Süddeutsche Zeitung

Initiative:Neustart für den Dorfladen in Wörthsee

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Nina Henzel aus Walchstadt will das insolvente Geschäft retten und bunter gestalten. Für das Startkapital hat sie Spenden gesammelt und ihr Konzept bereits den Anteilseignern vorgestellt.

Von Christine Setzwein

Wörthsee - Mit dem Ende des Dorfladens wollen sich viele Wörthseer nicht abfinden. Eine von ihnen ist Nina Henzel. Die 39-Jährige legte in der letzten Sitzung der Anteilseigner vor gut einer Woche ein Konzept für die Wiedereröffnung vor. Und sie hat bereits mehr als 10 000 Euro Spenden gesammelt. Als Mindestbetrag des Startkapitals hat sie 12 000 Euro angesetzt, "20 000 wären noch besser", sagt sie. Der Dorfladen ist seit Anfang des Jahres geschlossen, weil die Geschäftsführung im Dezember Insolvenz angemeldet hatte.

Nina Henzel hat den Dorfladen von Anfang an begleitet, zuerst ehrenamtlich, zuletzt als Teilzeitkraft. Das Ende des Genossenschaftsprojekts nach nur eineinhalb Jahren sei für Helfer, Unterstützer, Mitarbeiter und stille Gesellschafter "ein schwerer Schlag" gewesen. Nicht nur wegen des enormen persönlichen Engagements und des verlorenen Geldes - etwa 94 000 Euro -, das hineingesteckt worden war, sondern auch, weil sich der Dorfladen zu einem beliebten Treffpunkt entwickelt habe. Den will Henzel unbedingt erhalten und langfristig etablieren.

Die Mutter von zwei sieben- und vierjährigen Söhnen sprüht vor Ideen. Sie möchte weiterhin Käse, Brot, Milch, Eier, saisonales Obst und Gemüse offerieren, auch Wein, Wörthseer Bier und Gin sollen wieder verkauft werden. Ansonsten will sie das Warenangebot stark reduzieren und den Fokus mehr auf den Café- und Bistrobetrieb legen.

So soll es ein breites Frühstücksangebot geben und eine größere Kuchentheke. Alles Bio natürlich. Am Mittagstisch drei- bis viermal pro Woche will Henzel festhalten. "Eine vegetarische, vegane Ernährungsweise wird bei allen Getränke- und Essensangeboten berücksichtigt."

Nina Henzels Mutter ist Kroatin, ihr Vater Italiener. Sie hat Philosophie studiert, hat ein Jahr in Indien gelebt und schließlich eine Heilpraktiker- und Hebammenausbildung absolviert. In Walchstadt lebt die Familie seit drei Jahren in einem Haus, das 100 Jahre alt ist. Henzel gibt Geburtsvorbereitungs-, Rückbildungs- und Yogakurse. Sie ist im Vorstand des Montessori-Kinderhauses Wörthsee und Veganerin. Trotzdem habe sie kein Problem damit, im Dorfladen auch Leberkässemmeln anzubieten. Denn eines ist ihr wichtig: "Dass alle in den Laden kommen, von der jungen Mutter mit Kind über den Arbeiter bis zur Rentnerin." Dafür will sie den Dorfladen umgestalten. Der hintere Teil soll eine "Kinderinsel" werden, sie will gemütliche Sofas und Sessel aufstellen, die Wände bunt streichen. Der Dorfladen als Rückzugsort, Begegnungsstätte, Kindercafé und Ausstellungsraum.

Einnahmen und Ausgaben hat Henzel lange durchkalkuliert. Sie geht in den ersten sechs Monaten von monatlichen Kosten in Höhe von 21 000 Euro aus, an Einnahmen rechnet sie mit 24 000 Euro. Mit der Kreissparkasse München Starnberg Ebersberg sei sie im Gespräch wegen der Miete, Unternehmensberater und Dorfladen-Experte Wolfgang Gröll habe seine Unterstützung zugesagt ebenso wie Johannes Englmeier. In dessen Zeit als Geschäftsführer hat der Dorfladen zweimal eine Schwarze Null geschrieben. Vier Mitarbeiter in Voll- und Teilzeit will Henzel weiterbeschäftigen, auch sie selbst möchte vormittags mithelfen. Mit dem Startkapital sollen unter anderem Einrichtung und Geräte im Dorfladen aus der Insolvenzmasse herausgekauft werden. Die Bilanzen will sie aussourcen, "das müssen Profis machen".

Zuletzt konnte der Dorfladen die Kosten nicht mehr erwirtschaften: zu hohe Ausgaben, zu wenig Kundschaft. Dazu kam der Imageschaden, den der Laden durch emotionale Turbulenzen erlitten hatte.

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SZ vom 22.01.2020
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