SZ-Serie: Abgedreht - Filmkulissen rund um München:Vom Fährtensuchen und Flunkern

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Ernst Simmerding von der gleichnamigen Bootswerft im Berger Ortsteil Leoni bespricht sich mit Gabi Pohl, Szenenbildnerin des Starnberg-Krimis "Die reichen Leichen". (Foto: Georgine Treybal)

Die Bootswerft Simmerding am Ostufer des Starnberger Sees dient Regisseur Dominik Graf 2014 als Drehort für seinen Starnberg-Krimi "Die reichen Leichen". Doch bis aus dem urigen Ambiente eine passable Unterkunft für eine Polizeianwärterin wird, ist einiges zu tun.

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Berg

Für Ernst Simmerding, Inhaber der gleichnamigen Bootswerft im Berger Ortsteil Leoni, sind Filmaufnahmen nichts Besonderes. Schon als Kind durfte er zusehen, wie für die Krimiserie "Der Kommissar" eine Leiche auf dem Grundstück vergraben wurde, die natürlich nicht echt war. Vor acht Jahren war das idyllische Holzhaus an dem kleinen Hafen der Bootswerft die Unterkunft der Polizeianwärterin Ariane Fink im Starnberg-Krimi "Die reichen Leichen" mit Andreas Giebel, Hannes Jaenicke, Eisi Gulp, Beatrice Richter und Annina Hellenthal.

(Foto: SZ-Grafik)

"Ich kann mich erinnern, wie die Schauspielerin immer zum Floß geschwommen ist oder zum Boot", erzählt Simmerding. An dem Boot hatte Simmerding eigenhändig eine Leiter angebracht, damit Schauspielerin Annina Hellenthal bequem hochklettern konnte. Die Geschichte spielte im Sommer. Der Film wurde allerdings im Herbst gedreht. Es war sicherlich nicht sehr angenehm für Hellenthal, zwei Tage lang Schwimmszenen im kalten Wasser zu spielen.

Gabi Pohl, Szenenbildnerin und Location Scout, fand, dass dieser Platz das "gewisse Flair" ausstrahlt, das sie für den Film benötigte. "Ich bin eine Fährtensucherin. Wenn ich ein Drehbuch lese, entsteht ein inneres Gemälde. So suche ich den Drehort", erklärt sie. Anschließend überlege sie, wie sie das Motiv umsetzen kann, damit es interessant wird für den Zuschauer. Bis dahin ist es allerdings ein langer Weg. Denn nicht nur der Schauplatz muss den Vorgaben im Drehbuch entsprechen, auch die Umgebung muss stimmen. Die Location muss gut für den Lkw mit dem Equipment anfahrbar, Parkmöglichkeiten müssen für die etwa 50 Mann starke Filmcrew vorhanden sein. Sie stehe als Szenenbildnerin in der Mitte zwischen Regisseur und Produktion. Denn das letzte Wort hat immer der Regisseur. Zudem müssen finanzielle Vorgaben eingehalten werden. Daher malt Pohl zu den einzelnen Schauplätzen Skizzen, damit der Regisseur entscheiden könne, ob alles seinen Vorstellungen entspricht. Früher hatte sie stets Papier und Bleistift dabei, heute ist es ein iPad.

Das idyllische Holzhaus an dem kleinen Hafen der Bootswerft Simmerding wird im Film zur Unterkunft für Polizeianwärterin Ariane Fink. (Foto: Georgine Treybal)

Das Holzhaus in der Bootswerft hat weder Wasseranschluss noch Toilette. Es musste also eigens umdekoriert werden, um als Wohnung durchzugehen. Die Tafeln "Vorsicht Rutschgefahr" mussten entfernt, Wände neu gestrichen und die zwei Zimmer "lebendiger gemacht" werden. Die Schönheit des Drehorts müsse hervorgehoben werden, wie die Schönheit einer Frau, sagt Pohl. Normalerweise arbeitet Pohl mit etwa 20 Filmschaffenden zusammen, darunter Außen- und Innenrequisiteure, damit alle Komponenten abgestimmt werden können und zueinander passen.

Die Bilder an der Wand malt Pohl meistens selbst, da es ihrer Erfahrung nach sehr kompliziert ist, die Drehrechte für Gemälde zu bekommen. Als selbständige Szenenbildnerin hat sie sich ein zweites Standbein mit einem Bilderverleih geschaffen. Nur einen Tag hat Pohl für den Aufbau zur Verfügung und einen weiteren nach dem Dreh für den Abbau. Für die zwei Tage, die auf der Bootwerft gedreht wurden, hat Simmerding seine Mitarbeiter nach Hause geschickt, damit kein Lärm von Kreissägen oder Hämmern zu hören war. Wie sich der Bootsbauer erinnert, hatte ein Nachbar sogar Geld bekommen, damit er seinen Rasenmäher abstellt. Die Werft wurde in dieser Zeit weitläufig abgesperrt, um zu vermeiden, dass später Spaziergänger im Bild zu sehen sind. Darüber hinaus musste von allen Bootseigentümern, die an der Werft ihren Standplatz hatten, eine Dreh-Erlaubnis eingeholt werden. Da der Regisseur Dominik Graf angeordnet hatte, dass nur Holzboote zu sehen sein sollten, mussten Abdeckungen entfernt und Kunststoffboote umgesetzt werden. Auch das hat Simmerding am Vorbereitungstag erledigt.

Das größte Risiko ist natürlich das Wetter. "Es kann immer regnen oder schneien", sagt Pohl. Für diesen Fall bereitet sie immer ein so genanntes Cover-Set vor, also einen Drehort für Innenaufnahmen, der in der Nähe liegt, sodass kurzfristig die Pläne geändert werden können. Der Alternativ-Schauplatz für die Bootswerft Simmerding war das nahe gelegene Schlosshotel Berg. Dort war ein Zimmer für eine Hotelszene angemietet worden, um Logistik, Maske und Kostüme schnell verlagern zu können.

Immer wieder müsse man etwas flunkern - "schummeln", wie sie es nennt - damit die Szenen den Vorgaben entsprechen, räumt Pohl ein. Laut Drehbuch sollte beispielweise an dem Holzkreuz im Starnberger See - die Stelle, an der die Leiche von König Ludwig II. gefunden wurde - tatsächlich eine Wasserleiche auftauchen, die wie der Märchenkönig aussieht. Die Szene wurde jedoch nicht an dem echten Holzkreuz vor der Votivkapelle gedreht. Man habe eine andere Stelle am Ufer des Starnberger Sees eigens für diese Szene präpariert, erklärt die Szenenbildnerin.

Auch der Platz, an dem der "Kini" durch das Schilf ins Wasser waten sollte, musste angepasst werden. Da die streng geschützten Schilfflächen im See nicht betreten werden dürfen, wurde in einer Gärtnerei Schilfrohr in Blumentöpfen gekauft. Die Pflanzen hatten allerdings schon ihre braune Herbstfärbung angenommen. Pohl hat das Schilfrohr kurzerhand mit grüner Farbe besprüht und im Bereich des Teehauses in Bernried ins seichte Seewasser gestellt. "Wir müssen immer ein bisschen schummeln", erklärt Pohl. Allerdings müsse alles stimmig sein, wie es das Drehbuch verlange. Für jeden Film muss Pohl durchschnittlich 15 Drehorte finden. Immer sei ein Motiv darunter, bei dem die Suche kompliziert werde. Aber nach 20 Jahren im Job hat Pohl ein großes Archiv, und dann suche sie eben so lange, bis sie etwas Geeignetes finde. "Ich kenne fast alle Villen am Starnberger See und im Oberland. Man findet immer etwas."

Nur die Polizei-Szenen durften tatsächlich in der Starnberger Polizeiinspektion gedreht werden. Laut Pohl mussten die Filmschaffenden nicht einmal dafür bezahlen. Denn die Polizei dürfe kein Geld annehmen.

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