Süddeutsche Zeitung

Ehrenamtliche suspendiert:Streit um Bürgerbegehren in Herrsching eskaliert

Bürgermeister Christian Schiller entbindet Angelika Knülle von ehrenamtlichen Aufgaben. Ihr Mann hat den Vorstoß zum Gymnasium initiiert und spricht nun von "Sippenhaft à la Nazis und Erdogan".

Von Carolin Fries

Der Streit um den Bau eines Gymnasiums in der Gemeinde Herrsching hat eine neue Dimension erreicht. Am Freitagmorgen hat Bürgermeister Christian Schiller (parteifrei) die Ehefrau von Gerhard Knülle, der ein Bürgerbegehren gegen die Pläne der Gemeinde organisiert, von ihrem ehrenamtlichen Engagement für die Gemeinde entbunden. Angelika Knülle kümmert sich seit vielen Jahren um den Besuch des Männerchors "Stella del Cornet" aus der italienischen Partnergemeinde Ravina-Romagnano in Herrsching - ganz offiziell im Auftrag der Gemeinde. Auch heuer war alles vorbereitet, die Gäste wurden für Samstag erwartet. "Ich war den Tränen nahe", erzählt Angelika Knülle von dem Anruf des Bürgermeisters.

Die 74-Jährige ist seit knapp 30 Jahren freundschaftlich mit den Chorfamilien aus dem Vorort von Trient verbunden. Seit es die Partnerschaft mit Herrsching gibt, vereinbart sie die Auftritte in Herrsching, nimmt die Gäste und ihre Angehörigen in Empfang, wenn der Bus ankommt, und reserviert zum Abschluss traditionell in der Wirtschaft auf dem Heiligen Berg in Andechs ein paar Tische. Mitunter übernahm sie auch Übersetzungstätigkeiten, etwa bei der Begrüßung des Chors durch den Bürgermeister oder dessen Ansprache in der Kirche.

Diese Situation wollte Christian Schiller in diesem Jahr vermeiden. Es sei "ein bisschen unglücklich, jemandem, der gegen die Gemeinde und den Bürgermeister kämpft, mit der Übersetzung zu beauftragen", sagt der Rathauschef. Die Entscheidung habe er - angestoßen von Gemeinderatsmitgliedern - zusammen mit dem Zweiten Bürgermeister Hans-Jürgen Böckelmann (Grüne) und der Dritten Bürgermeisterin Christina Reich (CSU) getroffen. Den knappen Zeitpunkt der Absage erklärt er mit Angelika Knülles Engagement auf einer Informationsveranstaltung der Bürgerinitiative in der vergangenen Woche. "Dort war sie schwer aktiv", habe Fotos gemacht und Unterschriftenlisten für das Bürgerbegehren verteilt.

"Das passt einfach nicht", sagt auch Hans-Jürgen Böckelmann. Die Gemeinde könne nicht jemanden als Repräsentanten auftreten lassen, der in einem "politisch schwierigen Lager mittätig ist". Auch Christina Reich hält es für richtig, ihre Parteifreundin "hier aus der Schusslinie zu nehmen". Man habe mit der Entscheidung keinerlei böse Absichten verfolgt, betont sie. "Und im nächsten Jahr sieht es schon wieder ganz anders aus."

Angelika Knülle hält das Vorgehen der Bürgermeister für "übertrieben und verletzend". Ja, sie unterstütze die Position ihres Mannes inhaltlich, sagt sie. Doch aktiv werbe sie nicht für das Bürgerbegehren. Sie habe auch keine Unterschriftenlisten verteilt. Abgesehen davon habe die politische Diskussion in Herrsching doch nichts mit dem Besuch des Chores zu tun. "Der Chor war immer meine Sache", sagt sie.

Ihr Ehemann Gerhard Knülle hat noch am Freitag in einer E-Mail an den CSU-Ortsvorstand und CSU-Mitglieder von einer "unerträglichen Sippenhaft à la Nazis und Erdogan" gesprochen - "und das unter Mitwirkung der Bürgermeister". Er hält das Vorgehen der Bürgermeister für unerhört. Christina Reich wiederum fühlt sich durch Knülles Worte persönlich angegriffen. Sie überlegt, rechtlich gegen derlei Formulierungen vorzugehen.

Am Donnerstagabend hat sich der CSU-Ortsvorstand und die zehnköpfige CSU-Fraktion mit Ausnahme von Hermann Jäger, Klaus Pittrich und Fraktionssprecher Willi Welte klar gegen das Bürgerbegehren zum Gymnasium ausgesprochen. "Wir halten es für ein Verhinderungsbegehren", so Christina Reich.

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Quelle:
SZ vom 17.12.2018
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