aber keine auffällige Zahl an überfahrenen Eichhörnchen.

Die "Oachkatzln" halten sich gerne in den Bäumen am Berger Weiher auf, da es hier besonders viele alte Bäume gibt. Bäume produzieren erst ab einem gewissen Alter Samen, deshalb werden die Tiere auch nur in einem alten Baumbestand satt. Die Wahl zur Errichtung der Brücke fiel also auf diese Stelle am Berger Weiher, "da es hier sehr viel Grün und sehr viele Bäume gibt und die Gautinger Straße diesen Grünstreifen unterbricht", erklärt Solveig Butzert, Pressereferentin der Gemeinde Krailling.

Tierschutz: Über die Gautinger Straße in Krailling führt seit Kurzem die "Oachkatzlbruggn".

Über die Gautinger Straße in Krailling führt seit Kurzem die "Oachkatzlbruggn".

(Foto: Arlet Ulfers)
Tierschutz: "Schee, jetzt könn' ma nach dem Bummel durch die Ortsmitte sicher wieder hoam", denkt sich das Eichhörnchen auf der Infotafel des Kraillinger Künstlers Tscho Zintl.

"Schee, jetzt könn' ma nach dem Bummel durch die Ortsmitte sicher wieder hoam", denkt sich das Eichhörnchen auf der Infotafel des Kraillinger Künstlers Tscho Zintl.

(Foto: Arlet Ulfers)

Grundsätzlich wird der Lebensraum der putzigen, pelzigen Tiere stark eingeschränkt. Die Eichhörnchen-Expertin Sabine Schödl erklärt dies dadurch, dass soviel gebaut werde: "Eichhörnchen haben eine Baum-Landkarte im Kopf. Wenn plötzlich Äste fehlen, müssen Eichhörnchen auf andere Wege ausweichen, um zum nächstgelegenen Baum zu kommen". Und das sei dann fatalerweise häufig eine Straße.

So bekannt und beliebt die Eichhörnchen sind, so wenig ist allerdings über ihren Bestand bekannt. Der Bund Naturschutz (BN) hat deshalb 2020 in Bayern ein "Citizen-Science"-Projekt ins Lebens gerufen. Interessierte können über eine App oder über die BN-Webseite melden, wann und wo sie Eichhörnchen entdeckt haben. In den ersten drei Jahren des Projekts haben sich starke Schwankungen der Population gezeigt: Im Jahr 2020 waren es 10 300, 2021 mit 22 500 mehr als doppelt so viele. Und im Jahr 2022 waren es mit 12 500 Exemplaren wiederum nur wieder gut die Hälfte davon. Insgesamt sind im Freistaat seit Start des Projektes rund 54 000 Eichhörnchen gemeldet worden, im Landkreis Starnberg waren es immerhin 1147 Eichhörnchen. "Wir können mit dieser Forschungs-Methode keine absoluten Bestandszahlen generieren, sagt Martina Gehret, "aber Trends beobachten". Die Projektleiterin ist überzeugt davon, dass die Rekordhitze im Vorjahr, Lebensraumveränderungen und Nahrungsengpässe mögliche Ursachen für die starken Schwankungen sind.

Tierschutz: Kümmert sich um verwaiste Jungtiere: Sabine Schrödl vom Eichhörnchenschutzverein.

Kümmert sich um verwaiste Jungtiere: Sabine Schrödl vom Eichhörnchenschutzverein.

(Foto: Arlet Ulfers)

Was Privatpersonen machen können, um die Eichhörnchen zu unterstützen

Generell gilt das Eurasische Eichhörnchen laut der "Roten Liste Naturschutz" bislang als nicht gefährdet. Trotzdem wird es im Bundesartenschutzgesetz den besonders geschützten Tierarten zugeordnet. Weitere Feinde der Eichhörnchen seien neben Autos im Landkreis Starnberg vor allem Krähen und Katzen, erzählt die Gilchingerin Sabine Schödl. Sie ist zusammen mit dem Tierheim Starnberg eine der beiden Anlaufstellen für hilfsbedürftige Eichhörnchen im Landkreis. Schödl hat in diesem Jahr bereits 54 Jungtiere bei sich aufgenommen und aufgepäppelt. Sie gibt gerne Tipps, was man als Privatperson machen kann, um die Eichhörnchen zu unterstützen: Die Tierchen können mit heimischen Nüssen zugefüttert werden. Aber bitte keine Erdnüsse, Mandeln oder Macadamianüsse - diese können Bauchweh verursachen. Das Futter sollte am besten geschützt und erhöht - beispielsweise in einem Futterkasten oder Vogelhäuschen - platziert werden.

Tierschutz: Grundsätzlich sind Eichhörnchen menschenscheu. Suchen Jungtiere die Nähe des Menschen, sind sie meist in Not.

Grundsätzlich sind Eichhörnchen menschenscheu. Suchen Jungtiere die Nähe des Menschen, sind sie meist in Not.

(Foto: Arlet Ulfers)

Außerdem kann auf der Terrasse eine Schale mit Wasser und einem Stein darin aufgestellt werden, damit Eichhörnchen im Sommer Wasser finden und notfalls auch durstige Bienen wieder herausklettern können. Und ganz wichtig sei es auch, Regentonnen entweder abzudecken oder mit einem langen Stecken versehen, damit die Tiere auf Wassersuche nicht in den Tonnen ertrinken. Eichhörnchen sind grundsätzlich menschenscheu. Sobald aber vor allem Jungtiere Menschennähe suchen, sind sie meist in Not.

Kontakt der Anlaufstellen: Tierschutzverein Starnberg (Telefon 08151/8782) oder Eichhörnchen-Station-Gilching, Sabine Schödl (0172/8926323).

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