Kunstpreis des Landkreises Landsberg:Metaphern aufs menschliche Leben

Kunstpreis des Landkreises Landsberg: Doris Trummer wurde kürzlich mit dem Kulturpreis des Landkreises Landsberg geehrt, ihr jüngstes Projekt befasst sich mit Birnen.

Doris Trummer wurde kürzlich mit dem Kulturpreis des Landkreises Landsberg geehrt, ihr jüngstes Projekt befasst sich mit Birnen.

(Foto: Arlet Ulfers)

Schon als junge Frau bekam Doris Trummer die Diagnose Multiple Sklerose. Ihre Kunstwerke sind zumeist zarte Objekte, das Material dafür findet sie in der Natur. Nun wird sie für ihr Lebenswerk geehrt.

Von Katja Sebald, Schondorf

Die Krankheit ist immer da, unerbittlich. Sie gehört zum Leben von Doris Trummer, aber sie soll nicht alles bestimmen. Als junge Künstlerin und Mutter bekam Doris Trummer die Diagnose Multiple Sklerose (MS), eine entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems, die das Gehirn und das Rückenmark umfasst. Fast 40 Jahre später arbeitet sie immer noch, soweit es ihr möglich ist. Jetzt wird sie für ihr Lebenswerk mit dem Kunstpreis des Landkreises Landsberg ausgezeichnet.

"Zuerst bin ich darüber furchtbar erschrocken", sagt die Künstlerin, die ein sehr zurückgezogenes Leben führt, "aber jetzt fange ich langsam an, mich zu freuen. Der Preis ist eine schöne Wertschätzung meiner Arbeit." Sie hat bereits angefangen, die Einladungskarte zu entwerfen und die Feier zu planen. Doris Trummer, 1960 in Nördlingen geboren, studierte von 1980 bis 1986 an der Akademie der bildenden Künste in München bei Franz Bernhard Weißhaar und Rudi Tröger. Sie lebt als freischaffende Künstlerin in Schondorf, ihre Arbeiten waren in zahlreichen Ausstellungen zu sehen, zuletzt 2022 bei "Kunst hält Wache" in Landsberg und im "Raum B1" in Utting. Für den Kunstpreis, den es seit sieben Jahren gibt, wurde sie von der Landsberger Grünen-Kreisrätin Monika Groner vorgeschlagen. Sie sei fasziniert von Trummers Arbeiten und sehr beeindruckt davon, wie die Künstlerin vom Rollstuhl aus ihr Leben meistert, sagt Groner.

Seit einiger Zeit arbeitet Trummer an einer Serie, für die sie Birnen detailgenau porträtiert. Das jeweilige Modell auf ihrem Arbeitstisch wird in "Lebensgröße" auf Papier übertragen. Die Künstlerin arbeitet mittlerweile mit der linken Hand, sie benutzt Buntstifte und Aquarellfarben mit sehr feinen Pinseln, um jede winzige Kleinigkeit, jedes Fleckchen und jede Farbnuance auf der Haut der Früchte wiederzugeben. Die fertigen Birnenporträts werden auf kleine Holzwürfel aufgezogen und wirken dann fast dreidimensional. Jetzt im Spätwinter zeichnet Trummer gelbliche, rötliche oder grüne Birnen aus dem Supermarkt, im Sommer waren es zuerst unreife, im Herbst dann reife Birnen vom eigenen Baum.

Die Inspiration für ihr künstlerisches Tun findet Trummer meist in der Natur rund ums Haus mit dem schönen roten Eisenzaun und dem üppigen Garten in Schondorf, in dem sie seit mehr als 20 Jahren mit ihrem Mann wohnt. "Ich habe schon immer zu Hause gearbeitet und musste mir meine Kraft einteilen", sagt sie. An Ideen mangelt es nicht. "Es ist oft eine Frage der Wahrnehmung", sagt sie. "Manchmal hat man etwas schon lange vor Augen und sieht es auf einmal ganz anders." Das kann eine Kletterrose an der Veranda sein, ein Wespennest unterm Dach, Hortensienbüsche oder der Birnbaum im Garten.

Kunstpreis des Landkreises Landsberg: Birnenporträts: Jede winzige Kleinigkeit, jedes Fleckchen und jede Farbnuance wird detailliert wiedergegeben und dann auf Holzwürfel geklebt.

Birnenporträts: Jede winzige Kleinigkeit, jedes Fleckchen und jede Farbnuance wird detailliert wiedergegeben und dann auf Holzwürfel geklebt.

(Foto: Arlet Ulfers)

Immer wieder verarbeitet sie fragile Fundstücke aus der Natur zu ebenso opulenten wie zarten Schutzhüllen: So schuf sie etwa vor Jahren eine Decke aus Wespennestern, einen Mantel aus Eichenlaub, Handschuhe aus Gänseblümchen und ein Babyjäckchen aus unzähligen Löwenzahnsamen. 2022 zeigte sie in Utting in der Ausstellung "Im vergangenen Sommer" Damenschuhe, einen Rock und eine Kappe aus Hortensienblüten. Um die Dolden abzuzupfen, die Blüten einzeln glatt zu bügeln und sie dann auf eine Klarsichtfolie zu kleben ist Trummer auf Hilfe einer Freundin angewiesen, die einmal in der Woche mit ihr arbeitet.

Kunstpreis des Landkreises Landsberg: Bei der Ausstellung "Im vergangenen Sommer" präsentierte die Künstlerin fragile Fundstücke aus der Natur.

Bei der Ausstellung "Im vergangenen Sommer" präsentierte die Künstlerin fragile Fundstücke aus der Natur.

(Foto: Arlet Ulfers)

Nicht nur für ihr künstlerisches Schaffen, sondern auch für das alltägliche Leben braucht Trummer wegen ihrer Krankheit Unterstützung. Heinrich Trummer ließ sich für seine Frau zum Pfleger umschulen und wurde für sein Engagement 2017 mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt. Jetzt hat er allen Grund, auf seine Frau stolz zu sein. Die zarten Objekte, die sie Materialien aus der Natur entnimmt und vorsichtig verarbeitet, berühren, "weil sie eng verwoben mit dem Schicksal der Künstlerin sind und zugleich eine Metapher auf das menschliche Leben", heißt es in der Begründung der Kunstpreisjury.

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