Süddeutsche Zeitung

Behördenstreit:Showdown am See

Seit 17 Jahren kämpft sich Claus Vogt durch die Instanzen, um sein marodes Norwegerhaus am Ammersee zu retten - wohl ohne Happy End. Am Montag soll das ehemalige Künstlerdomizil abgerissen werden. Über Dämmplatten, Durchhaltevermögen und die Tücken des Denkmalschutzes.

Von Christina Denk, Eching am Ammersee

Das Rot der Holzschindeln ist an vielen Stellen so ausgeblichen, dass es beinahe ins Orange überwechselt. In einigen Fenstern im ersten Stock fehlt das Glas, bei manchen sogar der weiße Fensterladen. Das sogenannte "Norwegerhaus" am Ammersee wirkt auf den ersten Blick wie eine Ruine. Doch für Claus Vogt ist es eine Liebelei, für die er sich seit 17 Jahren durch die Instanzen kämpft. "Das Haus ist Geschichte pur", sagt er.

Der 80-Jährige steht mit wehenden, grauen Haaren vor dem Haus in der Kaagangerstraße 49 in Eching am Ammersee. Es ist ein stürmischer, bewölkter Tag. Bewegt sind auch die Zeiten für das Haus. Das Künstlergebäude soll bereits am kommenden Montag abgerissen werden. So hat es das Landratsamt Landsberg am Freitag verkündet. Für das Haus kämpft der Münchner seit Jahren - in einem komplexen juristischen Tauziehen. In den Kauf hat er Millionen investiert. Schließlich wollte der Münchner hier einst einziehen. Doch so weit kam es nie.

Wie kann es sein, dass ein Haus, bei dessen Einweihung noch mit Henkell-Sekt angestoßen wurde, 123 Jahre später als Schwarzbau gilt? Dass einem Bau, den Künstler noch immer bewundern, nun die Abrissbirne droht? Kann man so ein Unikum der regionalen Architektur überhaupt abreißen - oder muss man es sogar? Wie viel Plausibilität, wie viel Selbstzweck stecken im Baurecht?

Die Geschichte des sogenannten Norwegerhäuschens beginnt im Jahr 1900. Der Schweizer Künstler Hans Beat Wieland hatte es als Atelier direkt ans Ufer gebaut. Es gilt als Keimzelle der Echinger Künstlerkolonie am Ammersee. Lange blieb es im Besitz der Nachkommen Wielands, bis 1999 Claus Vogt die Wielandhütt übernahm. Schnell stellte sich heraus, dass eine der roten Außenwände marode war.

Mit Genehmigung des Denkmalamtes ging Claus Vogt die ersten Baumaßnahmen selbst an. Das offenbar giftige Dämmmaterial tauschte er gleich mit aus. Ziegelwände entstanden im Inneren. Ein fataler Fehler, wie sich im Nachhinein herausstellte. Das Bauamt sah in den Änderungen einen Neubau. Das Ergebnis: Entzug des Denkmalschutzes im Jahr 2006 und Baustopp. Seitdem gilt das Haus als Schwarzbau und soll abgerissen werden. "Das bereue ich auch", sagt er, das würde er nie mehr machen. "Aber ich wusste das nicht", so Vogt.

Am Haus schaut Vogt entlang des Dachstuhls, beobachtet die Mitarbeiter des Bauamts, die vergangenen Mittwoch letzte Untersuchungen vornehmen. Sie leuchten mit Taschenlampen in die Ecken, fotografieren das alte Holzgestell, das ihn selbst so fasziniert. Er hat ordnerweise Akten angesammelt, Anwälte kontaktiert und Verträge geschlossen, im Versuch, sein plötzlich illegales Haus doch noch zu legalisieren. Eine vierstellige Summe an monatlichen Anwaltskosten fordere das, so Vogt.

Zur letztmöglichen Rettung des Hauses hat sich eine Interessensgemeinschaft gebildet. Künstler, Architekten und ein Restaurator wollen sich gemeinsam mit Vogt für den Rückbau des Hauses und die Wiederherstellung des Originalzustands einsetzen. Sogar die ursprüngliche Begrünung soll zurück auf das Blechdach. Auch ein kleines Museum ist im Inneren geplant. Direkt vor der großen Glasfront, wo der Künstler einst beim Malen auf den See schaute. Claus Vogt hat alle originalen Gegenstände des Malers gesammelt - unter anderem zwei Bilder, die Original-Staffelei, sogar Skier. "Es geht ums Gedenken", sagt Malerin Angelika Böhm-Silberhorn von der Interessensgemeinschaft.

Rückbau und ein Museum im Wieland-Haus? Der Plan schien beinahe festzustehen. Claus Vogt hat einen Vertrag mit der Gemeinde Eching geschlossen und sich verpflichtet, das Haus auf den Stand vor 2006 rückzubauen. Nur die Details sollten noch geklärt und in weiteren Runden abgestimmt werden. "Wir sind sehr stolz drauf, dass wir das hier haben", sagt der Bürgermeister Siegfried Luge über das Künstlerhaus, das im Ort als Sehenswürdigkeit gilt. "Sowas kann man nicht mehr herstellen."

Das Landratsamt Landsberg sieht das anders. In Form einer knappen E-Mail liegt am Freitag der Beschluss vor, den Claus Vogt so lange zu verhindern versucht hat. "Wir wollten Ihnen mitteilen, dass ab Montag, den 13.03.2023 ab 13:00 Uhr die Abbrucharbeiten für das Haus auf dem vorgenannten Grundstück beginnen", heißt es in der E-Mail. Claus Vogt solle nur noch private Gegenstände aus dem Haus entfernen. Halteverbotsschilder stehen bereits vor dem Gelände. Nach 17 Jahren Streit will das Landratsamt das Norwegerhaus schließlich abreißen.

"Wir haben ein Baurecht zu vollziehen", sagt Wolfgang Müller, Sprecher im Landsberger Landratsamt. Einer Empfehlung des Petitionsausschusses des Landtags vom 1. März wollen sie nicht nachkommen. Der Ausschuss hatte die Bitte geäußert, auf die Entscheidung der Gemeinde zu warten, den Vertrag und den entsprechenden Rückbauplan zu berücksichtigen. Doch das Landratsamt hält den Plan für aussichtslos. Hier handele es sich um einen Neubau, der im Außenbereich nicht gestattet sei, sagt Müller. Er verweist auf Gerichtsurteile. "Die Rechtslage ist eindeutig." Gemeinde und Landtag sehen das anders. Bebauung im Außenbereich gebe es immer wieder, argumentiert Bürgermeister Siegfried Luge. Doch wie der Ober den Unter nicht nur beim Karteln sticht, hat auch hier das Landratsamt das letzte Wort.

Am Montag um 13 Uhr soll die Abrissfirma anrücken, die das Landratsamt beauftragt hat. Die E-Mail kam erst drei Tage vor dem Abrisstermin. Es scheint, als habe das Landratsamt genug vom juristischen Kräftemesse. Für Vogt unverständlich: Er habe eine Abrissfirma mit dem Rückbau beauftragt, sagt er. Einige Fenster und die Haustür wurden bereits entfernt und eingelagert. Vogt sagt, er habe die Anforderungen des Landratsamts erfüllt, stets über alle Schritte des Rückbaus informiert. Der Fall Wielandhüttl ist wieder einmal eine Auslegungssache.

Seit Claus Vogt am Freitag die Schilder entdeckt hat, läuft die letzte Etappe seiner Fehde. Bauamt, Anwalt, Politik - er wolle sich nicht dem Staat widersetzen, betont er. "Aber wir müssen doch miteinander arbeiten."

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