Doppelmord von Krailling:Polizei verteilt Fotos des Verdächtigen

Die Methode ist ungewöhnlich: Der Tatverdächtige sitzt in Haft - und die Polizei sucht dennoch mit Plakaten nach Zeugen für die Tatnacht. Experten sehen das Vorgehen skeptisch.

C. Deussing, H. Holzhaider und B. Kastner

Mit einer ungewöhnlichen Methode sucht die Polizei in Krailling nach Zeugen, die den Onkel der beiden getöteten Schwestern in der Mordnacht beobachtet haben. Sie hat Fahndungsplakate herausgegeben, auf denen der tatverdächtige 50-jährige Thomas S. abgebildet ist, zwei Fotos zeigen ihn ungepixelt.

Die Plakate wurden am Mittwoch in der Umgebung des Tatorts aufgehängt und in einer Auflage von etwa 1000 Stück in anliegende Haushalte verteilt. "Wir versuchen alles, um das Bild abzurunden", sagte Polizeisprecher Peter Reichl. Man wolle möglichst viele Beweise sammeln. "Vielleicht hat ihn der ein oder andere Anwohner doch gesehen." Zweifel an der Täterschaft des Onkels haben die Ermittler nicht: "Wir sind uns sehr sicher", so Reichl.

Ein Ermittlungsrichter hatte die Öffentlichkeitsfahndung auf Antrag der Staatsanwaltschaft genehmigt. Während regelmäßig nach flüchtigen Verdächtigen mit Fotos gefahndet wird, kommt dies bei einem bereits inhaftierten Verdächtigen selten vor. Diese Einschätzung bestätigt neben dem Justizministerium auch der Strafrechtsprofessor Ulrich Schroth.

Zugleich sei es aber ganz normal, dass die Ermittler in einem Mordfall ohne Geständnis alles versuchten, die Schuld des mutmaßlichen Täters zu beweisen. Dieses Interesse überwiege dann auch das Persönlichkeitsrecht. Der Münchner Strafverteidiger Werner Leitner, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Strafrecht im Deutschen Anwaltsverein, betrachtet das Vorgehen der Polizei mit gewisser Skepsis. Es gebe bisher "keine klare, richterlich geklärte Rechtslage", ob eine solche Fahndung zulässig sei. "Man darf nicht vergessen, dass die Unschuldsvermutung noch gilt."

Zweifelhaft sei im Ernstfall auch der Beweiswert, so Leitner: Es sei "immer problematisch", wenn ein Zeuge aufgrund nur eines einzigen Fotos einen mutmaßlichen Täter erkannt haben will.

Die Polizei hofft, dass Thomas S. in der Nacht zum 24. März in der Nähe der Wohnung der ermordeten Schwestern gesehen wurde. Dies würde den ohnehin starken Tatverdacht weiter erhärten. Sogenannte Mantrailer-Hunde hatten kurz nach der Tat eine Spur aufgenommen. Die Ermittler gehen davon aus, dass Thomas S. sein Auto in der Nähe der Wohnung abgestellt hatte. Von großem Interesse für die Polizei ist auch, ob jemand das Auto, einen grünen Kia Carnival mit Weilheimer Nummer, in der Tatnacht oder zuvor in Krailling gesehen hat.

Das jüngere Opfer soll auch mit einem Strick gedrosselt worden sein. Ob diese Schlinge aus der Kraillinger Wohnung stammt oder der Mörder sie mitgebracht hat, wollte Oberstaatsanwältin Andrea Titz nicht mitteilen. Aber die Herkunft sei bekannt, sagte sie. Derzeit wird der Strick nach DNS-Spuren untersucht.

Verteidiger Karl Peter Lachniet sieht in den jüngsten Polizeimaßnahmen "verzweifelte" Versuche, seinen Mandanten zu überführen. Es deute jetzt einiges darauf hin, dass die bisherigen Erkenntnisse nur "heiße Luft" seien. Thomas S., so der Anwalt zur SZ, sei "guter Dinge" - er sorge sich aber um seine Familie.

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