Doppelmord von Krailling:Millimeterarbeit am Tatort

Noch immer gibt es keine Spur vom Kraillinger Doppelmörder: Wie die Polizei versucht, mit Profilern und großem technischen Aufwand den gewaltsamen Tod der zwei Mädchen aufzuklären.

Susi Wimmer

Polizeivizepräsident Robert Kopp hat in seiner Amtszeit schon einiges erlebt, eine derart grausame Tat wie in Krailling allerdings noch nie: "Wir werden alles daran setzen, diesen Fall aufzuklären", versichert Kopp. Aus diesem Grund hat die Polizei die Sonderkommission "Margarete", benannt nach der Straße, in der das Verbrechen geschah, von 20 auf 31 Mann aufgestockt.

Krailling Kinder

Beamte in Krailling sichern am Tag nach der schrecklichen Tat Spuren in der Umgebung des Hauses, in dem zwei Schwestern vor einer Woche ermordet wurden.

(Foto: Georgine Treybal)

Denn auch am Tag sechs nach der Tat fehlt den Ermittlern die wichtige "heiße Spur", die zu dem Täter führt, der in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag in das Wohnhaus in Krailling geschlichen ist und die Schwestern Sharon, 11, und Chiara, 8, auf bestialische Art und Weise ermordet hat.

"Unspektakuläre, akribische Kleinarbeit", so nennt Oberstaatsanwältin Andrea Titz die Ermittlungen, die jetzt die 31 Beamten der Soko vor sich haben. Sichern von Spuren, auswerten von Spuren, die mittlerweile 50 Hinweise aus der Bevölkerung abarbeiten, "wir schöpfen alle Ermittlungsansätze aus", sagt die Staatsanwältin. Sicher ist, dass die Mädchen in Abwesenheit ihrer Mutter in der Nacht auf Donnerstag mit einem Messer erstochen sowie vermutlich mit einer Hantelstange erschlagen wurden.

Selbst hartgesottene Ermittler sprechen von einer "noch nie dagewesenen Tat". Es gebe keinen Vergleichsfall für ein "so hasserfülltes Verbrechen". Schon vor Tagen haben die Männer von der Spurensicherung bislang noch fremdes DNS-Material gefunden, an einer tatrelevanten Stelle. Ob diese Genspur aber vom Täter stammt, lässt sich nicht zweifelsfrei sagen.

Denn in der fraglichen Nacht, nachdem der Lebensgefährte der Mutter um 4.45 Uhr die Polizei alarmiert hatte, kamen etliche Leute den Mädchen zu Hilfe. Zunächst die Beamten der Inspektion Planegg, dann mehrere Notarztwagen-Besatzungen und andere Helfer. Ein Umstand, der den Ermittlern der Mordkommission die Arbeit erschwert. Nun müssen all diese Personen ausfindig gemacht werden und eine Speichelprobe abgeben. Nur so kann man sicherstellen, dass eine tatrelevante DNS-Spur tatsächlich dem Mörder zuzuordnen ist.

Im Fall "Margarete" greift der zunächst wichtigste Grundsatz bei Mordermittlungen nicht mehr, nämlich: möglichst wenige Personen an einem Tatort zuzulassen. Da Menschen allein schon beim Betreten eines Raumes DNS-Spuren hinterlassen können, arbeiten im Normalfall zunächst nur ein Ermittler der Mordkommission und ein Mann vom Erkennungsdienst in weißen Ganzkörperanzügen am Tatort.

Die DNS der Spezialisten ist im Polizeicomputer gespeichert, sodass sie als verdächtige Spurenverursacher ausscheiden. "Es sollen möglichst wenig vorhandene Spuren vernichtet und neue gesetzt werden", sagt ein Polizeibeamter. Während dieses Erstzugriffs machen sich die übrigen Kollegen der Mordkommission, eine Kommission umfasst in der Regel fünf Personen, auf zur ersten, zeitnahen Befragung von Nachbarn und Passanten. Aussagen, Personendaten werden eingesammelt, Zeugen später noch einmal vorgeladen.

Daten von Handys und Telefonen überprüft

Im Kraillinger Fall setzt die Polizei auch die sogenannte "Scene-Cam" ein. Eine Kamera, die jeden Raum in der Wohnung mittels Laser erfasst. So können Ermittler auch noch nach Jahren virtuell den Tatort betreten und sich die Spuren anschauen. Mit im Boot sind seit Tagen auch die Profiler von der Operativen Fallanalyse. Sie versuchen, ein Profil des Täters zu erstellen. Hat er eventuell das Gesicht der Leiche abgedeckt oder Messerstiche gegen den Hals gesetzt - die Vorgehensweise kann Erkenntnisse über die Struktur, ja sogar über das Alter des Täters liefern.

Trauer um getötete Geschwister

Vor dem Haus der Familie haben trauernde Menschen Kerzen und Blumen abgestellt.

(Foto: dpa)

Nach der ersten erkennungsdienstlichen Behandlung des Tatortes und der Sicherung der wichtigsten Spuren rücken weitere Leute des Kommissariats an und untersuchen die komplette Wohnung, jedes einzelne Zimmer "zentimeterweise". Im Fall des ermordeten Münchner Kochs Markus S. fanden die Kommissare etwa im Hausflur eine millimeterkleine Blutspur, die kaum auszumachen war - und die Ermittler weiterbrachte.

Im Umfeld des Tatortes werden alle verfügbaren Kameras gecheckt, von Bussen, S-Bahnen, aber auch Privatleute, die an ihrem Anwesen Überwachungstechnik haben, werden befragt. Außerdem überprüfen die Beamten die eigenen polizeilichen Daten: Was war in der Tatnacht im Inspektionsbereich los? Welche Einsätze gab es, könnten sie in Zusammenhang mit der Tat stehen? Hat es etwa einen Unfall gegeben oder wurde jemand in der Gegend von einer Blitzkamera mit seinem Wagen erfasst?

Ein nicht unwesentlicher Punkt: In München etwa wurde der Mord an einer Frau geklärt, weil der Täter nach dem Verbrechen mit seinem Auto in eine Radarkontrolle gerast war und ein gestochen scharfes Bild von ihm vorlag.

Natürlich werden auch die Daten von Telefonen und von Handys überprüft, die zur Tatzeit in der betreffenden Funkzelle eingeloggt waren. Die elfjährige Sharon beispielsweise war über eine Internetplattform mit etlichen Freunden verbunden, hatte wohl kundgetan, dass sie abends wieder alleine zu Hause sei. Einen Zusammenhang mit den Morden besteht nach Aussagen von Oberstaatsanwältin Titz bislang aber nicht.

Mittlerweile ist der 3D-Laserscanner des Landeskriminalamtes (LKA) im Einsatz, ebenso ein Beamter, der auf Formspuren spezialisiert ist. Anhand von Formveränderungen an einem Objekt lassen sich Rückschlüsse etwa auf die Tatwaffe ziehen. "Fallspeziell", sagt Claudia Vodermaier vom LKA, werde ihre Behörde wie eine Servicedienststelle unterstützend tätig.

Die Kriminaltechniker könnten beispielsweise an einer Hose Blütenstaub sichern und Biologen unter Umständen feststellen, aus welcher Gegend die Blumen stammen. Fingerabdrücke, DNS, Kriminaltechnik, Waffentechnik, Physiker, Chemiker, Mikrospuren-Spezialisten: Die Möglichkeiten der LKA-Ermittler sind vielfältig und im Fall Krailling längst noch nicht ausgeschöpft.

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